Stippvisite in die „Speisekammer“ des Schlosses Biesdorf

Alle Jahre wieder, anläßlich des Tages der Gärten und Parks, führt unser Verein einen Rundgang durch den Schlosspark Biesdorf, erklärt Geschichte, Flora und Fauna. In diesem Jahr 2025 fiel der Rundgang auf den 14. Juni. Wie immer wurde an diesem Tag auch der Eiskeller geöffnet. Unserer Einladung waren mehr als 60 Leute gefolgt, die gespannt auf die Führungen warteten.

In Anbetracht der zu erwartenden Temperaturen war die Zeit 10.00 Uhr optimal gewählt. Der erste Gartenkünstler für den Schlosspark war Eduard Neide, der für Schlossherr Hans-Hermann von Rüxleben nach Vollendung des Baus 1868 einen vier Hektar großen Park anlegte, der zunächst von der Dorfstraße bis an den Weg, an dem Eiskeller und Teich liegen, reichte: den Triftsweg Nr. 7. Triftswege sind geeignet für landwirschaftliche Transporte und Viehtriebe. Neide hatte eine große Karriere im Königlichen Tiergarten; er begann als Geselle und schied als Königlicher Gartendirektor aus dem Dienst. Neide war Schüler von Peter Joseph Lenné und hat mit diesem noch gemeinsame Projekte realisiert. Ihnen war die englische Parkschule Vorbild. In diesem Sinne legte er den Biesdorfer Park an. Nun besichtigte die erste Gruppe den Eiskeller und stellte sich für ein Gruppenfoto.

Die erste Gruppe vor dem frisch gestrichenen Eiskeller

Auch zu Siemens‘ Zeiten blieb der Eiskeller die Speisekammer der Schlossbesitzer. Elektrisch betriebene Kühlschränke gab es zuerst in den 1930er Jahren in den USA. In Europa setzte sich der Kühlschrank erst in den 1950er Jahren durch.

Vorraum zum Eiskeller…
und der gemauerte Rundschacht selbst:
die „Speisekammer“ des Schlosses

Dann führte der Weg weiter in den größeren Teil des Parkes bis zur Bahntrasse. Als Wilhelm von Siemens 1889 das Gut Biesdorf samt Schloss und Park übernahm, war er mit seinem Onkel Carl in England und seinem Bruder Arnold in Russland bereits Globalplayer in Sachen Starkstrom für die Industrie und starker Anwender von Haushaltsstrom, Verkehrsstrom und Stadtbeleuchtung. Die Firma hatte telegraphische Kabelverbindungen quer durch Europa und interkontinental nach Asien und Nordamerika verlegt. Das mittlerweile herunter gekommene Schloss gefiel Siemens in seiner Lage; er ließ es grundlegend sanieren und technisch aufrüsten. Ende der 1890er Jahre war das Haus ein Hightech-Schloss. Es verfügte über elektischen Strom, Telefon, Heizung und Warmwasser sowie ein Hauswarnsystem. Ebenso wollte Siemens den Park grundlegend erweitern und erneuern. Er kaufte die erforderlichen Ländereien und beauftragte die Gärtnerei Körner & Brodersen mit dieser Arbeit. Mitinhaber Albert Brodersen hatte mit solchen Arbeiten bereits Erfahrungen. In jenen Jahren entstanden durch seine Gärtnerei rund 20 größere landschaftliche Anlagen überwiegend für Industrielle im Rheinland, aber auch in Berlin, in der damaligen Neumark und in Schlesien. Schritt für Schritt erweiterte er den Park samt stilbildenden Parkmöbeln bis zum Jahr 1900. Als Abschluss der Arbeiten entstand am heutigen Nordeingang zum Park ein Jugendstiltor. An Brodersens Gartenkunst wird vor allem die wirkungsvolle Verteilung von Licht und Schatten sowie die feine und abwechslungsreiche Geländemodellierung gelobt.

Wirkungsvolle Verteilung von Licht und Schatten
und feine Modellierung: hier am Pleasure Ground

Die hervorragenden Kontakte und sein ausgezeichneter Ruf als Landschaftsgärtner führten dazu, dass Albert Brodersen 1910 zum Berliner Städtischen Gartendirektor berufen wurde. Bereits 1909 war ihm der Titel des „Königlichen Gartendirektors“ verliehen worden. Im Rahmen der planmäßigen Stadtbebauung war er nun am Ausbau und an der Umgestaltung der ursprünglichen Berliner Schmuckplätze zu Gartenplätzen und praktischen Parkanlagen beteiligt. Unmittelbar beteiligt war Brodersen an der Anlage des Kleistparkes, des Märchenbrunnens Friedrichshain, des Volkspark Rehberge und des Botanischen Volksparks Blankenfelde. 1925, vor genau 100 Jahren, trat der Gartendirektor in den Ruhestand.

Der Schlosspark Biesdorf, eine allenthalben beliebte und angesehene Anlage, wurde von zwei zu ihrer Zeit bedeutendsten Gartenbaukünstlern geformt. Dieser Aspekt, der in der Öffentlichkeit nicht immer präsent ist, konnte vor den Zuhörenden deutlich gemacht werden.

Ein abschließender Blick galt dann dem Lesegarten und der Figur „Die Sinnende“ von Ingeborg Hunzinger. Der Lesegarten war ursprünglich ein Rasentennisplatz nach dem Vorbild von Wimbledon. Wilhelm von Siemens war so stolz auf ihn, dass er eine Kopie auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 im Treptower Park präsentieren ließ. Die Geschichte der Hunzinger-Figur war dann der Abschluss der Führung. Sie entsteht im Mai/Juni 1976 bei einem Bildhauer-Symposium in Reinhardtsdorf, Sächsische Schweiz.

Die Figur 1976 im sächsischen Steinbruch

Das Werk wird im Spätsommer 1976 in Kaulsdorf Nord aufgestellt, an der damaligen Kaufhalle im Teterower Ring; im Bereich des heutigen Spreecenters. Im Sommer 1978 gelangt die Plastik in die Ausstellung „Plastik und Blumen“ in Berlin-Treptow. Dort muss bei Verantwortlichen die Kenntnis gereift sein, dass die Figur in einem landschaftlichen Umfeld besser aufgehoben ist. Von Treptow ist die Figur nicht nach Kaulsdorf Nord zurückgekehrt. Sie wird 1980 am heutigen Standort im Schlosspark Biesdorf aufgestellt, wo sie sich großer Beliebtheit erfreut.

Damit ging ein sehr schöner Vormittag zu Ende. Es gab Beifall für die Vortragenden und viele weitere individuelle Gespräche.

Ein herzlicher Dank geht von den „Freunden Schloss Biesdorf“ an das Grünteam im Schlosspark, das den Eiskeller hervorragend präpariert hatte.

(Axel Matthies)

vom: 16.06.2025