Einladung zum VHS-Vortrag am 17. April 2024


Einladung zum VHS-Vortrag am 10. April 2024


Unsere nächsten Veranstaltungen in der Übersicht

Achtung: die Veranstaltung mit Wolfgang Berghofer ist ausgebucht!


Treffen des Vorstandes mit Nadja Zivkovic, Bezirksbürgermeisterin und Stefan Bley, Bezirksstadtrat für Kultur in Marzahn-Hellersdorf


Am 16. Februar 2024 fand ein erstes Gespräch des Vereinsvorstandes mit Herrn Stefan Bley, dem seit der Wiederholungswahl des Berliner Abgeordnetenhauses verantwortlichen Stadtbezirksrat für Kultur in Marzahn-Hellersdorf statt. In einer persönlichen Führung durch Park und Schloss Biesdorf konnten wir sein Interesse an der Geschichte des Schlossensembles wecken und ihm die wichtigsten Ereignisse und Personen aus der über 150jährigen Geschichte dieses Kleinods der Berliner Architekturgeschichte nahebringen.

Bürgermeisterin Zivkovic und Bezirksstadtrat Bley mit unserem Vorstand im Schlosspark

Gleichzeitig konnten wir die Gelegenheit nutzen, Herrn Bley die umfangreichen Leistungen unseres Vereins (2001 als „Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf“ gegründet) beim Wiederaufbau dieser Biesdorfer Sehenswürdigkeit nahe zu bringen. Anschließend war Zeit für ein Gespräch mit Herrn Bley und der Bezirksbürgermeisterin Frau Zivkovic. Die im Gespräch von Frau Scheel vorgetragene beeindruckende Bilanz der Entwicklung der Galerie im Schloss Biesdorf seit Übernahme in die kommunale Verantwortung zeigt die Möglichkeiten, die für den Bezirk Marzahn-Hellersdorf und darüber hinaus mit diesem neuen Ort der Kultur, Geschichte und Begegnung entstanden sind. Ausgehend von den viel beachteten Ausstellungen der Vergangenheit freuen wir uns auf das für 2025 angekündigte große Ausstellungsprojekt mit dem Kunstarchiv Beeskow.

Hinsichtlich der geplanten Klimatisierung der Ausstellungsräume im Schloss (als Voraussetzung zur Einhaltung der klimatechnischen Forderungen potentieller Leihgeber für empfindliche Kunstexponate) mussten wir leider zur Kenntnis nehmen, dass die Bemühungen, Fördermittel der Stiftung Klassenlotterie zu akquirieren, bisher ohne Erfolg geblieben sind. Herr Niemann hat in unserer Vorstandssitzung angeregt, dass unser Verein – gestützt auf seine Erfahrungen bei der Beantragung von Fördermitteln – hierbei Unterstützung anbietet.

Wir stehen hinter dem Anliegen der Galerieleitung, einen festen Ansprechpartner aus dem Bereich Facility Management genannt zu bekommen, der sie regelmäßig zu notwendigen baulichen und Instandhaltungsmaßnahmen berät. Bezüglich des Projektes „Instandsetzung der Fontäne im Parkteich und Reinigung des Gewässers“ hoffen wir, dass uns Frau Zivkovic – wie zugesagt – Erfreuliches zum Stand der Realisierung mitteilen kann.

Wir drücken auch die Daumen, dass die angedachte Wiederbelebung des Biesdorfer Blütenfestes Anfang Mai 2024 erfolgreich realisiert werden kann und haben unsere Unterstützung angeboten.

Erneut bekräftigten wir unsere im Gespräch vorgetragene Position, dass unter dem Punkt „Prominente, Bekannte und Künstler“ im Kurzporträt Marzahn-Hellersdorf auf der Webseite des Bezirks auch der Name des Berliner Ehrenbürgers Otto Nagel genannt werden sollte, der von 1951 bis 1967 in Biesdorf lebte und wirkte. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir uns über gemeinsame Aktivitäten mit dem Bezirk freuen würden (u.a. auch gegenüber dem Bezirk Mitte/Wedding, der Senatskulturverwaltung und der Akademie der Künste), um für den verdienten Künstler, Kulturpolitiker und Publizisten in seiner Vaterstadt Berlin wieder einen Ort zur dauerhaften öffentlichen Präsentation seiner Werke zu finden.

Wir konnten beim Gespräch das Ziel unseres Vereins erläutern, das 10jährige Jubiläum der denkmalgerechten Wiederherstellung des Schlosses Biesdorf 2026 und das 100jährige Jubiläum der Übernahme des Schlossensembles in kommunales Eigentum der Stadt Berlin im Jahre 2027 zu nutzen, um gemeinsam mit allen Beteiligten den Dokumentations- und Informationsstand zu Schloss und Park Biesdorf auf einen neuen Stand zu bringen.

In dem ersten Gespräch mit dem neuen verantwortlichen Bezirksstadtrat und der Bürgermeisterin konnten wir nach übereinstimmender Auffassung der teilnehmenden Vorstandsmitglieder ein hohes Interesse an der Weiterentwicklung des Denkmalensembles Schloss und Park Biesdorf feststellen. Dieses Interesse und die übermittelten Informationen seitens des Bezirksamtes lassen uns hoffen, dass in naher und ferner Zukunft weitere gemeinsame Projekte und Vorhaben umgesetzt werden können, um die Entwicklung von Schloss Biesdorf als Kultur- und Begegnungsort mit regionaler und überregionaler Strahlkraft weiter zu gestalten.

(Vorstand Freunde Schloss Biesdorf e.V.)


Einladung zur Ausstellung „Werte Weitergabe Solidarität“ des Otto-Nagel-Gymnasiums

Am 6. März wird um 17.00 Uhr im Heino-Schmieden-Saal des Schlosses Biesdorf die Ausstellung „Werte Weitergabe Solidarität“ des Leistungskurses Kunst des Otto-Nagel-Gymnasiums feierlich eröffnet. Sie schließt an die Exposition „Lebenskreise – Otto Nagel“ an, die im Mai/Juni letzten Jahres in der Weddinger Galerie Kurt-Schumacher-Haus zu sehen war.

Mit kleineren Arbeiten Otto Nagels aus Privatbesitz (voraussichtlich sechs) haben sich die Schülerinnen und Schüler auseinander gesetzt und sie insbesondere auf den Wert Solidarität hinterfragt. Dazu haben sie intensiv recherchiert, ihre Familien und Freunde interviewt und ganz individuelle Grafiken, Malereien und Fotos geschaffen – etwa 30 Arbeiten.

Ein Beispiel: Liviana Marcusson – Verloren

Die Ausstellung ist in ein interessantes Programm eingebettet, das Sie hier einsehen können.


Neue Ausstellung im Schloss Biesdorf: Grafische Arbeiten aus Beeskow und Videointerviews

Wir möchten Sie auf eine Ausstellung im Schloss Biesdorf aufmerksam machen, die fünf KünstlerInnen mit Arbeiten zeigt, die im Kunstarchiv Beeskow (Museum Utopie und Alltag) deponiert sind. Die fünf sind: Linde Bischof, Volker Henze, Walter Herzog, Wolfgang Leber und Ursula Strozynski. Alle haben ihren Platz in der Kunstgeschichte der DDR.

Karte für die Ausstellung

Das Besondere an dieser Ausstellung, die im Erdgeschoss stattfindet ist, dass alle fünf in Gesprächen zum Thema „Einen Ausdruck finden für dieses Leben“ bereit gestanden haben. Format dafür sind die Berliner Zimmer des Stadtmuseums Berlins. Die Künstlerin Sonya Schönberger hat das Berliner Zimmer entwickelt: ein interaktives, seit 2018 fortlaufendes wachsendes Archiv aus Videointerviews mit Berliner*innen ganz unterschiedlicher Herkunft, Hintergründe und Generationen. Sie sprechen an von ihnen selbst gewählten Orten von ihrer Biografie und dem, was sie aktuell bewegt. Die Klammer ist die Stadt, in der sie leben. Leider ist von den fünf KünstlerInnen nur jeweils eine Grafik zu sehen. Kuratorin Dr. Angelika Weißbach begründet dies mit der Konzentration auf die Videoerzählungen. Zwei Grafiken seien gezeigt:

Linde Bischof: Tierpark (Papageien), 1974


Walter Herzog, Baum


Die Ausstellung ist bis zum 12. Mai zu sehen.


Als Biesdorf noch zum Niederbarnim gehörte: Auf den Spuren Fontanes durch den Osten Berlins


Im Rahmen unserer gemeinsam mit der VHS Marzahn-Hellersdorf organisierten Veranstaltungsreihe gab es am 17. Januar 2024 im restlos gefüllten Heino-Schmieden-Saal des Schlosses Biesdorf einen Vortrag zu diesem Thema. Die Spuren wurden in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ gesucht. Dieses in vier Bänden erschienene Werk hat Theodor Fontane (1819-1898) in den Jahren 1862 bis 1882 geschrieben. Die Spurensuche bezog sich auf die Gemeinden des 1815 gegründeten Landkreises Niederbarnim, die 1920 in Berlin eingemeindet wurden und überwiegend den damaligen Stadtbezirken Pankow, Weißensee, Prenzlauer Berg und Lichtenberg zugeordnet wurden. Der Vortragende Prof. Gernot Zellmer wollte die Frage beantworten, welche dieser Orte Fontane bei seinen Wanderungen besucht hat, was ihn an diesen Orten interessierte und was er Erinnerungswertes für die Nachwelt aufgeschrieben hat.

Prof. Gernot Zellmer sprach vor vollbesetztem Saal

Der Landkreis Niederbarnim war damals, wie die Reichshauptstadt Berlin, eine extrem dynamisch wachsende Region. Die industrielle Revolution war insbesondere seit der Reichsgründung auf einem Höhepunkt angelangt: die Produktion wuchs unaufhörlich und mit ihr die Suche nach Arbeitskräften. Mit speziellen Kärtchen wies Prof. Zellmer darauf hin, wie die von Fontane besuchten Orte expandierten.


Die Frage, wann und warum Fontane die Orte im Niederbarnim besuchte, lässt sich für sechs Dörfer leicht beantworten, denn Fontane hatte ihnen in seinem Werk einen speziellen Aufsatz gewidmet. Sehr ausführlich hat er über seine Besuche (1862 und 1870) in Friedrichsfelde (das bis 1699 noch Rosenfelde hieß) berichtet, das für ihn als „Charlottenburg des Ostens“ gelten durfte. Fontane schreibt – vor 1700 beginnend – über die Besitzer des Gutes, über die in diesen Jahren erfolgten Umgestaltungen des 1719 erbauten Schlosses und des Parks. Detailliert schildert er die Innenausstattung des Schlosses zum Zeitpunkt seiner Besuche, die zum großen Teil auch heute noch zu bewundern ist.

Das Schloss Friedrichsfelde in einer Darstellung
aus dem Jahre 1828


Anlass für die Fahrt nach Malchow im Jahre 1878 war die Aussage in einem Essay über den brandenburgisch-preußischen Staatsmann Paul von Fuchs (1640 – 1704), dass dieser in der Gruft zu Malchow beigesetzt wurde. Fontane gesteht, dass dieser Hinweis eine „Malchow-Sehnsucht“ in ihm weckte. Er beschreibt zunächst den Reiseweg: Omnibusfahrt bis zum Alexanderplatz, Pferdebahn bis Weißensee und dann per pedes nach Malchow. (Ein anschauliches Beispiel, wie Fontane zu seinen Wanderzielen gelangte, wobei er auch mit der Postkutsche, dem Schiff und später der Eisenbahn unterwegs war.) Zu seinem Bedauern war die Gruft zugeschüttet, aber mit Hilfe des Pfarrers Albert Hosemann (1840 – 1906), der ab 1885 Superintendent in Biesdorf war, erhält er anhand des Kirchenbuches und des Taufregisters einen Einblick in die Lebensumstände des Paul von Fuchs. Eine Berliner Ehrentafel am ehemaligen Gutshaus erinnert noch an dessen Besitzer. Die Kirche wurde 1945 von der Waffen-SS gesprengt und später nicht wieder aufgebaut.

Gedenktafel in Malchow


Im Juni 1860 wandert Fontane mit seinem Verleger Wilhelm Hertz nach Buch, das 15 Kilometer entfernt liegt. Er beschreibt den Park und das Schloss, dessen große Einfachheit er hervorhebt: „Das Haus gleicht einem einfachen altmodischen Kleid, aber der Park, der es einfasst, ist ein reicher Mantel, der die Frage nach dem Schnitt des Kleides verstummen lässt.“ Neben der Kirche interessiert ihn insbesondere die Gruft, deren Besichtigung er zum Anlass nimmt, um über die märkischen Adelsfamilien zu erzählen, die über fünf Jahrhunderte die Entwicklung des Dorfes Buch geprägt haben. Das Schloss wurde 1964 abgerissen, während die Kirche Anfang der 1950er Jahre rekonstruiert wurde (allerdings ohne den Turm, dessen Wiederaufbau gegenwärtig im Gange ist). Im wunderschönen Park gibt es seit 2023 wieder das von Fontane beschriebene Grabmal für Julie von Voß (1766-1789) zu sehen, das 1956 mutwillig zerstört wurde.

Grabmal Julie von Voß

Nach Falkenberg reiste Fontane, um in der Leichenhalle der Dorfkirche die Särge der Eltern des Bruderpaares Wilhelm und Alexander von Humboldt zu besichtigen. Auch diese Kirche wurde 1945 von der Waffen-SS gesprengt. Eine 1969 errichtete Gedenkmauer erinnert an die Familiengruft der von Humboldts.


In seinem Aufsatz über den Müggelsee, den er 1860/61 mehrmals aufsuchte, erwähnt Fontane auch das aus wendischen Zeiten stammende Rahnsdorf. Viele Jahre später erschien ein Aufsatz mit dem Titel „Rahnsdorf“, in dem er feststellt, dass „Rahnsdorf … seiner schönen Lage halber, immer eine Anziehungskraft für die Residenzler (hatte), die hier, in einer zerstreuten Villenkolonie, die heiße Jahreszeit zuzubringen liebten.“ Fontane erzählt dann im Weiteren allerdings die Geschichte des Fähnrichs Alexander Andersen, der unter dem Vorwurf der Spionage 1870 von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden war.

Blick auf Rahnsdorf, vorn die historische Ruderfähre

Auslöser für Fontanes Reise 1860 nach Blankenfelde war die Beschreibung der dortigen Kirche in einer Chronik aus dem Jahre 1707, die Joachim Ernst von Grumbkow (1637 – 1690) als Erbbegräbnis seiner Familie ausgewählt hatte. Aus der Beschriftung des Grabsteins, den er neben der zugeschütteten Gruft entdeckte, zieht Fontane den richtigen Schluss, dass von Grumbkow woanders beerdigt sein muss. Der Grabstein ist heute an der Nordseite der Kirche angebracht. An dem von Grumbkow finanzierten Anbau der Kirche findet man noch eine Sandsteinplatte mit dem Familienwappen aus jener Zeit.


Auf der weiteren Spurensuche findet man dann Orte, über die Fontane berichtet, ohne ihnen einen speziellen Aufsatz zu widmen. In seinem Essay über den Müggelsee stellt er auch das Dorf Friedrichshagen vor. Er berichtet dann allerdings ausführlich nur über die Müggelbaude, ein Gasthaus am anderen Ufer der Spree. (Seit 1872 stand an dieser Stelle das „Müggelschlößchen“, das im April 1945 zerbombt wurde.) Der große märkische Dichter schreibt: „Die Spree, sobald sie sich angesichts der Müggelberge befindet, bildet ein weites Wasserbecken: den Müggelsee, der mit zu den größten und schönsten unter den märkischen Seen zählt.“ Und weiter: „Am Müggelsee selber, den nichts wie Sandstreifen und ansteigende Fichtenwaldungen einfassen, erhebt sich ein einziges Haus: die Müggelbude. Auf einer vorspringenden Sanddüne gelegen, die sich vom Westufer aus in die Müggel hinein erstreckt, ist sie der geeignetste Punkt, um den See und seine Ufer zu überblicken; ist Leuchtturm, Fischerwohnung und Fährhaus zugleich, aber vor allem ist sie doch Gasthaus.“

Das historische Müggelschlößchen zur Kaiserzeit


Julie von Voß, über die Fontane im Aufsatz „Buch“ erzählt, hat viele Jahre im Schloss Niederschönhausen verbracht. In den „Wanderungen“ gibt es zahlreiche Hinweise auf diese königliche Residenz, aber keine detaillierte Beschreibung.


Ebenfalls im Aufsatz „Buch“ beschreibt Fontane in einer Fußnote Stücke der Ausstattung der Dorfkirche in Hohenschönhausen (heutige Taborkirche), die nur noch in geringem Maße erhalten sind.


Mehrfach verweist Fontane in den „Wanderungen“ auf den Turm der Kirche zu Stralau, den er als „malerische Feinheit Schinkels“ beschreibt. Untersuchungen im Jahre 1886 ergaben allerdings, dass der Turm kein Werk von Schinkel, sondern von Langerhans ist. Friedrich Wilhelm Langerhans war seit 1805 Baustadtrat in Berlin und spezialisiert auf die Rekonstruktion von Kirchenbauten.


Spuren führen auch nach Französisch Buchholz, Pankow und Weißensee, die Fontane als Zwischenstationen auf seinen Wander- und Reisewegen benennt.


Die Dörfer Blankenburg, Karow, Marzahn und Wartenberg verdanken zum Beispiel ihre Erwähnung in den „Wanderungen“ dem Umstand, dass sie im wechselnden Besitz märkischer Adelsfamilien waren, von denen Fontane erzählt. Biesdorf und Lichtenberg werden von Fontane als Ausflugsziele der Herren von Schloss Friedrichsfelde genannt.


1883 – nach der Vollendung der „Wanderungen“ – trug sich Fontane mit dem Gedanken, ein vierbändiges Werk „Geschichten aus Mark Brandenburg“ zu schreiben. Bei den vielfältigen Überlegungen zum möglichen Inhalt spielten auch Kirchen- und Kirchhofsdenkmäler in den märkischen Dörfern eine Rolle. Auf diese Weise hätten neben den schon genannten niederbarnimschen Dörfern auch Spuren nach Heinersdorf, Kaulsdorf und Rosenthal geführt. Aber durch die 1878 begonnene Arbeit an seinem erzählerischen Werk (über 20 Romane) hatte Fontane keine Zeit, seine Brandenburger Geschichten zu vollenden.

Theodor Fontane an seinem Schreibtisch


Rückblick und gute Wünsche für das Jahr 2024


Ehrenamtspreis der BVV Marzahn-Hellersdorf 2023 für Dr. Klaus Freier

Anlässlich des Tages des Ehrenamtes werden in unserem Bezirk seit 2003 Menschen geehrt, die sich langjährig, kompetent und mit großem persönlichen Engagement um Sachverhalte und Dinge kümmern, für die im Alltag der Ämter und Verwaltungen oft kein Platz oder keine Zeit ist, ohne die aber ein vielfältiges gesellschaftliches Leben nicht denkbar ist.

In diesem Jahr wurde am 1. Dezember auch unser langjähriger stellvertretender Vorstandsvorsitzender Dr. Klaus Freier mit dem Ehrenamtspreis der BVV Marzahn-Hellersdorf ausgezeichnet. Und wie bei den vielen anderen Ausgezeichneten gab es auch bei ihm gute Gründe für diese Ehrung.

Dr. Klaus Freier bei der Auszeichnung

Dr. Klaus Freier prägt unseren Verein „Freunde Schloss Biesdorf“ durch die Organisation von Führungen durch das Schlossensemble und die Gestaltung des Veranstaltungsformats „Biesdorfer Begegnung“. 2019 koordinierte er maßgeblich unser gemeinsames Projekt „Initiativkreis Otto Nagel 125“, das mit vielen Partnern das Ziel verfolgt, den Berliner Ehrenbürger und großen Künstler Otto Nagel wieder in das Gedächtnis der Berliner zurück zu holen. Mit seiner wesentlichen Initiative und unter seiner Federführung entstand das in diesem Jahr erschienene Buch „Otto Nagel (1894 – 1967) – Maler Publizist Kulturpolitiker“.

Die Feier im Talcenter Marzahn klang bei vielen guten Gesprächen und einem sehr ansprechenden Musikprogramm angenehm aus. Wir wünschen Klaus weiterhin viel Kraft und ein glückliches Händchen bei unseren kommenden Projekten.

(Vorstand „Freunde Schloss Biesdorf“ e.V.)


Ein echter Biesdorfer wurde 80: Prof. Dr. Gernot Zellmer


Einen außergewöhnlichen Abend in einem besonderen Ambiente gab es am 17. November 2023 im Schloss Biesdorf. Der langjährige stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Freunde Schloss Biesdorf“, Gernot Zellmer, war anlässlich seines 80. Geburtstages von seinem Verein „Freunde Schloss Biesdorf“ zu einer „Biesdorfer Begegnung“ eingeladen worden.


Die Familie, Freunde, viele ehemalige Kollegen und Mitstreiter sowie Vereinsmitglieder waren der Einladung gefolgt und feierten gemeinsam mit dem Jubilar. Nachdem Professor Zellmer seinen „Weg nach Biesdorf“ humorvoll und mit vielen Episoden und Dokumenten gespickt vorgetragen hatte, würdigte unser Verein sein Vorstandsmitglied mit einer Ballade, die weiter unten nachzulesen ist. Zum Schluss des Vortrages wurde Herr Zellmer zum „echten Biesdorfer“ ernannt und ein entsprechender Pokal überreicht.


Von seinen ehemaligen Kollegen und Mitstreitern der Hochschule für Ökonomie wurde Prof. Zellmer anschließend hochnotpeinlichst zu seinem fachlichen und ehrenamtlichen Lebenslauf befragt. Mit seinen Antworten auf die im Rahmen einer „Promotion C“ gestellten Fragen wies er mit viel Humor Lebenserfahrung, Klugheit und immer wieder großem Einsatz für die von ihm bearbeiteten Themen und Aufgaben die gebotene Sachkunde und Erfahrung nach – die „Promotion“ wurde ihm zu Recht mit dem Prädikat „summa cum laude“ zuerkannt.


Freunde und Familienmitglieder gratulierten Gernot Zellmer in sehr herzlichen und berührenden Worten und betonten vor allem, dass er neben seiner großen beruflichen Belastung immer Zeit für Familie, Freunde und Geselligkeit hatte – als Familienmensch, Sportler, DJ, Skatspieler, Büttenredner…
Zum Abschluss des Abends gab es die Möglichkeit, dem Jubilar persönlich zu gratulieren und mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Und sicher wurden dabei auch Themen und Projekte besprochen, in die sich Gernot Zellmer mit seiner Erfahrung, seiner Tatkraft und seinem Engagement weiterhin einbringen wird – im Verein und anderswo….
Herzlichen Dank, lieber Gernot – und weiterhin alles Gute für Dich und Deine Familie.

Fotos von der Begegnung

Eingangsvortrag des Jubilars

Vortrag der optimistischen Ballade durch ein Vorstandsquartett

Prüfungsprozess „Dissertation C“

Bestanden mit „summa cum laude“

Lebensbilder

(Vorstand Freunde Schloss Biesdorf e.V.)


Unser Verein gratuliert Prof. Dr. Wolf R. Eisentraut zum Geburtstag

Prof. Dr. Wolf R. Eisentraut hatte am 21. Oktober 2020 im Heino-Schmieden-Saal des Schlosses Biesdorf einen Vortrag gehalten zum Thema:

„Architektur zwischen Individualität und Typenbau. Gewolltes, Gelungenes, Gescheitertes“.

Wir haben diesen herausragenden Vortrag ausführlich dokumentiert und bieten Ihnen diesen hier zum Nachlesen an:

https://www.stiftung-schloss-biesdorf.de/index.php?s=eisentraut+und+seine+bauten

(Freunde Schloss Biesdorf e.V.)


Unser Verein übergibt Otto-Nagel-Buch an die BVV Marzahn-Hellersdorf

Am Beginn der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf am 21. September 2023 übergab, verbunden mit einer kleinen Ansprache an die Bezirksverordneten, der Vereinsvorsitzende Dr. Heinrich Niemann dem Vorsteher der BVV, Herrn Stefan Buck (CDU), ein Exemplar unserer Publikation „Otto Nagel (1894 – 1967) Maler – Publizist – Kulturpolitiker“. Otto Nagel, der Maler des Berliner Proletariats und des „alten“ Berlin und Berliner Ehrenbürger, lebte von 1951 bis zu seinem Tode 1967 in der heutigen Otto-Nagel-Straße in Biesdorf. Das Buch entstand aus einer Idee des 2019 zu seinem  125. Geburtstag gebildeten „Initiativkreis Otto Nagel 125“ und vereint Texte aus dessen Arbeit. Es kommen 13 Autoren zu Wort, darunter aus unserem Bezirk und aus dem Geburtsort Otto Nagels, dem Berliner Wedding. Eine Schülerin schildert die beeindruckende Arbeit des Biesdorfer „Otto-Nagel-Gymnasiums“ mit ihrem Namenspatron. Der Sohn der Haushälterin des Künstlers erinnert sich an die würdige Strenge des „Professors“. Dr. Niemann erinnerte an die Aufgabe, in Berlin wieder einen Ort zu finden, wo die Werke Otto Nagels ständig zu sehen sind. Begrenzte Ausstellungen sind kein Ersatz. Er würdigte den Beitrag der Vereinsmitglieder Prof. Gernot Zellmer, Dr. Klaus Freier und Axel Matthies zum Entstehen des Buches und wünschte, daß das Buch helfen möge, in unserem Bezirk die Erinnerung an Otto Nagel wach zu halten.

BVV-Vorsteher Stefan Buck (li.) und Dr. Heinrich Niemann

In Erinnerung an Dr. Günter Peters


BIESDORFER BEGEGNUNG mit der Bildhauerin Christine Rößler am 14. Juni 2023

Dieser Beitrag erreichte uns bereits formatiert. Wir übernehmen ihn in dieser Form auf unsere Homepage.










Der sowjetische Friedhof im Schlosspark Biesdorf (1945 ‐1958) ‐ Erinnern und Gedenken

Der schon länger in unserer Reihe mit der Volkshochschule geplante Vortrag am 31. Mai 2023 hatte auch einen aktuellen Bezugspunkt. In den ersten Maitagen war gerade als Teil des seit einigen Jahren geplanten neuen Wegeleitsystems im Schlosspark Biesdorf auch eine kleine Metalltafel in der Nähe der drei jungen Birken installiert worden. Sie erinnert nun endlich die Besucher neben dem 2021 gelegten Stein an den sowjetischen Militärfriedhof, der von 1945 bis zu seiner Umbettung 1957/58 in der südlichen Hälfte des Schlossparks bestand. Auf insgesamt vier Grabfeldern für Offiziere, Soldaten, Zivilpersonen und Kinder waren bis 1955 mehr als 450 Menschen bestattet worden. Neben Gefallenen der letzten Kämpfe in Berlin sind es nach dem Ende des Krieges verstorbene Soldaten und Zivilpersonen der sowjetischen Militärgarnison in Berlin. Die Beerdigten kamen aus acht Sowjetrepubliken, vier autonomen Republiken und vier selbständigen Gebieten.

Tafel mit Birke im Schlosspark

Nachdem am 21. April 1945 die Rote Armee in Marzahn die Grenze Berlins erreicht hatte, waren in den letzten Kriegstagen in den Grenzen der Stadt noch etwa 20.000 sowjetische Soldaten gefallen. An ungezählten Orten wurden diese Toten auf sogenannten Notfriedhöfen (d.h. außerhalb von regulären
Friedhöfen) bestattet. Allein im heutigen Bezirk Marzahn‐Hellersdorf gab es neben dem Schlosspark Biesdorf (46 Gräber), dem als Lazarett genutzten Krankenhaus Wuhlgarten (134) oder dem stillgelegten Friedhof in der Kaulsdorfer Brodauer Straße (185) noch etwa zehn weitere solche Bestattungsorte, die später
aufgelöst wurden. So wurden die Gräber an dem 1946 gebauten Obelisken an der Brodauer Straße 1948 zum Ehrenmal im Treptower Park verlegt. Im Vortrag konnten namentliche Beispiele von gefallenen Offizieren genannt werden, die schon im Mai 1945 im Schlosspark Biesdorf beerdigt wurden.

Den Schlosspark Biesdorf als Friedhof für die Sowjetische Armee, insbesondere für die 295. Schützendivision, auszugestalten, war Gegenstand verschiedener Befehle der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, so die Befehle 184 von 1945 und 582 von 1946. In einem gut dokumentierten, zum Teil sehr heftigen Briefwechsel sowjetischer Kommandeure mit den deutschen Dienststellen im damaligen Bezirksamt Lichtenberg über die verzögerte bauliche Einrichtung ist nachzulesen, wie wichtig und auch anspruchsvoll die Einrichtung dieses Friedhofs im Schlosspark Biesdorf für die sowjetische Seite wurde (vgl. auch die Beiträge von Lutz Heuer oder Oleg Peters in den Publikationen unseres Vereins sowie von Rolf Semmelmann im „Lesebuch Marzahn‐Hellersdorf“). So erfolgte im Auftrag der SMAD seit 1946 nach Plänen des Architekten und Mitarbeiters beim Bauamt des Magistrats Hassenteufel schrittweise die Instandsetzung des brandzerstörten Gebäudes des Schlosses Biesdorf (wahrscheinlich Brandstiftung der Nazis am 21. April 1945). Das Obergeschoss wurde abgetragen und eine stabile Zwischendecke eingezogen, eine Feierhalle und Verwaltungsräume eingerichtet. Um den südlichen Teil des Parks wurde eine Klinkermauer gezogen. Zeitweilig war auch die Rede von der Errichtung eines Ehrenmals im Schlosspark.

Das Bezirksamt in Lichtenberg (immer wieder wird Johannes Mielenz als Leiter des damaligen Garten‐ und Friedhofsamtes genannt) wollte den Park Schritt für Schritt zu einem Volkspark gestalten. Dazu zählt die 1955/56 errichtete Freilichtbühne mit etwa 2000 Plätzen. 1956 kam es zu einem Treffen in der sowjetischen Kommandantur in Karlshorst mit Vertretern des Bezirksamts Lichtenberg. Es wurde Konsens erzielt, im nördlichen Bereich des Friedhofs in Marzahn am Wiesenburger Weg (Parkfriedhof) einen sowjetischen Ehrenhain und Friedhof zu bauen und die Gräber aus Biesdorf umzubetten. So entstand der einzige ausländische Gefallenenfriedhof in Berlin, der nach deutschen Entwürfen (Bildhauer Erwin Kobbert) gestaltet wurde. Am 7. November 1958 konnte dieser neue Friedhof eröffnet und damit der südliche Teil des Schlossparks Biesdorf wieder Erholungszwecken zugeführt werden. In einem Protokoll von 1992 der zuständigen Berliner Senatsverwaltung und der sowjetischen Garnison von Berlin zum Friedhof Berlin‐Marzahn, Wiesenburger Weg, zu dem eine Liste der bestatteten Menschen gehört, wird vermerkt: „Im Jahre 1957 wurden auf den Friedhof 486 Menschen, die im Zeitraum von 1945 bis 1957 gefallen und gestorben sind, vom sowjetischen Militärfriedhof Berlin‐Biesdorf umgebettet.“

Gräber der Roten Armee auf dem Parkfriedhof Marzahn

Wie wichtig und aktuell für das Schlossensemble die Erinnerung an diesen Zeitabschnitt ist, sprach Dr. Heinrich Niemann am Ende seines Vortrags an. So bleibt das Gedenken in unserem Bezirk an die Befreiung Deutschlands vom Faschismus lebendig und die Aufgabe, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten und zu verhindern. In diesem Fall trug darüber hinaus der zeitweilige Friedhof entscheidend zum Erhalt dieses historischen Ortes bei. Sonst wäre wohl das brandzerstörte Schloss Biesdorf unmittelbar nach dem Krieg nicht erhalten
geblieben. Mit seinem noch intakten „provisorischen“ Dach konnte es fast 70 Jahre später in seiner historischen Gestalt wieder aufgebaut werden. Auch der kostbare Altbaumbestand des Parks aus der Entstehungszeit blieb durch die geschützte Friedhofnutzung weitgehend erhalten.

Nachbemerkung: Auch auf der Informationstafel vor dem Schlosseingang sollte nun an den Friedhof erinnert werden. Der Erinnerungsstein mit seiner Inschrift, dessen Beschmutzung inzwischen von Bürgern beseitigt wurde, bedarf einer baldigen Instandsetzung. Dr. Lutz Prieß stellte wertvolle historische Quellen zu Verfügung.


Geglückte Vernissage in Otto Nagels Wedding

Die Eröffnung der Ausstellung mit Werken Otto Nagels aus einer Privatsammlung am 17. Mai 2023 im Weddinger Kurt-Schumacher-Haus ist wunderbar verlaufen. Um die 60 Menschen, vor allem Schülerinnen und Schüler des Biesdorfer Otto-Nagel-Gymnasiums, gaben der Vernissage einen würdigen Rahmen.

Joachim Günther, der Vorsitzende des gastgebenden Kulturforums Stadt Berlin der Sozialdemokratie e.V. und Nadja Schallenberg, eine Enkelin Otto Nagels, eröffneten mit prägnanten kurzen Redebeiträgen die Ausstellung. Sie seien sehr froh, dass Otto Nagel in seinen Wedding zurück kehre.

Joachim Günther und Nadja Schallenberg (re.)

Anschließend brachten zwei Schülerinnen und zwei Schüler mit Songs von Bertolt Brecht und Kurt Weill den Zeitgeist der 1920er Jahre in die Ausstellung. Das war eine sehr gut einstudierte Performance, die viel Beifall bekam.

Musikalische Performance 1920er Jahre

Sodann stellte Frau Wolfram-Gagel, die verantwortliche Lehrerin im Kunst-Leistungskurs (11. Klassenstufe), das Projekt ihrer Schülerinnen vor. Aufgabe und Ziel war eine eingehende Auseinandersetzung mit den ausgestellten Werken Otto Nagels. Diese waren in Themen aufgeteilt, die als Lebenskreise bezeichnet wurden:

  • Nagel als Ehemann: Im Dialog mit Walli. Werk: Walli in der Waschküche, 1934
  • Nagel als Kurator in Saratow: Ein Dialog mit der Zeichnung. Werk: Gleisbau in Saratow, 1925
  • Nagel als Politiker in der DDR: Im Dialog mit der Zeichnung. Werk: Tagesordnung Volkskammer, 1950
  • Armut und Arbeitslosigkeit: Im Dialog mit der Grafik. Werk: Bettelleute, 1921
  • Der Hungerwinter in Berlin: Im Dialog mit Arbeitern. Werk: Passant im Regen an der Litfaßsäule, 1947
  • Armut und Hunger zur Zeit der Weimarer Republik: Im Dialog mit den Bettelnden in der Grafik. Werk: Städtisches Arbeitslosenzentrum im Wedding, 1926

Im Ergebnis, so erklären die Schülerinnen, seien eigene Malereien und Grafiken sowie Podcasts entstanden, die einen fiktiven Austausch mit den Werken und den darin abgebildeten Menschen präsentieren. Die in den Podcasts erzählten Geschichten basierten sowohl auf einer Literatur- und Internetrecherche als auch auf Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen. Hier können Sie die Podcasts hören.

Als Beispiel sei hier die Hängung zum Lebenskreis “ Nagel als Ehemann: Im Dialog mit Walli“ gezeigt:

Zum Verständnis die dazugehörige Karte (der Lebenskreis trägt eine andere Bezeichnung)

Unter den Gemälden und Zeichnungen der Schülerinnen war wirklich eine Menge an guter Qualität zu besichtigen. Mir sprang eine Zeichnung von Carla ins Auge, die eine Straßenszene zeigt. Die Zeichnung hat eine expressionistische Note und besticht durch eine sehr gute Komposition und gedimmte Farbigkeit, die den Blick klar über das Kunstwerk führt. Man blickt auf eine komplexe Arbeit, die dennoch Details inkludiert. Respekt.

Straßenszene von Carla

Zum Abschluss überreichte Frau Wolfram-Gagel ihren Schülerinnen eine Rose. Der Abend klang bei vielen Gesprächen aus. Er war eine gelungene Symbiose von Heimkehr in den Wedding des Künstlers Otto Nagel und tiefgreifender Beschäftigung seines Werks durch Schülerinnen des Biesdorfer Gymnasiums.

Die Schülerinnen mit Rose, links Frau Wolfram-Gagel

Die Ausstellung ist noch bis zum 14. Juni im Wedding zu sehen. Es ist vereinbart, dass die Ausstellung im Frühjahr 2024 im Schloss Biesdorf präsentiert wird. Dann mit weiteren Arbeiten des jetzigen Kunst-Leistungskurses in der 12. Klassenstufe.

(Axel Matthies)



Neue Publikation zu Otto Nagel vorgestellt

Am 24. Mai 2023 wurde innerhalb der Ausstellung „Lebenskreise – Otto Nagel. Nagels Werk aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern“ in der Galerie Kurt-Schumacher-Haus in der Weddinger Müllerstraße 163 die Publikation

Otto Nagel (1894 – 1967). Maler – Publizist – Kulturpolitiker

vorgestellt. Herausgeber ist unser Verein „Freunde Schloss Biesdorf“. Im Vorwort des neuen Buches heißt es u.a.:

Die hier versammelten Autorinnen und Autoren eint nicht nur ihre Beziehung zu Otto Nagel als Maler, der auf ganz eigene Weise mit seinen Menschenbildern die Lebenslage des Proletariats besonders in den 1920er Jahren festgehalten und mit seinen Ansichten das „alte“ Berlin festhielt, auch mit der Vorahnung seiner Zerstörung. Sie führte auch das Motiv zusammen, die anderen Seiten des Lebens von Otto Nagel genauer zu beleuchten. Seine andauernde Tätigkeit als Publizist, politischer Netzwerker und Kulturorganisator in der Weimarer Republik und in kulturpolitischen Funktionen der jungen DDR, so als Präsident der neu gegründeten Akademie der Künste, macht sein Leben so besonders…

Dem Aufspüren, Nachgehen und Aufschreiben vor allem dieser Lebensphasen dienen die vorliegenden Texte. Unausbleibliche Wertungen aus dem geschichtlichen Nachhinein erfolgen mit Sorgfalt und Respekt vor dem Lebenswerk Otto Nagels. Dabei festigten sich die Kontakte und Bindungen zwischen den Akteuren der wichtigen Lebensorte Otto Nagels in Berlin: dem Wedding und Biesdorf.

Die Schutzgebühr für den Band beträgt 8,00 Euro. Er ist erhältlich bei der Buchhandlung Kohs am S Kaulsdorf, im Café Schloss Biesdorf, voraussichtlich bei Thalia im Eastgate, im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf im Dorf Marzahn und auch über den Verlag Walter Frey. Über weitere Vertriebswege informieren wir Sie demnächst.


Das Wegeleitsystem für den Schlosspark Biesdorf ist realisiert


Wie einer Pressemitteilung des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf vom 3. Mai 2023 zu entnehmen ist, wurde bereits im Jahre 2013 begonnen, eine Ausschilderung des Schlossparks Biesdorf vorzubereiten. Im November 2020 fand ein Gespräch von zwei Mitgliedern unseres Vereins Freunde Schloss Biesdorf e.V. mit dem Leiter des Fachbereichs Grün im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin zum Thema Beschilderungskonzept für den Schlosspark Biesdorf statt. Das dezente Design war schon erarbeitet. Wir befürworteten den Ansatz, an allen Zugängen des Parks Übersichtspläne aufzustellen und an sinnvollen Stellen Wegweiser im Park zu installieren. Außerdem sollte als Außenwerbung ein von den Straßen aus gut sichtbares Willkommensschild an der Ecke Alt-Biesdorf/Blumberger Damm hinter der Parkmauer aufgestellt werden.

Wir nahmen gerne das Angebot zu einem Ortstermin im Park an, bei dem die konkreten Aufstellorte und deren Beschriftungen festzulegen waren. Diese Begehung fand auf Einladung des Bauleiters Landschaftsbau des Bezirksamtes zusammen mit der Gruppenleiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Firma eckedesign im November 2021 statt. Die Vertreterin der Firma eckedesign protokollierte die gemeinsam abgestimmten Aufstellpunkte für Übersichtspläne und Wegweiser und deren Ausrichtung. In den folgenden Wochen bis Anfang 2022 fand ein reger Mail-Austausch zu den Inhalten der Wegweiser und deren Optimierung statt.

Wir konnten durch unsere Ortskenntnis für die Aktualisierung des Wegeplans sorgen (eine im Plan noch enthaltene alte Wegverbindung gab es schon seit einiger Zeit nicht mehr und an den Neubauten neben der westlichen Parkgrenze war inzwischen der Kleine Parkweg entstanden).

Nach längerem Warten ist nun in den letzten Apriltagen 2023 das Leitsystem verwirklicht worden. An allen fünf Zugängen befinden sich die Übersichtspläne. Die Wegweiser sind gut zu erkennen, fügen sich in den Park ein und werden hoffentlich ausreichend Orientierung für die Besucher sowohl zu den interessanten Punkten des Parks als auch zurück zu den Ausgängen und Verkehrsanbindungen (S- und U-Bahn, Bus) bieten.

Übersichtsschild an einem Eingang

Neu wurde eine sehr informative Hinweistafel in der Nähe der Anfang Mai 2020 gepflanzten drei Birken aufgestellt, die an den einstigen sowjetischen Friedhof erinnern.

Information bei den drei Birken

(Dr. Ullrich Hieronymi)


Die Wiedererkennung historischer Lokationen im Altberlin-Werk Otto Nagels

In Berlins historischer Mitte ist in den letzten Jahren viel gegraben und vermessen worden. Es gibt Debatten über die Gestaltung des ehemaligen Molkenmarktes, neu gebaute Häuser verbuchen für sich, über dem ehemaligen Cöllnischen Fischmarkt oder dem Petriplatz zu residieren. Fast alle lebenden Menschen kennen die historische Mitte nur von Fotos; ihnen fehlt in der Regel die Vorstellungskraft für diese versunkene Welt. Als Ende der 1960er Jahre die Bausubstanz des Fischerkietzes abgetragen wurde, war Berlin als mittelalterliche Doppelstadt praktisch unhistorisch geworden. Heutige Debatten sind geprägt vom Willen, die alte Stadt ein wenig sichtbarer werden zu lassen.

Am 2. April ging im Museum Eberswalde eine Ausstellung mit Berlin-Bildern von Otto Nagel zu Ende, die auch an die alte Mitte erinnert. Sie trug den Titel „Otto Nagel – Menschensucher und Sozialist“ und zielte vor allem auf geschärfte biografische Details, die sich aus einer gesicherten Quellenlage im Archiv der Akademie der Künste ergaben. Ich nehme drei Werke des Künstlers zum Anlass, um die historischen Lokationen zu erkunden.

Ausgewählt habe ich:

  • Hauseingänge in der Friedrichsgracht II, 1965
  • Blick auf das Gasthaus „Nussbaum“, um 1954
  • Am Köllnischen Fischmarkt, 1965

Hauseingänge in der Friedrichsgracht II, 1965

Als im Jahre 2019, anläßlich des 125. Geburtstages seines Namensgebers, das Otto-Nagel-Gymnasium die Pastellzeichnung „Hauseingänge in der Friedrichsgracht II“ erwarb, bewegte mich die Frage, ob die originale Lokation noch rekonstruierbar sei und ob das Internet eine entsprechende Recherche hergäbe.

Das gerade erworbene Pastell


In der Erinnerung war mir der historische Fischerkiez präsent. Mein Vater hatte mich um 1960 ein oder zwei Mal dort nach der Maidemonstration hingeführt. Das Viertel erschien mir schäbig und ungemütlich. Die Häuser waren verfallen und nicht selten blickten trübe Gestalten aus den Fenstern. Ich wollte nur schnell weg. Mein Vater stammte vom Gesundbrunnen, er war dem Weddinger Otto Nagel nahe und kannte alle Bildmotive, die der Maler dort gefertigt hatte. Bald wurde der Fischerkiez endgültig abgerissen und Hochhäuser an seine Stelle gesetzt. Die Zeitungen feierten die Veränderungen. Mir war durch eine Kommilitonin der Komfort der Hochhäuser bekannt. Ich konnte mich für die Bilder Otto Nagels und die Welt dahinter nicht begeistern.

Nun, Jahrzehnte später, erinnerte ich mich wehmütig. Um so größer wurde der Wunsch, Dinge zu entschlüsseln, sie zurück zu holen, die leichter zu haben gewesen wären.

Otto Nagels Pastellbild „Hauseingänge in der Friedrichsgracht II“ zeigt zwei Hauseingänge, beide mit Doppeltüren und Oberlicht ausgestattet. Zu beiden führen zwei steinerne Stufen. Die linke Tür ist rotbraun gestrichen, die rechte grün. Zu erkennen sind außerdem zwei Zugänge in das Souterrain und ein Kellerfenster.

Gibt es Bilder von Nagel, die diese Motive in breiterer Perspektive zeigen? Natürlich. Zuerst wäre da das Titelbild auf dem Band „Berliner Bilder“: das Panorama der Fischerinsel.

Das Panorama-Bild der vorderen Friedrichsgracht (Abb.: Henschelverlag)

Vorne ist ein Kanal zu sehen und hinter den verschachtelten kleinen Häusern ragen die Türme der Nikolaikirche und das Rote Rathaus hervor. Finden sich hier die beobachteten zwei Hauseingänge? Wenn man das Panorama genau betrachtet, stehen in der Bildmitte sogar vier Häuser mit Doppeltüren und Oberlicht. Die Häuser stehen relativ nahe zum Mühlendamm, also am Anfang der historischen Friedrichsgracht. Die Inselbrücke ist nicht zu sehen, aber sie muss nah sein. Otto Nagel hatte für die Skizzierung des Panoramas das Gewerkschaftshaus in der Wallstraße genutzt. Das Haus lag genau gegenüber und war der ideale Aussichtspunkt. Das Gewerkschaftshaus war Anfang der 1920er Jahre von dem Architektenbüro Max Taut und Franz Hoffmann entworfen und 1932 von Walter Würzbach erweitert worden.

Nagels Motto als Künstler war stets: zeigen, was ist! Man kann also davon ausgehen, dass alles, was Nagel zeichnet oder malt, auch existiert. Bald fand ich im Netz noch ein weiteres Bild dieses Teils der Friedrichsgracht. Es ist ein Gemälde von Anna Gumlich-Kempf aus dem Jahre 1910. Bei ihr gibt es noch keine grüne Tür.

Anna Gumlich-Kempf, Friedrichsgracht. Um 1910

Wie nun weiter mit der Feststellung der Doppeltüren? Das Beste wäre, nach historischen Fotos zu suchen, die die Friedrichsgracht zeigen. Davon gibt es im Netz viele Angebote. So bietet etwa die Homepage „Historischer Hafen Berlin“ reichlich Anschauungsmaterial. Bald fand ich Fotos mit den Häusern und lernte, dass diese Häuser, es sind vier, aus der Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg stammen: sie wurden in der Periode nach Ende des 30jährigen Krieges 1648 und bis zum Tod des Kurfürsten 1688 errichtet.

Die Häuser aus der Zeit des Großen Kurfürsten
Friedrich Wilhelm von Brandenburg

Nun kann man auch die gesamte Häuserzeile zwischen Inselbrücke und Fischerstraße identifizieren: Es sind die Adressen Friedrichsgracht 1 bis 11. Das war offensichtlich Otto Nagels Lieblingsplatz, denn hier ist das Foto mit ihm als Künstler im Fischerkiez entstanden. Er sitzt hier vor den Kurfürstenhäusern, wie diese umgangssprachlich genannt wurden.

Otto Nagel vor den Häusern mit Doppeltür

Die weitere Recherche wird nun einfacher. Am Ende erkennt der Suchende, dass das Pastell „Hauseingänge in der Friedrichsgracht“ die Hauseingänge der historischen Adresse Friedrichsgracht 8 und 9 abbildet.

Die Häuser Friedrichsgracht 9 (li.) und Friedrichsgracht 8 in der Fotografie
Die gleichen Häuser auf dem Pastell Otto Nagels aus dem Jahre 1965

Abschließend ein Vergleich der Zeile Friedrichsgracht 1 bis 11 im frühen 20. Jahrhundert und heute.

Die vordere Friedrichsgracht bis zur Fischerstraße um 1910
Der gleiche Abschnitt heute. Die Fläche wird genutzt vom STZ Kreativhaus

Blick auf das Gasthaus „Nussbaum“, um 1954

Die Gaststätte „Nussbaum“ ist heute bekannt als Nachbau im Nikolaiviertel. Das Nikolaiviertel bildet im Wesentlichen Alt-Berlin ab. In Wirklichkeit lag der „Nussbaum“ in Alt-Cölln in der Fischerstraße, also auf der südwestlichen Spreeseite, etwa 800 Meter entfernt. Die Fischerstraße gibt es heute nicht mehr. Sie lag aber gleich um die Ecke, wie der Berliner sagt, von den gerade besprochenen Kurfürstenhäusern. Sie ging von der Friedrichsgracht ab.

Friedrichsgracht, Ecke Fischerstraße. Rechts die Kurfürstenhäuser, vorn das Eckhaus, das die Bezeichnung Fischerstraße 20 trägt.

Direkt neben dem Eckhaus schließt sich die Adresse Fischerstraße 21 an.

Fischerstraße 21

Der „Nussbaum“ war die Lieblingskneipe von Heinrich Zille und er wird einige Male mit Otto Nagel den Staub der Straßen hier herunter gespült haben. Zille arbeitete 15 Jahre am Dönhoffplatz als Lithograph und lief nach der Arbeit oft durch den Fischerkietz. In den 1920er Jahren, in denen Zille und Nagel befreundet waren, war Pinselheinrich allerdings schon recht krank, der Arzt hatte ihm zum Alkoholverzicht geraten. Dennoch wurde der „Nussbaum“ auch für Otto Nagel, wie für viele Berlin-Maler, ein besonderes Motiv. Das hier gezeigte Pastell stammt nach Einschätzung des Archivs der Akademie der Künste aus dem Jahre 1954. Das Gasthaus wurde bereits 1943 bei schweren Bombenangriffen zerstört, wie auch ein Teil der vorderen Friedrichsgracht. Da auch das Werk Otto Nagels zu drei Viertel dem Bombenfeuer zum Opfer fiel, hat er wohl das Haus aus der Erinnerung erneut gezeichnet.

Otto Nagel, Blick auf das Gasthaus „Nussbaum“. Um 1954 (Abb. AdK)

Abschließend die Erinnerung eines Berliners aus dem Jahre 1925: „Wir biegen in die Fischerstraße und sind wie in einer Stadt für sich. Das war hier einmal die älteste Straße des Fischerdorfes Cölln, und sie hat sich bis zum heutigen Tage von ihrer Eigenart manches bewahrt. Da steht gleich ein kostbares Häuschen, das »Gasthaus zum Nußbaum«, spitzgieblig über die Maßen, von seinem Nußbaum halb verdeckt; der Kellerhals im Innern zeigt die Jahreszahl 1571.“ (Zitiert nach: Adolf Heilborn, Die Reise nach Berlin. Berlin 1925)

Der „Nussbaum“ ist heute fester Bestandteil jedes Touristenbesuches im Nikolaiviertel.

Am Köllnischen Fischmarkt, 1965

Dieses Pastell erscheint vielen Betrachtern als vollbrachte Geschichte: der Köllnische Fischmarkt ist nicht mehr und kaum jemand weiß, wo er sich befand. Die frontal abgebildeten vier schmalen Häuser werden irgendwo gestanden haben, die auf der rechten Bildseite erkennbaren Bauarbeiten lassen darauf schließen, dass sie keine längere Lebensperspektive hatten. Und doch ist das Gegenteil der Fall.

Die stadtgeschichtliche Aufarbeitung gerade dieses Pastells ist hochinteressant. Es zeigt die Perspektive zwischen Breite Straße und Gertraudenbrücke entlang der Gertraudenstraße und endet bei den Häusern, die, ich nehme es vorweg, an der Kleinen Gertraudenstraße stehen. Die Strecke ist durch den Krieg völlig leer geräumt, sie war vorher prall überbaut.

Otto Nagel, Am Köllnischen Fischmarkt. 1965 (Abb. AdK)

Um diese historische Perspektive nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf den historischen Stadtplan unersetzlich.

Ausschnitt aus dem Berlin-Plan des Straube-Verlages von 1910

Der Köllnische Fischmarkt schloss sich unmittelbar dem Mühlendamm an. Weiter westlich, auf der anderen Seite der Breite Straße, erhob sich das Cöllnische Rathaus. An ihm vorbei führte dann die Gertraudenstraße Richtung Gertraudenbrücke.

Der Cöllnische Fischmarkt mit dem Cöllnischen Rathaus. Im Hintergrund die barocke Petrikirche. Gouache von Johann Georg Rosenberg, 1784.
Der gleiche Ort im Jahre 1880, nun mit der neugotischen Petrikirche

Man sieht dem Foto an, dass das Rathaus seinen Charme verloren hatte. Seine eigentliche Funktion hatte es niemals angenommen, es wurde lange Zeit als Gymnasium und zuletzt als Museum genutzt. Im Jahr 1899/1900 wurde das Cöllnische Rathaus abgerissen.

Wenn man aber die Gertraudenstraße von der anderen Seite, vom Spittelmarkt aus, betrachtete, entstand sofort ein anderer Eindruck.

Blick vom Spittelmarkt in die Gertraudenstraße (li.)
Richtung Petrikirche und Fischmarkt

Der Architekturhistoriker Prof. Dr. Harald Bodenschatz hat den Wert der Gertraudenstraße im späten 19. Jahrhundert so eingeschätzt: „Der Spittelmarkt diente als Sammelpunkt des Verkehrs vor dessen Eintritt in die Altstadt und vermittelte zugleich den Schwenk des Hauptstraßenzuges nach Nordost. Nach Passieren der Gertraudenbrücke erreichte man bald den Petriplatz, das Herz des mittelalterlichen Cölln, mit der die Bürgerhäuser überragenden Petrikirche. Kurz darauf folgte der Köllnische Fischmarkt mit dem alten, 1899 abgebrochenen Rathaus von Cölln. Der Fischmarkt schließlich mündete in das Nadelöhr des Mühlendamms, der zum Molkenmarkt auf der Berliner Seite der Spree führte. Wie bei keinem zweiten Straßenzug der Altstadt entfaltete diese Folge von unregelmäßigen Stadträumen das für eine lebendige Stadt typische Ineinandergreifen von Passage und Halte-Plätzen. Hier war ‚Haus für Haus ein Laden zu finden‘, hier erhob sich eines der größten Einkaufszentren Berlins, das 1839 gegründete Kaufhaus Hertzog.“ (s. Homepage Harald Bodenschatz: Berlin – Auf der Suche nach dem verlorenen Zentrum)

Berlin hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant entwickelt. Die Industrialisierung hatte die Stadt mit Urgewalt ergriffen und einen riesigen Bedarf an Arbeitskräften erzeugt. Das hatte Auswirkungen auf den Stadtverkehr. Der Mühlendamm war zum Nadelöhr geworden. In einer Verkehrszählung von 1891 zählte man in 16 Stunden mehr als 60.000 Wagen aller Art und über 40.000 Passanten. Deshalb begann ein umfangreiches Abrissprogramm, in dessen Ergebnis die Brücke erweitert wurde. Aber bereits 1930 veröffentlichte die Bauverwaltung des Magistrats eine Denkschrift, die für einen neuerlichen Umbau des Mühlendamms eine Gesamtbreite von 37 Metern vorsah. Diese Planung wurde dann 1968 realisiert. So war Otto Nagels alte Stadt weit vor dem 2. Weltkrieg als Hindernis für die moderne Stadt taxiert worden.

Nach Ende des 2. Weltkrieges war die Gegend nicht wiederzuerkennen. Zwar war eine gewisse Bausubstanz erhalten geblieben, aber das städtische Leben war aus der Altstadt gewichen. Die systematischen Bombardierungen und die letzten Kämpfe um Berlin hatten die Stadt hilflos hinterlassen. Die Gegend um den Petriplatz sah um 1954 einfach leer aus.

Die Petrikirche vom Spittelmarkt aus gesehen

Schließlich wurden große Teile der alten Stadt abgetragen, um auf ihren Fundamenten ein modern konzipiertes Wohngebiet mit der notwendigen sozialen Infrastruktur zu errichten. Heute wird auf das verantwortungslose und unhistorische Agieren der DDR-Regierung verwiesen. Sie hätte den historischen Kern Berlins zerstört und die Gertraudenstraße zu einer seelenlosen Betonstraße funktioniert. Nach dem Krieg ging es überall in Deutschland darum, schnell neue Wohnungen zu schaffen und ein Alltagsleben wieder herzustellen. Wer die Stadtautobahnen in Westberlin kennt, darf sich die Frage stellen, ob Mühlendamm und Gertraudenstraße unter anderer Besatzung nicht Kern einer verbindenden Autobahn zwischen City Ost und West geworden wären. Für den heutigen Autoverkehr reicht die Kapazität des Mühlendamms gerade aus, in der Rush Hour ist die Strecke überlastet. Nicht zu vergessen: die Substanz von Alt-Berlin und Alt-Cölln war bereits vor dem Krieg seit Jahrzehnten derart verschlissen, dass eine Instandsetzung einer grundsätzlichen Sanierung gleichgekommen wäre. Dafür waren weder Zeit noch Ressourcen vorhanden.

Die Gertraudenstraße nach Neubeplanung und Umbau

Es wäre allerdings möglich gewesen, mehr erhaltenswerte und sogar denkmalgeschützte Einzelgebäude zu restaurieren und in die neuen Stadtlandschaften einzubetten.

Zurück zu unserem Ursprung – dem Pastell „Am Köllnischen Fischmarkt“ von Otto Nagel. Vor wenigen Wochen stieß ich bei meinen Recherchen auf ein Foto in der Märkischen Oderzeitung.

Archäologische Führung am Petriplatz in Berlin-Mitte. Archäologin Claudia Melisch zeigt die freigelegten Fundamente der Petri-Kirche (Foto: moz.de)

Ich war wie vom Blitz getroffen: das ist genau derselbe Blick, den Nagel 1965 auf diese Häuser hatte. Diesmal allerdings im Jahre 2019. Die Archäologin Claudia Melisch hatte mit ihrem Team den ehemaligen Petriplatz erforscht. Sie war dabei, als 3000 Gräber des Petri-Kirchhofs entdeckt wurden. Anhand der über 800 Jahre alten Skelette forschte sie gemeinsam mit Charité-Wissenschaftlern nach den Ureinwohnern der Doppelstadt. „Anhand der Knochen kann man etwas über die Lebensbedingungen und die Herkunft der Menschen erfahren“, erklärte Melisch damals. Weil die 40 ältesten männlichen Toten nicht miteinander verwandt waren, gehe man davon aus, dass die Gegend nicht mit Familien besiedelt wurde. Die Menschen, die sich vor mehr als 800 Jahren auf dem Handelsweg zwischen Magdeburg und Frankfurt (Oder) an der Spree niederließen, stammten ähnlich wie heute aus verschiedenen Gegenden. (s. moz.de vom 15.5.2019)

So sind über den Umweg der archäologischen Erforschung des Petriplatzes und der Neubebauung der Strecke zwischen Breite Straße und Jungfernbrücke die Lokationen des Pastells „Am Köllnischen Fischmarkt“ auf neue Weise deutlich geworden. Die Spuren Alt-Berlins sind weitgehend, aber nicht völlig verwischt. Der Senat von Berlin will daher in geeigneter Weise zur Wiedererkennung beitragen. Zum Petriplatz schreibt er in einem Plaungsdokument: „Städtebauliches Ziel ist es, die besondere Bedeutung dieses Ortes unter Einbeziehung archäologischer Spuren wieder erlebbar zu machen. Der Petriplatz soll in historischer Kontur, aber zeitgemäßer Gestaltung neu entstehen.“ (s. Petriplatz/Breite Straße bei www.stadtentwicklung.berlin.de) Am Ort der früheren Petrikirche ist ein interkonfessionelles Bet- und Lehrhaus – nunmehr House of One – geplant. Der Platz wird umgeben sein mit einer urbanen Mischung aus Wohnungen, Läden, Gaststätten und Büros sowie einem archäologischen Besucherzentrum.

Das House of One entsteht nach Plänen des Berliner Architekturbüros Kuehn Malevizzi. Beim Bau soll große Rücksicht auf die archäologischen Überreste der einstigen Petrikirchen genommen werden. Im Untergeschoss wird eine acht Meter hohe Halle die Überreste der historischen Gebäude angemessen präsentieren.

Ob dieser produktive Ansatz realistisch ist, nämlich die alte Stadt in der neuen wieder zu erkennen, wird beim Besuch der Lokationen als Problem offenbar. Das Cöllnische Rathaus soll seine Kubator im Hotel Capri spiegeln. Dies ist an der Kreuzung Gertraudenstraße/Breite Straße einfach nicht erkennbar. Der ehemalige Cöllnische Fischmarkt ist eine banale Anhäufung von Straßenverkehr. Die umstehenden Gebäude sind mit den üblichen Betonfassaden verhüllt und schüchtern ein oder stoßen ab.

Hotel Capri als nachgebildete Kubator des Cöllnischen Rathauses? Die gesamte überbaute Fläche bietet keinen menschlichen Zugang.

Kommen wir zum Schluss auf den Punkt und entschlüsseln die vier Häuser an der Kleinen Gertraudenstraße.

Die Häuser an der Kleinen Gertraudenstraße unlängst…

Links das Geschäftshaus Gertraudenstraße 10-12, auch bekannt als Juwel-Palais. Es wurde 1897-98 von Georg Roensch und Max Jacob als Pfeilerbau mit Sandsteinfassade in gotisierenden Formen errichtet. Die Sichtbeziehung zur Petrikirche hat vermutlich bei der Wahl des gotischen Stils eine Rolle gespielt. Das Haus hatte nur leichte Kriegsschäden und wurde nach dem Krieg als Bürohaus genutzt. Dieses eindrucksvolle Gebäude ist das letzte erhaltene von vielen hochkarätigen Geschäftshäusern entlang der Gertraudenstraße, die den Krieg nicht überstanden haben. Aus jüngerer Zeit ist es bekannt durch das Geschäft Hochzeitsausstatter.

Mittig das Wohnhaus Kleine Gertraudenstraße 3/4. Es wurde um 1862 errichtet, Bauherr war Carl Eduard Achilles, ein umtriebiger Unternehmer. Das Haus dient heute als Hotel.

Schließlich auf der rechten Seite das Wohnhaus Scharrenstraße 17 aus dem Jahre 1780. Das Landesdenkmal beschreibt diesen Komplex:


Das erhaltene Ensemble historischer Bauten an der Gertraudenstraße 10-12 umfasst einen Baublock südwestlich des ehemaligen Standorts der Petrikirche und das Pfarrhaus von St. Petri an der Friedrichsgracht, darüber hinaus die alte Gertraudenbrücke, die noch den ursprünglichen Verlauf der Gertraudenstraße markiert. Der Wohn- und Geschäftshauskomplex zwischen Scharren-, Gertrauden- und Kleiner Gertraudenstraße sowie Friedrichsgracht besteht aus drei Gebäuden, die im 18. und 19. Jahrhundert erbaut und 1975 als „Traditionsinsel“ saniert worden sind. Im Inneren sind die Wohnhäuser komplett umgebaut, an den Fassaden wurden sie zum Teil frei rekonstruiert. Trotzdem vermitteln sie auf dem Gebiet des historischen Zentrum Köllns noch ein Bild von der ehemaligen kleinteiligen Bebauungsstruktur.

Nun wird die Häuserzeile aus historischen Berliner Zeiten gnadenlos abgedrängt zu Gunsten einer konfektionierten Architektur, die die Hauptstadt massenhaft überschwemmt.

So wird nach den Plänen des Stadtentwicklungssenats der einstige Petriplatz einmal aussehen: links das Archäologische Zentrum mit Anbau, rechts das House of One, dazwischen ein Aufenthaltsraum mit Baum.

Die alte Stadt Otto Nagels erscheint nun als unendliche, zubetonierte Trostlosigkeit. Eine Wiedererkennung des historischen Petriplatzes will sich nicht einstellen. Er ist nun eingeklemmt zwischen House of One und Scharrenstraße und umfasst 823 qm. Otto Nagel sind diese Peinlichkeiten erspart geblieben. Seine Phantasie wäre überfordert worden.

Der am meisten reale und menschliche Ort am Petriplatz ist: das „Café am Petriplatz“. Es öffnet trotz ungemütlicher Umstände und lässt sich in den sozialen Medien von seinen Gästen loben.

Café am Petriplatz

(Axel Matthies)





Sorgen, wie der Frieden gewonnen werden kann

Die BIESDORFER BEGEGNUNG mit Daniela Dahn
am 1. März 2023

Im wohl erstmals seit der Pandemie wieder voll besetzten Heino-Schmieden-Saal gestaltete sich die Lesung zu dem jüngsten Buch der bekannten Publizistin „Im Krieg verlieren auch die Sieger – Nur der Frieden kann gewonnen werden“ zu einem nachdenklichen und inhaltsreichen Abend. Am Beginn erinnerte Dr. Niemann für unseren Verein an die Biesdorfer Begegnung vor fast fünf Jahren, lange vor diesem Krieg, mit dem Thema „Deutschland – Russland – Europa: Brauchen wir einander?“ und die, aus heutiger Sicht beklemmend, mahnenden Aussagen des damaligen Gastes Matthias Platzeck (nachzulesen auf unserer Vereinshomepage). Als Eröffnung der Lesung wählte Daniela Dahn ihren kritisch-analytischen Beitrag zur tendenziösen Berichterstattung vieler Medien über die große von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Kundgebung „Aufstand für Frieden“ am Brandenburger Tor (siehe Berliner Zeitung vom 2.3.23), in der u.a. eine unzureichende Abgrenzung gegen rechts und die AfD unterstellt wird.

Biesdorfer Begegnung mit Daniela Dahn

Die im Anschluss von ihr gelesenen Abschnitte aus ihrem jüngsten Buch setzten sich mit der Vorgeschichte und Hintergründen dieses Krieges auseinander. Das betraf die Rolle und Ziele der USA und NATO ebenso wie des Aggressors Russland in diesem Konflikt, aber auch die Lage und Politik der Ukraine und den Einfluss des Westens auf diese. Anhand ausgewählter Beispiele – komplett nachzulesen in ihrem Buch – trug sie ihre Antworten auf kritische Fragen, auch Vorwürfe ukrainischer Bürger an sie als Mitunterzeichnerin des offenen Briefes „Deeskalation jetzt! Dem Schutz der Bevölkerung Vorrang einräumen!“ vom April 2022, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, vor. Die zentrale Fragestellung ihres jüngsten Buches widerspiegelt folgender Gedanke: „Der gegenwärtige Krieg ist eine einzige Katastrophe – für die ganze Welt, aber vor allem für die Ukraine. Wer immer darüber nachdenkt, fragt sich, wie dem geschundenen Land und seinen Menschen am wirksamsten zu helfen ist. Von Anfang an standen sich zwei diametrale Sichtweisen über die zweckmäßige Unterstützung gegenüber – Waffen oder Waffenstillstand. Das unbestrittene Recht auf bewaffnete Verteidigung gegen einen Angriffskrieg oder bestreitbare diplomatische Lösung. Ein Kriegsende als Siegfrieden nach opferreichen Kämpfen auf dem Schlachtfeld oder mit Blick auf die allseitigen Fehler in der Vorgeschichte sieglos, mit beidseitigen Kompromissen am Verhandlungstisch.“

In dem sich anschließenden Gespräch, moderiert von der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin, Frau Dagmar Pohle, brachten zahlreiche TeilnehmerInnen mit Fragen und Statements ein breites Spektrum ihrer Sorgen vor einer Ausweitung des Krieges und den Möglichkeiten, ihn zu beenden, zum Ausdruck. Fragen nach der Rolle der von Daniela Dahn bezeichneten „selbstgleichgeschalteten“ Medien, nach den Brzezinski-Doktrinen zu einer Vorherrschaft der USA, dem Sinn der Sanktionen gegen Russland, dem Widerstand gegen den Krieg in Russland selbst, nach Profiteuren an diesem Krieg bis hin zum gerade bekanntgewordenen 12-Punkte-Plan Chinas und vor allem aber nach dem „Wie weiter?“ waren von besonderem Interesse.

Daniela Dahn reflektierte in ihren Antworten auch kritisch die Situation in der Friedensbewegung und in der Linken und formulierte als Aufgabe, sich auf die zentralen Forderungen zu konzentrieren, den Krieg zu beenden und dafür den Druck auf diplomatische, auf Verhandlungslösungen zu verstärken. Zum Abschluss der Veranstaltung hatten die TeilnehmerInnen die Gelegenheit, am Tisch der Buchhandlung Kohs (S-Bhf. Kaulsdorf) Bücher der Autorin zu erwerben und am Ende der nachdenklich stimmenden BIESDORFER BEGEGNUNG von der Autorin Daniela Dahn signieren zu lassen, wovon reger Gebrauch gemacht wurde.

(Dr. Heinrich Niemann, Marianne Schmidt)


Ausstellung Jürgen Wittdorf: schwul sein im Kommunismus oder leben in der DDR?

Die aktuelle Ausstellung im Schloss Biesdorf mit Arbeiten von Jürgen Wittdorf, die in der Öffentlichkeit sehr gut ankommt, wird von westlichen Kunstkritikern häufig aufgeladen mit einer politischen Komponente – schwul sein im Kommunismus. Wer genauer hinguckt und sich des täglichen Lebens in der DDR erinnert, stellt schnell fest: Wittdorf war einer von 17 Millionen. Er hat gearbeitet, er hat Ziele gehabt, er wollte auch leben und er ist Kompromisse eingegangen. Nun regt er mit seinem Werk an, sich entscheidende Abschnitte in der Geschichte der DDR genauer anzuschauen.

Jürgen Wittdorf in seinem Berliner Arbeitszimmer

Jürgen Wittdorf, geboren 1932, stammt aus Karlsruhe. Die Familie zog bald nach Königsberg (Ostpreußen), weil der Vater dort Versicherungsdirektor geworden war. Ende 1944 begab sich die Familie auf die Flucht und landete im Erzgebirge; sicher auch, weil der Großvater Professor an der Dresdner Kunstgewerbeschule war. Neue Heimat wurde Stollberg, eine Kleinstadt zwischen Zwickau und Chemnitz. Hier absolviert Jürgen die 10. Klasse und belegt danach einen Zeichenkurs bei Walter Schurig. Er hatte schon als Kind viel und gut gezeichnet. Öfter fuhr er in die Dresdner Galerien, wo er sich zunächst für barocke Malerei interessierte. 1952 kann er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ein Studium aufnehmen, das er fünf Jahre später erfolgreich beendet. Er beginnt zu arbeiten, wird Mitglied des Verbandes Bildender Künstler und der SED.

Als Student in Leipzig ist Wittdorf oft im dortigen Zoo und zeichnet. Wir sehen von ihm vor allem große Tiere wie Elefanten und Flusspferde. Aus diesen Anfängen entsteht ein Auftrag des Kulturfonds: der Zyklus „Tiermütter und Kinder“, der in der Ausstellung ausgiebig gezeigt wird. Es sind viele gut beobachtete Szenen dabei, witzige und manchmal sogar erotische. Wittdorf erhält anschließend den Auftrag, die moderne Landwirtschaft in einem volkseigenen Gut zu beobachten: er sieht genau hin und zeichnet „Gepferchte Kälber“ und andere Szenen der Massentierhaltung. Im Gegenzug präsentiert er einen zufrieden grunzenden „Zuchteber“. Von Anfang an ist Jürgen Wittdorf den Motiven seiner Auftraggeber verbunden. Sie bestimmen sein Werk. Er will arbeiten und er will gut leben. Das ist seine Richtschnur.

Arbeiten aus dem volkseigenen Gut: links der „Zuchteber“

Zu Beginn der 1960er Jahre bekommt Wittdorfs Karriere starken Auftrieb. Auch dieser ist den Umständen der Zeit geschuldet. Nach dem Mauerbau setzt in der DDR eine Debatte ein, wie nun, endlich, mit dem Aufbau des Sozialismus Ernst gemacht werde. Das alte Argument, dass der Feind immer und überall und die Erhaltung der Staatsmacht das Allerwichtigste sei, zählt nicht mehr. Die Mauer war da – nun mussten Versprechen eingelöst werden. Die Gründergeneration der DDR, die um 1930 Geborenen, die in den 1950er Jahren studiert hatte, drängte nach vorn. Wichtige informelle Prozesse fanden vor allem im „FORUM“, der Studentenzeitung der FDJ, statt.

Erinnerung an das „FORUM“. Das Zweiwochenblatt wurde überraschend 1983 eingestellt

Kaderentscheidungen befördeten den Fortgang. Alexander Abusch wurde 1961 als Kulturminister von dem 34jährigen Hans Bentzien ersetzt, als stellvertretender Ministerpräsident blieb er allerdings Bentziens Vorgesetzter. In seinem Buch „Die Osteutschen. Kunde von einem verlorenen Land“ beschreibt der Soziologe Wolfgang Engler diese Entwicklung: „Die energisch zupackenden Jungen fanden sich vielerorts, auf verschiedenen Ebenen, und sie fanden auch zusammen. Betriebs- und Fachdirektoren, die die Dreißig kaum überschritten hatten, waren zu Beginn der sechziger Jahre keine Seltenheit. Sie unterhielten enge Kontakte zu gleichaltrigen Ingenieuren, Städteplanern, Architekten, Kulturhausleitern, leitenden Redakteuren und Journalisten. Letzteren war es vornehmlich zu danken, dass der neue, unprätentiöse, sach- und erfolgsorientierte Stil dieser informellen Kreise Eingang in die umfassendere Öffentlichkeit fand.“

Die Emanzipationsbestrebungen artikulierten sich besonders im kulturellen Bereich. Allen voran der Spielfilm, dann Lyrik und Prosa, bildende Kunst und Musik, Dramatik und Theater erlebten in den frühen Sechzigern „eine bis dahin nicht gekannte und auch später in dieser Breite und Intensität nicht wieder erreichte Blüte“, wie Engler an anderer Stelle schreibt. Zur Erinnerung seien genannt: die Spielfilme „Der Fall Gleiwitz“ und „Der geteilte Himmel“ sowie der Auftakt der epochalen „Golzow“-Langzeitdokumentation. Im Lyrik-Bereich fanden öffentliche Lesungen vor hunderten jungen Leuten statt, aus denen Anthologien entstanden. Stephan Hermlin hatte diesen Prozess wesentlich angestoßen. Volker Braun, Wolf Biermann und die Kirsch’s waren hierfür Repräsentanten.

Anzeige für eine Lesung (Abb.: Wikipedia)

In der Prosa wurden Bücher wie „Ole Bienkopp“ von Erwin Strittmatter vorgelegt, ein Denkmal jener Jahre. Heiner Müller und Peter Hacks schrieben vieldiskutierte Theaterstücke. Als Walter Ulbricht in seiner Eigenschaft als 1. Sekretär des ZK der SED dem Chefredakteur der Studentenzeitschrift „FORUM“ Kurt Turba (34) den Vorschlag unterbreitete, sehr schnell die Leitung der Jugendkommission des Politbüros zu übernehmen und sofort ein Jugendkommuniqué zu schreiben und zu veröffentlichen, glich das bereits einer Palastrevolution gegen die Hardliner im Parteiapparat. Am Ende steht das, ansonsten öde, Jugendkommuniqué mit solchen Sätzen am 22.9.1963 im „Neuen Deutschland“:

  • Es geht nicht länger an, „unbequeme“ Fragen von Jugendlichen als lästig oder gar als Provokation abzutun, da durch solche Praktiken Jugendliche auf den Weg der Heuchelei abgedrängt werden.
  • Es muß ein für allemal Schluß damit gemacht werden, daß mancherorts Jugendliche durch bürokratisches Verhalten von Leitern und Erziehern, durch Unverständnis und Gängelei zum Opponieren verleitet werden.
  • Wir brauchen keine mit Thesen und Leitsätzen
    vollgestopften „Bücherwürmer“, sondern gebildete und vorwärtsdrängende Menschen, die sich nicht scheuen, mitten ins Leben zu greifen.

In diesem politischen und kulturellen Kraftfeld befindet sich Jürgen Wittdorf. In der bildenden Kunst gibt es Fortschritte in den Motiven und der Gestaltung allerdings zeitverzögert. Noch herrschen Ansichten von einem klassengebundenen Realismus, einer abzulehnenden künstlerischen Moderne und einer nötigen Reglementierung des Kunstbetriebs.

Zeitgeist: Rudolf Bergander, Das Argument. 1961

Dagegen stemmen sich Cremer, Sitte, Heisig und andere. Fritz Cremer etwa organisiert im Herbst 1961 die Ausstellung „Junge Künstler – Malerei“ und im darauf folgenden Frühjahr „Junge Künstler – Graphik und Plastik“ in der Akademie der Künste, die postwendend zu politischen Kontroversen führte. Otto Nagel, der sich für beide Ausstellungen als Präsident der Akademie der Künste stark gemacht hatte, wird als Präsident abberufen und auf den Stellvertreterposten geschoben. Wittdorf nimmt die Chance an, sich an der Auseinandersetzung zu beteiligen.

Nach seiner Tierepisode bezieht er sich nun auf Menschen; zuerst auf Kinder, die schwimmen lernen. Er erarbeitet sich viele Grundlagen, die er später in den Zyklus „Jugend und Sport“ fließen lässt. Wittdorf konzentriert sich zunächst auf die Darstellung von jungen Menschen. Junge Menschen, so das Bild der SED, lernen, studieren und arbeiten, um kühne Erbauer des Sozialismus zu werden. Wer anderen Lebensentwürfen folgte, war schnell ein Gammler oder Beatfan. Wittdorf sucht nach Allegorien, die die Jugendlichen in ihrer eigenen Welt, in ihrer eigenen Wahrnehmung zeigen. Er entdeckt den jungen Vater ohne Bart, das Liebespaar im Hauseingang oder das Motorrad mit der Sozia. Diese Bilder kommen an, sie werden aus den Zeitungen geschnitten und an die Wand gepinnt. Der Zyklus wird in der oben genannten Cremer-Ausstellung gezeigt. Ich erinnere mich noch gut, dass wir in der Schule über die Bilder sprachen und eine positive Resonanz zogen. Was an den Grafiken wichtig war – wir ahnten es meist nur -, ist die Pose bei Wittdorfs Leuten: wir nannten es damals lässig. Sie holten nicht weit aus, sie riefen nichts, sie standen einfach nur da und blickten aneinander vorbei. Mit dem Blick von heute: sie stehen da wie Models – cool. Mit dem Rückenwind des Jugendkommuniqués und dem bereits erarbeiteten Bekanntheitsgrad vor allem aus Buchillustrator wurde der Zyklus „Für die Jugend“ 10.000 Mal gedruckt und verkauft. Wittdorf war ein Star.

Zyklus „Für die Jugend“

1963 wird er mit der Erich-Weinert-Medaille ausgezeichnet, dem Kunstpreis der FDJ. Mit ihm prämiert werden Manfred Krug, Armin Müller-Stahl, Barbara Dittus und Christel Bodenstein. 1964 sind es dann Volker Braun, Heiner Müller, Jens Gerlach und Benno Pludra. Für sie alle begann in diesen Jahren ihre eigentliche Karriere. Doch bereits im Dezember 1965 ist alles vorbei: das 11. Plenum des ZK der SED zerschlägt alle Vorhaben und Pläne zur Modernisierung der DDR. Gunnar Decker hat diese historische Episode in seinem Buch „1965 – Der kurze Sommer der DDR“ präzise seziert.

Der FDJ-Zentralrat unterdessen lädt Jürgen Wittdorf ein, sich an der Arbeit der Ideologischen Kommission zu beteiligen und in deren Arbeitsgruppe Kultur mitzuwirken.

Einladung zur Mitarbeit in der Ideologischen Kommission

Wie lange eine Mitarbeit dort anhielt ist, nicht bekannt. Wittdorf blieb auf alle Fälle der kulturpolitischen Arbeit verbunden. Er leitete seit 1970 die Zentrale Galerie der Freundschaft, eine Ausstellung von prämierten künstlerischen Arbeiten – Zeichnungen, Bildern, Keramiken u.a. – von Kindern und Jugendlichen aus der ganzen DDR. Die Galerie wuchs aus Wettbewerben in den Kreisen und Bezirken hin zur Zentralen Ausstellung. Die fanden alle zwei Jahre statt und durften in Häusern wie dem Alten Museum in Berlin oder im Dresdner Albertinum präsentiert werden. Diese Arbeit hat Wittdorf außerordentlich in Anspruch genommen. Im Schloss wird ein Foto präsentiert, das ihn bei der Eröffnung einer solchen Ausstellung an der Seite der damaligen Spitzenfunktionäre Margot Honecker, Eberhard Aurich und Helga Labs zeigt.

Zuvor, von 1967 bis 1969, hatte der junge Künstler ein Meisterstudium bei Lea Grundig absolviert. Anschließend zog Wittdorf nach Berlin. Er hatte nun ein gesichertes Einkommen, er konnte gut leben und sich ein ausgefülltes Privatleben leisten. Er begann Kunst und Antiquitäten zu sammeln. Wittdorf wird als Genußmensch erinnert.

Der Künstler kann nun in den verbleibenden zwanzig Jahren der DDR in Ruhe und Sicherheit arbeiten. Was hat er daraus gemacht? Neben seiner Arbeit für die Zentrale Galerie übernimmt Wittdorf einen Zirkel im Haus der Jungen Talente, wo er zudem Abteilungsleiter wird, und bald darauf einen weiteren Zirkel im Haus des Lehrers am Alexanderplatz. Von den Weltfestspielen 1973 fertigt er Kohlezeichnungen mit langhaarigen Jungs in Jeans und Mädchen in Miniröcken, dazu den NVA-Soldaten inmitten junger Rocker. Diesmal erscheinen diese Zeichnungen gedruckt zwei Jahre später. In den 1980er Jahren bekommt er dann Kontakt zur Volkspolizei und übernimmt auch dort einen Zirkel. Er erhält zudem den Großauftrag, in einer VP-Kantine am damaligen Kotikow-Platz (Petersburger Platz) in Friedrichshain, seiner unmittelbaren Heimat, eine Wand mit Keramiken zu gestalten. Mit Keramik wurde Wittdorf durch die Zentralen Galerien der Freundschaft bekannt. Es gefiel ihm, den Teller als Malgrund zu nutzen. Er fertigte für die Kantine etwa 100 Teller an. Leider wurden die Arbeiten nach der Wende zerstört. Auch für das Sportforum Hohenschönhausen schuf der Künstler Keramiken.

Ein anderer Teller: das Sommerhaus in Carwitz.
(Foto: Sammlung Jürgen Wittdorf)

In den 1980er Jahren wandte Jürgen Wittdorf sich wieder verstärkt Porträts und Stilleben zu – Genres, die er in jungen Jahren ausgiebig bedient hatte.

Porträts

Seinem Werk in den späteren Jahren der DDR fehlt indes der Glanz. Ganz offensichtlich, so mein Eindruck, sind ihm nicht mehr die großen Würfe gelungen. Er findet kaum eigene, gesellschaftlich relevante Themen, sondern lässt sich aus der Umgebung seiner Zirkelarbeit inspirieren. Seine kulturorganisatorische Arbeit bestimmt ihn. So bleibt ein Fazit zwiespältig, aber doch positiv: Nirgendwo läuft der Künstler, so der Kritiker Volkmar Draeger abschließend, der staatlichen Linie direkt zuwider und porträtiert doch auf seine eigene Weise, wie sich die Jugend in der DDR verhielt. Zu Recht gelte Jürgen Wittdorf deshalb als – vielleicht unabsichtlicher – Chronist des jungen Lebens im untergegangenen Sozialismus.

Dass Jürgen Wittdorf schwul war, ist zu DDR-Zeiten weniger aufregend als es heute dargestellt wird. 1968 strukturierte die DDR ihr Strafgesetz um, der §175 Strafgesetzbuch fiel weg – in der Bundesrepublik blieb er. Natürlich gab es deshalb in der DDR keinen Schwulen-Hype. Die Männer blieben unter sich und verzichteten auf Auffälligkeit. Dennoch entwickelte sich ab den 1970er Jahren, auch unter dem Einfluss der Schlussakte von Helsinki, ein aufgeklärteres Verhältnis zur Homosexualität. Die Akzeptanz nahm zu. Ostberlin wurde ein Zentrum für schwule Männer. Wer konnte, zog hierher. Dort, wo die Szene lebte, waren auch die Männer – im Prenzlauer Berg, in Friedrichshain, in Mitte. Kneipen und Treffpunkte gab es nicht nur dort, sondern sogar in den vornehmen Rathaus-Passagen. In den 1980er Jahren zog das Thema Homosexualität auch stärker in die gesellschaftlichen Diskurse. Die Zeitschrift „Deine Gesundheit“ spielte dabei eine Vorreiterrolle, auch der „Sonntag“ und das „Magazin“ diskutierten. Schon vor dem Film „Coming out“ erschien das Buch „Homosexualität. Herausforderung an Wissen und Toleranz“ von Professor Reiner Werner. Und es kommt 1990 zu der Konstellation, dass schwule Männer aus der DDR um ihre Freiheit fürchten müssen:

Artikel in der Frankfurter Rundschau

Der §175 Strafgesetzbuch wurde in der Bundesrepublik Deutschland erst im Jahre 1994 getilgt.

Mit dem Ende der DDR fällt Jürgen Wittdorf in ein sehr tiefes Loch. Alle seine Beschäftigungsverträge werden 1990 gekündigt. Er ist 58 Jahre alt und steht vor dem Nichts. Er, der von seiner sexuellen Orientierung nur selten Aufhebens gemacht hatte, ist auf sich selbst zurück geworfen und beginnt zu grübeln. Seine Homosexualität gestand er sich erst mit fast 30 Jahren ein, eigentlich wollte er nicht schwul sein. Mit seinen vielen Zeichnungen zu den Zyklen „Jugend“ und „Jugend und Sport“, so erinnert er sich später, habe er sein inneres Outing sublimiert. Vielleicht kommt daher die große Klasse dieser Arbeiten.

Im Alter findet der Künstler nun Halt bei Freunden, er zeichnet konsequent aus schwuler Perspektive, kokettiert mit Tom of Finland oder besucht Body-Building-Wettbewerbe, um dort zu zeichnen. Er sucht Kontakt zum Schwulen Museum und kehrt zurück in die Öffentlichkeit mit Ausstellungen dort und in Lichtenberger Galerien. Am Ende wird Jürgen Wittdorf dement, aber herzlicher. Er weiß, dass er als Künstler wieder anerkannt ist. Er setzt kein Testament auf. Die Bilder, die seine große Wohnung in der Kreutzigerstraße geschmückt hatten, landen nach seinem Tod im Jahr 2018 in einer Nachlassversteigerung. Der ehemalige Zeichenschüler Jan Linkersdorff kauft mit Unterstützung der Studio Galerie Berlin das Werk von Jürgen Wittdorf auf und stellt es der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auch der Privatsammler Boris Kollek erwirbt eine Reihe von Arbeiten. Nun ist im Schloss Biesdorf die größte Wittdorf-Ausstellung anläßlich seines 90. Geburtstages zu sehen. Ein Besuch bis zur Finissage am 10. Februar 2023 ist sehr zu empfehlen.

Hin und wieder wird die Frage gestellt, von wem Wittdorf für seine nackten Körper inspiriert wurde. Bei meinen Recherchen bin ich auf einen sowjetischen Künstler gestoßen, den er gekannt haben wird. Jürgen Wittdorf war seit 1962 mehrere Male in der Sowjetunion. Bilder von Künstlern aus der Sowjetunion waren damals in Zeitschriften, Drucken und Büchern immer zu sehen. Der Mann heißt Alexander Deineka. Er hatte in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg und danach eine Phase, in denen er junge Männer malte.

Alexander Deineka, Nach dem Wettkampf. 1937

Alexander Deineka, Brigade im Urlaub. O.J.

Von den vielen Rezensionen, die zur Ausstellung erschienen sind, gefiel mir die von Gustav Seibt in der „Süddeutschen“ am besten. Seibt schreibt dort: „Zu den etwas traumhaft anmutenden Aspekten der Kunstgeschichte der DDR gehört es, dass dort Zeichenkurse für Volkspolizisten angeboten wurden. Oder, dass Organisationen und Betriebe einzelne Künstler ‚adoptierten‘, denen sie Aufträge gaben und Werke abnahmen und so zu ihrem Lebensunterhalt beitrugen. Die dahinterstehende Idee war, die Kunst, das einst den herrschenden Klassen vorbehaltene Schöne, in die Lebens- und Arbeitswelt der Massen zu tragen. Aus Hofkünstlern wurden Betriebskünstler. Wenn man darüber nachdenkt, ist das alles andere als lächerlich.“

Zum Schluss eine Tusche-Zeichnung, die ich erst sehr spät entdeckt habe: das ist ganz offensichtlich Tadzio aus dem legendären Visconti-Film „Tod in Venedig“. Der Film kam 1974 in die Kinos der DDR, im gleichen Jahr fertigte Wittdorf diese Zeichnung.

Ohne Titel. 1974

(Axel Matthies)


Überraschende Ausstellung mit Werken Otto Nagels im Museum Eberswalde

Wir möchten alle Freunde Otto Nagels auf eine Ausstellung im Museum Eberswalde aufmerksam machen. Sie umfasst 19 Werke ist noch bis zum 2. April 2023 zu sehen. Die Ausstellung wird begleitet von einem ersten wissenschaftlichen Katalog zu Leben und Werk dieses herausragenden Realisten des 20. Jahrhunderts. Weiteres entnehmen Sie bitte dem untenstehenden Flyer.

Inzwischen ist der Katalog erschienen. Er ist im Buchhandel zum Preis von 10 Euro erhältlich.


Jahresmitgliederversammlung und Wahl des neuen Vorstandes

Unser Verein „Freunde Schloss Biesdorf e.V.“ führte am 13. Oktober 2022 seine planmäßige Jahresmitgliederversammlung im Heino-Schmieden-Saal des Biesdorfer Schlosses durch. Versammlungsleiter Prof. Gernot Zellmer stellte eingangs die Wahlfähigkeit der Versammlung fest und übergab an den Vorstandsvorsitzenden Dr. Heinrich Niemann zu ergänzenden Bemerkungen am Bericht des Vorstandes an die Mitgliederversammlung.

Der 24 Seiten lange Bericht legt eine substanzielle bürgerschaftliche Leistung für das Ensemble Schloss und Park Biesdorf dar. Dr. Niemann nannte besonders diese Arbeitsfelder:

  • Festliche Erinnerung an das 5jährige Bestehen des wieder errichteten Schlosses Biesdorf und das 20Jährige Bestehen unseres Vereins im Jahre 2021
  • Würdigung der Kunstausstellungen im Schloss, insbesondere die Beteiligung des Kunstarchivs Beeskow bzw. des Museums für Utopie und Alltag. Dr. Niemann würdigte die aktuelle Ausstellung zu Jürgen Wittdorf, die eine breite Besprechung in der Berliner und überregionalen Presse und sogar im britischen „The Guardian“ fand.
  • In vielen Führungen konnten wir hochinteressierte Gäste von außerhalb des Bezirkes begrüßen. Das Interesse am Ensemble wächst immer mehr.
  • Otto Nagel steht weiterhin im Fokus unserer Vereinstätigkeit. Gemeinsam mit Vertretern der Initiative „Otto Nagel 125„ haben wir weitere Schritte vereinbart, um den Ehrenbüger Berlins in seiner Vaterstadt Berlin besser heimisch zu machen. Ein Buchprojekt zu Otto Nagel soll im Frühjahr 2023 realisiert werden.
  • Unser Verein erwartet vom Bezirksamt endlich eine Beschlusslage zur konzeptionellen Betreibung des Ensembles. Nach sechs Jahren ist das Pflicht.
  • Das Ensemble als historischer Ort wird durch Führungen, Vorträge und Veranstaltungen immer besser erfahrbar. Das beinhaltet auch seine temporäre Nutzung als Soldatenfriedhof. Unser Verein fordert, dass der verschmutzte Gedenkstein endlich gesäubert wird. Wir hatten unsere Hilfe angeboten.
  • Das Biesdorfer Blütenfest wird seit 2020 nicht mehr durchgeführt. Unser Verein sieht im Blütenfest eine herausragende kulturelle Veranstaltung, die dem Bezirk eine eigene Authentizität gegeben hat. Es ist erstrebenswert, diese Tradition fortzusetzen.
  • Der Vorsitzende schätzte die Finanzlage des Vereins als grundsolide ein.

Sodann trug Frank Holzmann den Bericht der Rechnungsprüfer vor. Beeindruckt habe der Finanzbericht insbesondere durch die Detailliertheit und Tiefe der Kostenanalyse. Er schlug vor, den Vorstand und die Schatzmeisterin zu entlasten.

In der Diskussion wurden weitere Fragen vorgetragen:

  • Weitere Bemerkungen zum verschmutzten Gedenkstein
  • Dr. Freier trug Ergebnisse zur Arbeit an Otto Nagel vor. Neben dem geplanten Buchprojekt erinnerte er an den bisher ein Mal vergebenen Otto-Nagel-Preis im Jahr 1984 durch den Bezirk Wedding von Berlin. Vierzig Jahre danach wäre ein Anlass, ihn erneut zu stiften. Frau Regina Kittler als Vorsitzende des Kulturausschusses der BVV Marzahn-Hellersdorf schlug vor, einen entsprechenden Antrag an die BVV zu formulieren.
  • Die Mitgliederversammlung sprach sich für eine Fortsetzung der bewährten Feste, insbesondere des Biesdorfer Blütenfestes, aus.
  • Es wurde über Mitgliederentwicklung diskutiert. Lutz Wunder vom Kulturring Berlin e.V. trug ein Problem aus seinem Verein vor. Da viele Nutzer von gemeinnützigen Einrichtungen nicht Mitglieder der Trägervereine werden, aber kostenlos Angebote und Ressourcen nutzten, sollte eine geeignete Form der Kostenbeteiligung erwogen und angewendet werden. Das beträfe auch die Unfallversicherung bei der Nutzung von Angeboten.
  • Es sollte geprüft werden, ob der Förderverein des Otto-Nagel-Gymnasiums Mitglied unseres Vereins werden könne. Damit ergebe sich die Möglichkeit der Synergie durch GymnasiastInnen in beiden Vereinen, die sicherlich beiden Seiten nutzen könnte.

Sodann übernahm Frau Regina Kittler die Leitung der Wahl des neuen Vorstandes. Im Prozedere wurde der Vorstand entlastet und ein neuer Vorstand gewählt:

Vorsitzender: Dr. Heinrich Niemann
stellv. Vorsitzender: Prof. Dr. Gernot Zellmer
stellv. Vorsitzender: Dr. Klaus Freier
Schatzmeisterin: Marianne Schmidt
Beisitzerin: Ninon Suckow
Beisitzerin: Annette Nieczorawski
Beisitzer: Axel Matthies

Der neue Vorstand v. l.: Hr. Zellmer, Hr. Niemann, Fr. Nieczorawski, Fr. Schmidt, Hr. Freier, Hr. Matthies. Es fehlt Fr. Suckow

Im Gedenken an Dr. Günter Peters

Günter Peters gilt als „Erbauer Marzahns“ und hatte als Stadtbaudirektor von Ost-Berlin in den 1960er und 1970er Jahren an der komplexen Gestaltung der damaligen Hauptstadt der DDR mitgewirkt und an den Planungen für die neue Großsiedlung Marzahn federführend gearbeitet. Günter Peters war der Motor für die Sicherung und den historischen Wiederaufbau  des seit Jahrzehnten erheblich in Mitleidenschaft gefallenen Schlosses Biesdorf. Er setzte sich außerdem für die Rekonstruktion der Alten Dorfschule in Marzahn ein, die heute das Bezirksmuseum beherbergt.


Zur Erinnerung an den Bildhauer Michael Klein

Michael Klein bei der Enthüllung der Büste Dr. Günter Peters


Ergänzungen zu „Wir wohnten im Schloss Biesdorf“

Zum Vortrag mit Frau Hannelore Bündig am 16. Februar im Schloss Biesdorf waren 40 Menschen gekommen; vor allem alte Biesdorfer, die sich lebhaft erinnerten. Das war für die pandemiebedingten Besuchseinschränkungen nahezu sensationell und unterstrich das Bedürfnis vieler Menschen, sich des „normalen Lebens“ zu erinnern. Die erzählte Geschichte, anstatt der geschriebenen offiziellen, erlebte eine Sternstunde.

An Geschichten im Schlosspark gibt es eine Reihe von Erinnerungen. Eine Frau erzählte von den Ferienspielen. Im Park hätten ganz viele Zelte gestanden, bestimmt 30, in denen die einzelnen Gruppen untergebracht waren, bei schlechtem Wetter spielten und aßen. „Es war damals im Park viel heller als heute!“ Das kann sein, denn vor 50 Jahren waren die Bäume kleiner.

Eine andere Frau, die mit ihrer Familie in der Paradiessiedlung wohnte, war oft in der Kinderbibliothek im Schloss, wo sie viel las und Bücher entlieh. Ein ganz persönliches Moment ihrer Erinnerung: das Sofa der Familie Poerschke aus der Wohnung im Schloss zierte ihre erste Studentenwohnung.

Eine Reihe von Erinnerungen waren mit den „Russen“, den Soldaten und Offizieren der sowjetischen Armee, verbunden. Frau Bündig hatte über Bestattungen im Park berichtet, die sie als Kinder verfolgt hatten. Nach ihrer Erinnerung gab es Bestattungen nur von Offizieren am heutigen Albert-Brodersen-Weg. Bestattungen im Pleasure ground waren ihnen nicht erinnerlich. Das wird so gewesen sein, denn die Familie wohnte ja erst seit 1952 im Schloss. Die meisten Beerdigungen fanden aber in den Jahren nach Kriegsende statt. Wenn es Beerdigungen gab, so ein alter Biesdorfer, kamen sie aus ihrem Lager, das dort war, wo heute das Theater am Park steht, über den Anger und dann hoch zum Schloss. Die Paradiessiedlung war von der Roten Armee beschlagnahmt worden, das daneben befindliche Zwangsarbeiterlager zur Unterbringung der Mannschaften genutzt worden. Musik war bei den Bestattungen immer dabei.

Frau Bündig erzählte noch von zwei Frauen, die sie nach dem Krieg kennen gelernt hatte: Steffie Spira und Ella Pilzer. Beide waren 1947 aus der Emigration zurück nach Deutschland gekommen. Vertrieben hatte sie der rassistische Antisemitismus der Nazis. Als die Familie Poerschke in dem kleinen Zimmer in der Ketschendorfer Straße wohnte, kam die Schauspielerin öfter vorbei. Ihr gehörte wohl, so Frau Bündig, die Wohnung. Ella Pilzer hatte auf das Kind Hannelore wohl einen größeren Einfluss. Sie brachte Hannelore das gute Benehmen bei: wie man am Tisch ißt, sich die Haare bindet und die Kleider trägt. Frau Bündig ist ihr in der Erinnerung sehr dankbar dafür. Es habe sie geprägt.

Die Familie Poerschke bekam die Ehre, so Frau Bündig, kurz vor der Eröffnung des wiederaufgebauten Schlosses Biesdorf im Spätsommer 2016, das Haus exklusiv besuchen zu dürfen. Das habe die Familie sehr zu schätzen gewusst.

Damals fuhr der O-Bus 37 durch Biesdorf,
hier an der Haltestelle BWF Bürknersfelde. Unten der Fahrplan

„Wir wohnten im Schloss Biesdorf“

Vor einiger Zeit kam ich mit einer älteren Frau ins Gespräch, die während einer Veranstaltung im Biesdorfer Schloss aufgeregt ausrief: „Keiner redet darüber, dass hier einmal Familien gelebt haben.“

Durch zu viele schlecht recherchierte Medienberichte verbreitet sich bei Unwissenden in der letzten Zeit die Überzeugung, das Schloss wäre von 1945 bis zur Sanierung eine Ruine gewesen. Erst jetzt wäre alles schön, wie im Märchen…

Trotz eines miserablen Bauzustandes – das wissen wir seit der peniblen Sanierung dokumentarisch – wurde das Schloss immer genutzt: als Dorfklub, als Kreiskulturhaus, als Bibliothek und zuletzt als Soziales Stadtteilzentrum. Allen Widrigkeiten zum Trotz setzten viele Menschen ihre Kraft ein, das Schloss als gemeinnützige Einrichtung zu erhalten und zu betreiben.

Dennoch bleiben Wissenslücken. Eine wollen wir jetzt schließen. Sowohl nach dem 1. als auch nach dem 2. Weltkrieg waren im Schloss Zimmer bzw. Wohnungen eingerichtet worden, um die Wohnungsnot zu mildern. Die oben erwähnte Frau, Hannelore Bündig, hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben und Fotos aus dem Familienalbum dazu gelegt. Wir wollen sie Ihnen präsentieren.

Frau Hannelore Bündig

Für uns war das Schloss nichts Besonderes

Für meinen Bruder Werner und mich war das Schloss nichts Besonderes. Von 1952 bis 1982 war es unser Zuhause, unser Elternhaus. Unsere Adresse war: Alt-Biesdorf 55.

Vor dem Krieg wohnten wir in Biesdorf in der Annenstraße. Unsere Mutter fuhr dann mit uns nach Schlesien zu den Großeltern. „Da sind wir vor den Bomben sicher!“ 1945 mussten wir dann auf die Flucht, über viele Umwege zurück nach Biesdorf. Die Wohnung in der Annenstraße gab es nicht mehr, dann eine winzige Bleibe im Ketschendorfer Weg. Das Haus gehörte wohl der Schauspielerin Steffie Spira, die wir dort oft trafen.

1950 kam unser Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Hause. Nun wurde es wirklich eng bei uns. Dann die Riesenüberraschung: Wir bekamen 1952 eine große Wohnung im Schloss zugewiesen. Mein Vater hatte im Schlosspark bereits eine Anstellung als Gärtner. Er blieb auf dieser Stelle bis zum Renteneintritt. Die Wohnung: zwei Zimmer, Küche, Ofenheizung, Klo im Keller (Wendeltreppe), Waschküche im Keller, Zugang von außen, großer Boden – ein Restbestand der oberen ausgebrannten Etage. Hier hatte bald mein Bruder sein Reich.

Gezeichnete Lage der Wohnung. Sie befand sich auf der Nordseite des Schlosses – dort, wo jetzt Empfang, Geschichts-raum und das Café sind (Zeichnung Werner Poerschke)

Zu der Zeit wohnten im Schloss bereits die Familie Schütze auf der Südseite und im Souterrain der Parkwächter Jäckel mit seiner Frau. Etwa 1956 erfolgte dann der Einbau einer Zentralheizung und eines Badezimmers, das neben unserem Wohnzimmer eingerichtet wurde. Inzwischen war unsere Wohnung ein gemütliches Zuhause geworden, obwohl wir Kinder kein eigenes Zimmer hatten. Ich schlief im großen Schlafzimmer, mein Bruder im Wohnzimmer.

Natürlich haben wir dann im Laufe der Zeit mehr über das „Schloss“ bzw. die Villa und die Siemens‘ erfahren. Aber nach wie vor fanden wir es nicht erwähnenswert anderen zu erzählen, dass wir im „Schloss“ wohnen. Dazu war es viel zu einfach: Nordseite usw. Manche Schulkameraden lebten viel komfortabler. Erst Jahre später lernten wir Wohnung und Park schätzen und lieben.

Rodeln und Planschen im Park

Aber die Wiese vor unserer Wohnung gehörte uns. Hier lagerten wir auf dem Rasen, hier wurde die Wäsche getrocknet. Übrigens gab es das Rosenbeet schon damals, angepflanzt von meinem Vater.

Wäsche trocknen im Schlosspark

Auf den Wegen spielten wir Hopse, Ball und Seilspringen. Der Teich war recht sauber, wir sprangen da im Sommer schon mal rein. Die Fontäne sprudelte auch immer. Da habe ich ein Bild mit meiner Freundin.

Hannelore (re.) mit ihrer Freundin Rosi vor der sprudelnden Fontäne des Schlossteiches 1959

Im Winter, wenn der Teich mal zugefroren war, liefen wir darauf Schlittschuh. Gerodelt wurde von der Rückseite des Eiskellers, das war die höchste Stelle, und dann runter auf die Wiese. Ansonsten war der Eiskeller aber tabu! Das war eines der wenigen Verbote, das meine Mutter ausgesprochen hatte. Nur ein Mal haben wir ihn von innen gesehen. Als das Schwimmbassin gebaut wurde, das war Ende der 1950er Jahre, badeten wir dort. Das Wasser war sauber, man konnte die Fliesen am Boden erkennen.

Schwimmbecken nahe S-Bahntrasse und Blumberger Damm

Der Park gehörte uns und unseren Freunden im Sommer wie im Winter. Es gab ja nur wenige Besucher. So richtig eroberten wir das ganze Gelände aber erst, als die Gräber der russischen Soldaten nicht mehr da waren. Die Begräbnisse, die in den Jahren davor stattfanden, haben wir von unserem Küchenfenster aus mit Neugier und Beklemmung beobachtet.

Turmbesteigungen

Zu den ganz besonderen Ereignissen in den ersten Jahren zählt das Besteigen des Turms für mich, meinen Bruder und meine Freundinnen. Durch unsere Wohnung konnte man über den Boden (Teil der ehemaligen 1. Etage, provisorisch mit Brettern abgesichert) zum Turm gelangen und dort mit Leitern in mehreren Abschnitten hinaufsteigen. Es war herrlich! Es war bestimmt nicht ganz ungefährlich, aber toll. Mein Bruder hat dort oben oft allein gesessen und gelesen, wir Mädchen, damals um die 14 Jahre alt, hatten die Jungen unserer Klasse unter Vorwänden in den Park bestellt und dann von oben überraschen wollen. Es gab sogar ein „Turmlied“:

Denke man ja nicht, du gingest mir zu Herzen,
weil wir uns grüßen und miteinander scherzen.
Nein, ich bleibe gern allein,
Nein, ich bleibe gern allein,
Dies soll nur ein Wechselspiel und weiter gar nichts sein.

Wir waren oft auf dem Turm. Dort fühlten wir uns großartig. Das sind mit meine schönsten Erinnerungen. Spätestens 1958 war dann aber Schluss. Der Zugang wurde gesperrt.

Angst vor den Schlossgeistern

So um die Zeit als ich 14 Jahre alt war, gab ich doch manchmal an, dass ich im Schloss wohnen würde. Dabei vergesse ich nie die Angst, die ich hatte, wenn ich im Dunkeln nach Hause musste. Vom Bahnhof Biesdorf rannte ich durch den Park (nachdem die rote Mauer des Friedhofs weg war) im Dauerlauf. Es gab ja keine Lampen. Von der Straße Alt-Biesdorf durch den Säulengang (Haupteingang, Portikus): Angst, Angst, Angst! Oft musste mich mein Bruder abholen, aber dazu hatte er auch nicht immer Lust und Zeit. Auch das Fenster im Schlafzimmer, das zur Terrasse hinaus ging, erfüllte mich mit Angst. Da könnte ja jemand einsteigen. Denn der Park wurde immer belebter. Also, es hatte auch seine Schattenseiten, Schlossbewohner zu sein.

Kulturhaus und Familie

Die Zeit, als dann ab 1958 das Kulturhaus auf der Südseite langsam einzog, war toll. Die Familie Schütze war inzwischen ausgezogen. Jedes Wochenende spielte Live-Musik und wir tobten uns richtig aus. Meine Mutter Herta Poerschke war die „Frau für alle Fälle“: Hausmeisterin, Trösterin für Liebeskummer, sie schmierte die Schmalzstullen und vieles mehr. Mein Bruder regelte oft den Einlass und den Getränkeverkauf. Am Wochenende war das Kulturhaus ein bißchen wie Familienbetrieb.

In den Jahren 1959/60 hatte der Kulturhausleiter ein Atelier für zwei Künstler aus Pankow eingerichtet: Roland Spörl und Baldur Schönfelder. Spörl verstarb leider schon früh – er wird mit seinem Werk der Berliner Schule zugerechnet. Baldur Schönfelder studierte seinerzeit an der Kunsthochschule Weißensee und war später Meisterschüler von Waldemar Grzimek. Er war lange Jahre Professor in Weißensee. Als Bildhauer schuf er viele Plastiken im Auftrage des Magistrats von Berlin.

Eins seiner bekanntesten Werke: Drei Grazien,
Standort Hanns-Eisler-Straße im Prenzlauer Berg

Randale gab es nicht, aber viele schöne Stunden. Eine Freundin von mir lernte dort ihren Mann kennen, sie sind heute noch verheiratet. Eine weitere, die sich in den Schlagzeuger verguckt hatte, wurde von ihrem wütenden Vater weggeschleppt. Sie hatte keine Erlaubnis erhalten, zum Tanzen zu kommen. Ich selbst verliebte mich in den Klubleiter. Im Kaminzimmer feierten wir noch 1978 ein Klassentreffen. Mutter sorgte für alles. Ohne sie lief eigentlich nichts: Ferienspiele, Hundeausstellung, Jugenclub. Alle verließen sich auf sie, die immer im Hintergrund blieb. Eigentlich war sie 30 Jahre lang die „Schlossherrin“.

Mutter Herta Poerschke am Schloss 1983

Weitere Entwicklung ab 1970

Ab den 1970er Jahren begann sich der Betrieb aus dem familiären Milieu heraus langsam zu professionalisieren. Im Kaminzimmer wurde eine Gaststätte eingerichtet. Ich erinnere mich an die Faschingsveranstaltungen und die Bockbierfeste im Herbst. Im Turmzimer hatte die Abteilung Kultur des Stadtbezirkes ein Büro, das lange Zeit von Herrn Sell und anschließend von Herrn Kistenmacher geleitet wurde. Jeden Sonntag fand ein Briefmarkentausch statt. Donnerstags waren die Rentnernachmittage und freitags traditionell immer die Jugend-Disco. Auch Katzenausstellungen wurden nun organisiert. Im Park nahe der S-Bahn wurde der Indianerspielplatz erbaut. Am ehemaligen Gärtnerhäuschen nahe der heutigen B1 legte mein Vater einen Heidegarten an.

Geschäfte zum Einkaufen und Armeesiedlung

Mit dem Einkaufen war es damals in Biesdorf anders als heute. Die wichtigsten Geschäfte waren in Alt-Biesdorf und in der Oberfeldstraße. Von uns aus gingen wir zum Bäcker Glowania in der Straße Alt-Biesdorf, kurz vor der Ecke Oberfeldstraße. Mit dem Sohn Rudi ging ich in eine Klasse. Direkt an der Ecke war dann das Lebensmittelgeschäft Staaks. Es war ein tolles Familiengeschäft. Um die Ecke in der Oberfeldstraße waren dann ein Friseur, ein Arzt und gegenüber eine Kindereinrichtung. Dann weiter Richtung S-Bahn die Post und auf der gegenüber liegenden Seite der „Sachsenkonsum“. Die Armeesiedlung war 1952/53 gebaut worden. Dort zogen Offiziere ein, die in Strausberg stationiert waren. Zwei meiner Klassenkameraden wohnten dort. Mit beiden habe ich heute noch Kontakt. Sie können auch noch viel erzählen. Die Siedlung hieß bei uns nur Sachsensiedlung. Die Eltern meiner Freunde waren aber gar keine Sachsen. Also im „Sachsenkonsum“ gab es Lebensmittel, Fleisch und Gemüse.

Zeitgenössisches Foto vom S-Bahnhof Biesdorf

Hinter der Bahnschranke lag links dann die Kneipe Neumann, die ja nun abgerissen wurde. Da trank auch mein Vater gerne sein Feierabendbier. Wenn meine Mutter aber das Abendbrot fertig hatte und Vater noch nicht zu Hause war, wurde unsere Hündin Bella losgeschickt: hol Herrchen nach Hause. Bella rannte los und Herrchen kam sofort!

Blick in die Gaststätte Neumann. So schloss sie als „Paule“

Hinter der Bahnschranke rechts war dann noch die Eisdiele Orth. Dort trafen sich alle: Schüler, Jugendliche, Freundinnen. Hier gab es das beste Eis meines Lebens. Hier ließen wir unser ganzes Taschengeld.

Anfang, Mitte der sechziger Jahre haben mein Bruder und ich eigene Familien gegründet. Jetzt wurde das Schloss Mittelpunkt für unsere Kinder, die ihre Ferien und viele Wochenenden bei Oma und Opa verbrachten. Die Türen bei Familie Poerschke waren immer für alle Kinder, Enkel und Freunde offen.

Die Kinder der Familie im Park

(Axel Matthies)


Auszeichnung mit dem Ehrenamtspreis 2021


Anlässlich des Tages des Ehrenamtes werden in unserem Bezirk in jedem Jahr Menschen geehrt, die sich langjährig, kompetent und mit großem persönlichen Engagement um Sachverhalte und Dinge kümmern, für die im Alltag der Ämter und Verwaltungen oft kein Platz oder keine Zeit ist, ohne die aber ein vielfältiges gesellschaftliches Leben nicht denkbar ist.


In diesem Jahr wurden am 5. Dezember auch zwei langjährige Mitglieder vom Vorstand des Vereins „Freunde Schloss Biesdorf“ mit dem Ehrenamtspreis der BVV Marzahn-Hellersdorf ausgezeichnet: Prof. Gernot Zellmer und Axel Matthies. Und wie bei den vielen anderen Ausgezeichneten ebenfalls, gab es bei beiden gute Gründe für diese Ehrung.


Als stellvertretender Vereinsvorsitzender trägt Prof. Zellmer schon seit 2008 aktiv zu einer inhaltsreichen und außenwirksamen Vereinsarbeit bei. Verantwortlich für die gemeinsame Vortragsreihe mit der Volkshochschule im Schloss Biesdorf sorgt er einmal im Monat mit interessanten Themen und sachkundigen Referenten für spannende Vorträge zu regionalen und überregionalen Themen.


Axel Matthies – seit 2013 Vereinsmitglied – ist das „kulturelle Gewissen“ des Vereins. Mit Sachkenntnis, Engagement und viel Detailwissen informiert er über kulturelle Höhepunkte im Stadtbezirk in Gegenwart und Vergangenheit. Besonders am Herzen liegen ihm die vielen – zum Teil vergessenen – Künstler und Kulturschaffenden, die in Marzahn-Hellersdorf gelebt
haben und um die sich der Stadtbezirk mehr kümmern sollte. Intensiv beschäftigt ihn die Frage nach der immer noch nicht vorliegenden Gesamtkonzeption für die Entwicklung des Schlosses Biesdorf zu einem überregionalen Ort der Kultur und Begegnung.

Lieber Axel, lieber Gernot, herzlichen Dank für Euer langjähriges bürgerschaftliches Engagement im Verein – Ihr habt die Auszeichnung und öffentliche Würdigung dafür vollauf verdient.
Ohne Euch wäre der Verein nicht das, was er heute ist!

Prof. Gernot Zellmer

Axel Matthies

Sanierung des Biesdorfer Schlossteiches verschoben

Mit Genehmigung des Bezirksjournals Marzahn-Hellersdorf veröffentlichen wir einen Beitrag aus der November-Ausgabe 2021. Der Artikel von Sabine Flatau schildert exakt den aktuellen Stand zur Sanierung des Biesdorfer Schlossteiches.

Besser zu lesen in diesem Link.


„Wir üben weiter!“ Gedenken an Ronald Paris

Die Familie Roland Paris‘ richtete gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Prof.-Ronald-Paris-Stiftung am 6. November eine Gedenkveranstaltung für den im September verstorbenen großen deutschen Maler aus. Der Saal der Stiftung war sehr gut gefüllt. Versammelt hatten sich zahlreiche Repräsentanten der ostdeutschen Kultur. Es wurde deutlich, wie breit der Wirkungskreis von Ronald Paris war.

Gedenken an Ronald Paris

Die Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung Daniela Trochowski begrüßte die Familie und die versammelten Gäste.

Kultursenator Klaus Lederer warf dann einen auch persönlichen Blick zurück. Er erinnerte daran, dass Ronald Paris sein Leben lang nicht der „Systemmaler“ war, als der er oft und gern tituliert wurde, sondern immer wieder aneckte als Künstler, der dialektisch denken und malen konnte. Lederer rief den frühen Streit um das Bild „Wartenberger Dorffestspiele“ von 1961 auf. Die Studentenzeitschrift »forum« hatte die Bauern gefragt: Erkennt ihr euch wieder? Ist euer Leben von Ronald Paris realistisch empfunden und in eurem Sinne gestaltet? Die Bauern waren der Meinung: Nein! Die Menschen wären zu ungefügig dargestellt, gingen zum Festtag barfuß und mit Kopftuch. Die Frauen waren darüber empört. Und die Funktionäre sahen auf dem Triptychon zu wenig neue Erntetechnik. Eine der Kritikerinnen schrieb Paris später: „Ich habe lange vor Deinem Bild gestanden, habe mich mit anderen Besuchern darüber unterhalten, und – ehrlich gesagt, heute gefällt es mir. Es ist sehr farbenfreudig und macht den Besucher dadurch froh. Ich nehme gerne so Verschiedenes von meiner damaligen Kritik zurück.“ Mit dieser Art Auseinandersetzung konnte Paris sehr gut leben. Lederer hob abschließend hervor, dass der Tod des Malers in allen großen deutschen Zeitungen respektvoll besprochen worden war.

Peter Baumbach erinnerte die Bilder seines Freundes als Fest der Sinne und Welt reicher Phantasie. „Du bist gegangen, aber die Kunst bleibt bei mir.“ Und er zitierte die Lebensmaxime Ronald Paris‘, die an diesem Vormittag noch öfter vorgebracht wurde: „Wir üben weiter.“

Der Grafiker Bernd Frank traf im Jahr 1971 mit Ronald Paris zusammen, als dieser die Ausstattung für die Inszenierung von Gozzis „König Hirsch“ durch Benno Besson an der Volksbühne besorgte. Frank war für die Gestaltung des Programmheftes zuständig. Als Paris den Entwurf mit den Worten „Das Ding ist gut“ abnickte, fiel dem jungen Frank ein Stein vom Herzen. (Nebenbei: Was waren das damals für Programmhefte!)

Klaus Tiedemann war Nachbar von Ronald Paris in dessen Rostocker Zeit. Er erzählte, wie der Thüringer Maler zum Meer fand. Als sechsjähriger Junge hätte Ronald bei einem Besuch der Insel Hiddensee das Meer zum ersten Mal gesehen. Es wäre für ihn ein Gefühl der inneren Befreiung gewesen. So habe sich sein Lebenskreis geschlossen, als die letzte Ausstellung in Wustrow auf Fischland stattfand.

Mit Klaus Ast hatte Ronald Paris eine Irland-Reise nach dem Vorbild Heinrich Bölls unternommen. Auch für sie habe sich Irland als Herz Europas erschlossen. Natürlich auch in den Pubs der grünen Insel. Ast dankte seinem Freund, der so klug und menschlich gewesen war.

Der Philosoph Karl-Friedrich Wessel blickte zurück auf den Philosophen Ronald Paris. Der Maler sei ein Meister des philosophischen Gesprächs gewesen. Wenn er die Kunst verteidigte, dann verteidigte er sie immer um der Menschheit willen. Als Wahrheitssucher habe der Maler immer die Umstände in ihrer Zeit analysiert. Ronald Paris hatte Vorlesungen bei Wolfgang Heise besucht, den Wessel als Genie bezeichnete. Für Paris seien die Vorlesungen bei Heise und die Gespräche mit ihm ein großes Glück gewesen, die seine ästhetische Aneignung der Welt geprägt hätten.

Kurz und knapp, wie es ihre Art ist, erinnerte Carmen-Maja Antoni an den Lebemann Ronald Paris: er trank Rotwein wie ein Lukulle und rauchte jeden Zigarillo wie einen Joint.

Abschließend dankten Isolde und Anna Paris ihrem Ehemann und Vater für ein langes, gemeinsames und erfülltes Leben.

Isolde und Anna Paris

Bei Schnittchen, Kuchen, Kaffee und Crémant klang das Gedenken in vielen Gesprächen aus. Der Maler mochte keine Trauerklöße.

Unser Verein war vertreten durch den Vorsitzenden Dr. Heinrich Niemann und Vorstandsmitglied Axel Matthies.

Einen Mitschnitt der Gedenkveranstaltung können Sie hier sehen.

(Axel Matthies)