Für zwei Tage hatte sich die Alte Börse Marzahn vom 4. bis zum 5. Oktober 2014 in ein Ausstellungszentrum für zeitgenössische Kunst verwandelt. Initiatorin Ellen DeElaine und Kurator Ihsan Alisan haben 29 Positionen ausgesucht, die ein breites Spektrum an Malerei, Fotografie, Skulptur und Installation vorführen. Künstlerinnen und Künstler der Jahrgänge 1928 bis 1989 aus Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Zürich und Los Angeles entwerfen in der Ausstellung ihre ganz eigenen Welten: halb Utopie, halb Dystopie (Anti-Utopie, Schreckensszenario). Sie spiegeln darin ein Stück weit die deutsche Hauptstadt selbst, die mit dem Fall der Mauer vor 25 Jahren zu einem Schlaraffenland für Künstler, Musiker und Literaten der ganzen Welt wurde. Die Ausstellung dokumentiert auch, wie diese Kulturszene mehr und mehr das Berlin jenseits des S-Bahn-Rings für sich entdeckt; Stadtviertel, die noch Räume bieten für Inspiration, zum Leben und Arbeiten: Berlin… mehr als nur Mitte!
Nun sind sie also wirklich angekommen – die Künstler aus Mitte, Neukölln oder Kreuzberg am Westrand von Marzahn. Sandig und öde ist es noch auf dem Gelände. Aber im Aufbruch begriffen ist die Alte Börse Marzahn, die sich nicht ohne Hintergrund ABM nennt. Rundherum werden Familienhäuser gebaut, die bald bunt das Areal umschließen werden. Von diesem Tempo wird sich die ABM nicht anstecken lassen. Die Börse soll langsam wachsen und viele Künstler in diesen Prozess einbinden. Die finden so wie so das Unvollkommene inspirierender und authentischer für den Prozess des Schaffens. Und auch die Besucher sind guter Dinge – zumal wenn das „Marzahner“ Bier schmeckt.
Die Ausstellung war am Sonntag gut besucht. Trotz ungünstiger Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr waren ein paar hundert Interessenten hinaus gekommen auf das Gelände zwischen Friedrichsfelde Ost und Springpfuhl. Sie besichtigten Malerei, Installationen und Skulpturen sowie fotografische Objekte.
Ich bin mit zwei Künstlern ins Gespräch gekommen. Die erste Begegnung war ein kleiner alter Herr mit einem Vollbart, einem langen pinkfarbenen Schal um den Hals und stark mit Kajal geschminkten Augen. Er war bereits mit Frauen im Gespräch und das machte es mir leichter stehen zu bleiben. Um ihn herum dutzende kleinteilige Malereien und ein Riesenbild. Bilder mit Köpfen, Figuren, Monstern mit drei Beinen, vier Augen und fünf Brüsten. „Ich male viele Kieselsteine, damit ein paar Diamanten herauskommen“, erklärte er die Fülle des Materials. Er hielt aber keine metaphysischen Reden sondern bemerkte erstaunt, die hiesigen Besucher würden wortlos aber konzentriert durch die Ausstellung gehen. Zu Hause bei ihm, in Frankfurt am Main, käme es immer wieder zu langen und ausschweifenden Diskussionen. Aber, er legte den Kopf nun zur Seite, die Leute seien eben verschieden. Auf seinem Tisch lag ein voluminöser Band mit seinen Werken: eine Ausstellung in Frankfurt hatte zu Ehren seines 80. Geburtstages einen Katalog mit mehr als 300 Seiten herausgegeben. Sein Name: Max Weinberg. Ein Unikum und eine Künstlerpersönlichkeit. Belagern Sie die Suchmaschinen mit diesem Namen!
Max Weinberg vor seinem Gemälde „Beethoven“ (Ausschnitt)
Meine zweite Begegnung wurde Antje Püpke. Sie war mir vom Namen her als Künstlerin in Marzahn-Hellersdorf bekannt, denn sie ist Gründungsmitglied der FrauenKunstKarawane. Sie hat sich auch einen Raum in der ABM gemietet, wo sie eine weitere Basis ihres künstlerischen Schaffens sieht. „Ich habe mehrere Studios“, erklärte sie bestimmt. Zur Ausstellung hatte sie mit einem Druckstock experimentiert – eher abstrakt als figurativ.
Antje Püpkes Angebot, außen die Holzstiche
Frau Püpke war augenscheinlich angetan vom neuen Domizil. Sie erzählte angeregt von ihrer Arbeit und der gegenwärtigen Ausstellung der FrauKunstKarawane im Empfangssaal der Gärten der Welt, dem Ort, wo am 17. Oktober ein festliches Kolloquium zu Ehren des 70. Geburtstages unseres Vereinsvorstandsvorsitzenden Dr. Heinrich Niemann stattfinden wird. Wir kamen auch auf das künftige Bilderschloss Biesdorf zu sprechen. Frau Püpke und ich waren uns einig, dass ein Dialog der Werke in Beeskow mit heutigen, zum Beispiel Künstler_innen aus der ABM, nützlich und anregend wäre. Weitere Informationen zum Schaffen von Antje Püpke finden Sie hier.
Die erste Ausstellung mit Werken von Künstlern in der ABM war gut besucht und macht Appetit auf mehr. Sie war kofinanziert vom Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und der Alten Börse Marzahn.
(Axel Matthies)