Am Ende des Jahres 2025, das zugleich das 650. Jubiläumsjahr von Biesdorf war, veranstaltete unser Verein „Freunde Schloss Biesdorf“ ein frühzeitig geplantes Gespräch mit dem langjährigen Mitglied des Abgeordnetenhauses (MdA) Christian Gräff (CDU). Da Herr Gräff inzwischen von seinem Mandat zurück getreten ist, wurde sein Nachfolger Johannes Martin (CDU) hinzu geladen. Gegenstand des Gespräches waren die Perspektiven des Wahlkreises Biesdorf/Friedrichsfelde-Ost/Marzahn-Süd. Der Heino-Schmieden-Saal im Schloss Biesdorf war gut gefüllt, als Moderator Prof. Gernot Zellmer beide Politiker begrüßte und vorstellte.
Christian Gräff hat nach dem Schulabschluss einen kaufmännischen Beruf erlernt und konnte so in seine politische Arbeit privatwirtschaftliche Erfahrungen als Einzelhändler einbringen. Johannes Martin ist ausgebildeter Regionalwissenschaftler, was einen praktischen Zugriff auf regionale Zustände und Prozesse ermöglicht. Der erfahrene Politiker sprach in der Runde mehr, der jüngere hörte aufmerksam zu.
Zunächst kam die Sprache auf die augenblickliche Verfasstheit des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf und damit des Wahlkreises. Christian Gräff sah eine stabile soziale Struktur, wollte aber für die Wachstumspotenziale eine bessere Verkehrsinfrastruktur sicher stellen. Deshalb forderten beide den Bau der Tangentialverbindung Ost. Diese müsse endlich planerisch abgeschlossen werden. Der Senat geht aktuell davon aus, dass die neue Straße am Ende bis zu 632,5 Millionen Euro kosten könnte. Zuletzt schätzte das Land nur 351 Millionen Euro.
Auf das „Haus der Zukunft“ am Blumberger Damm angesprochen, berichtete Christian Gräff, dass dieses visionäre Gebäude mit dem Notfallsimulationszentrum des Unfallkrankenhauses ein Novum in Berlin darstellt. Es untersucht und präsentiert Lösungen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Marzahn-Hellersdorf als einer der Bezirke mit dem höchsten Lebensalter kann eine solche innovative Stätte gut gebrauchen.
Sichtbare Fortschritte gebe es auch, da waren sich beide Gesprächspartner einig, beim Bau neuer Schulen im Bezirk. Gegenwärtig werden vier neue Schulen, vor allem in Holz-Compartment-Bauweise, errichtet. Der ehemalige Bezirksstadtrat und jetzige Staatssekretär Torsten Kühne habe daran großen Anteil.
Bei der Frage, ob Berlin mehr zentrale Führung oder mehr Beteiligung der Bezirke benötige, trennten sich die Geister. Johannes Martin tendierte aus eigener Erfahrung für mehr Bezirksengagement, denn das Detailwissen existiere vor Ort und nicht in den Senatskorridoren. Der langjährige Landespolitiker Gräff war da eher skeptisch. Er wäre für einen Durchgriff der Landesbehörden, der mehr Geschwindigkeit böte. Zumal litten die bezirklichen Behörden unter enormem Mitarbeitermangel, der oftmals Entscheidungen verzögert. In diesem Zusammenhang verwies Christian Gräff darauf, dass eine Ursache für dieses Übel darin besteht, dass die Aufgabenfülle staatlicher Institutionen ständig zunehme und ihre Reduzierung ein entscheidender Lösungsansatz wäre.
Als die Zuhörer in die Debatte eingriffen, nahm die Runde noch einmal Fahrt auf. Es gab Fragen zum Biesdorf-Center und zum Elsterwerdaer Platz. Christian Gräff berichtete, dass sie zur Behebung der Missstände in regelmäßigem Kontakt mit dem Center-Management stehen. Er verwies aber auch darauf, dass die Unterkellerung des Platzes durch die Tiefgarage einer anspruchsvolleren Gestaltung des Platzes (etwa durch Gewächse) Grenzen setzt.
Die unzureichende Ärzteversorgung im Bezirk ist bekannt und bildete eine weitere Frage. Christian Gräff ist überzeugt, dass sich die Situation verbessern ließe, wenn die Gesamtsituation im Bezirk positiver würde. Der Wohnungsbau muss voran kommen und damit Menschen an den Stadtrand ziehen, die über Geld verfügen und hier neue Ideen und vielleicht Projekte kreieren. Damit verbunden war die Frage, ob Marzahn-Hellersdorf für die Landespolitik nicht eher als Verdichtungskulisse figuriere. Johannes Martin, der die Nachverdichtungsproblematik sehr gut kennt, sprach dann auch davon, dass viele Dinge in der Vergangenheit sehr schlecht gelaufen seien. So könne es nicht weiter gehen. Die Menschen müssten in die Wohnungsbaudebatte besser eingebunden werden.
Am Ende ging es dann auch noch um die Kultur. Welche Perspektive hat etwa die Parkbühne Biesdorf? Christian Gräff war da eher skeptisch. Ganz gleich, wer künftig der Betreiber sei: neue Anwohner hätten Bedingungen für den Lärmschutz eingeklagt, der die Spielzeiten auf der Bühne erheblich einschränke. Notwendig sei daher die Frage, wie die Bühne schalltechnisch so abgeschirmt werde, dass ausreichend Veranstaltungen organisiert werden können. Für beide war unterdessen klar, dass das Ensemble Schloss und Park Biesdorf einen guten Platz im Berliner Kulturbetrieb gefunden hat, den es gelte, zu erhalten und auszubauen.
Auch die Situation im S5-Bereich, also der Verbindung zum Nachbarn Brandenburg, wurde angesprochen. Beide Politiker sehen hier einen Verlust in der Entwicklung. Viele Verbindungen, die einmal geknüpft worden seien, funktionieren nicht mehr. Es sei wichtig, diesen Faden wieder aufzunehmen.
Die letzte Frage der Gesprächsrunde zielte auf die Fortsetzung der politischen Verantwortung der CDU nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Vieles spreche dafür, dass es nach dem 20. September 2026 eine erneute rotgrünrote Senatsbildung geben könnte. Da blieben sowohl Christian Gräff als auch Johannes Martin erwartungsgemäß skeptisch. Sie sehen gute Möglichkeiten, eine Regierung mit der SPD, aber möglicherweise auch anderen Partnern, fortzusetzen. Wie genau das aber aussehen könne, ließen sie offen. Man könne die dann eintretenden ganz konkreten Zustände nicht schon heute voraussehen.
Damit endete das Gespräch. Der Moderator bedankte sich herzlich bei beiden Politikern und überreichte ihnen ein aufklappbares Schloss Biesdorf. Wenn sich alles so einfach einrichten ließe…
(Axel Matthies, Gernot Zellmer)

