Eine nahezu sensationelle Doppelausstellung zur figürlichen Malerei in der DDR und in der Bundesrepublik in der 1980er Jahren gibt es gegenwärtig im kleinen und großen Frankfurt zu sehen:
DDR EXPRESSIV – die 80er Jahre
Frankfurt/Oder 31.5. – 27.9.2015
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Die 80er – Figurative Malerei in der BRD
Frankfurt/Main 22.7. – 18.10.2015
Wir machen Sie unverzüglich mit den begleitenden Texten zu den Ausstellungen bekannt und hoffen, später einen kunstkritischen Vergleich nachreichen zu können. Die spiegelbildlich veranlagten Expositionen zeigen schon beim ersten Augenschein Nähe und Ähnlichkeit der Bildkunstwerke. Ohne den Kritiken der Feuilletons der überregionalen Zeitungen vorweg zu greifen: in der figürlichen Kunst ist der Bilderstreit beendet oder wie der Kunstwissenschaftler Martin Schönfeld unlängst auf dieser Website titelte: „Vom Ende der Ideologie zum Triumph der Kunst“.
Johannes Heisig, Rocker. 1986
Helmut Middendorf, Sänger. 1981
Welches Bild gehört in welche Ausstellung?
Aus dem Pressetext zur Ausstellung „DDR EXPRESSIV – die 80er Jahre“
Das Museum Junge Kunst in Frankfurt/O. feiert 2015 das 50jährige Bestehen. Die Vielschichtigkeit der Sammlung stellt der Beitrag von Sven Behrisch im „DIE ZEIT Museumsführer“ mit den Worten heraus: “Nicht in Berlin oder in München, sondern in Frankfurt (Oder) findet sich die wertvollste Kunstsammlung der Republik. Wertvoll nicht in materieller Hinsicht und auch nicht auf der Polke-, Rauch- und Richter-Skala. Die Sammlung des Museums Junge Kunst ist wertvoll, weil sie ausschließlich und lückenlos ostdeutsche Kunst zusammenträgt. Ein Schatz, den kaum jemand kennt.“ (Hrsg.: Hanno Rauterberg, DIE ZEIT Museumsführer – Die schönsten Kunstsammlungen – noch mehr Entdeckungen, Hamburg 2012, S. 97)
Zum Jubiläum widmet sich eine Ausstellung der Ausstellungsgeschichte, die andere konzentriert sich auf das letzte Jahrzehnt der DDR. Werke, stilistisch umschrieben mit dem Begriff des Neoexpressiven, stehen im Mittelpunkt. Aus den über 11.000 Arbeiten umfassenden Bestand wurden von 39 Künstlern bzw. Künstlerinnen rund 50 Malereien, 5 Plastiken, 20 Zeichnungen und 60 Druckgrafiken ausgewählt.
Das scheinbar Spontane, im letztendlich wohlproportioniert ausgewogenen Bild, das Dynamische und Instabile, das Übersteigerte und Deformierte, das Strahlende und das Glimmende überwiegen – kurz: das Dionysische siegt auf der Leinwand im politischen und wirtschaftlichen System der Stagnation, Agonie und der latenten Gewalt. Es ist ein ästhetischer Vortrag, der nicht darüber hinweg täuscht, der Mensch ist bedrängt und befangen: in seiner Aktion erstarrt… In den Bildern von Maja Nagel und Karla Woisnitza blinkt ein Humor auf, der sich aus diesem Korsett zu befreien versucht. Doch dieser bleibt die Ausnahme.
Weitere Themen wären die Ambivalenz des Eros (Klaus Süß, Elke Riemer, Werner Liebmann, Günter Hein) und der feministische Freigang im Land des Patriarchalen (Angela Hampel, Maja Nagel). Hinzu kommen die ikonografisch traditionellen Gruppenbilder und Porträts im funkelnden Hell-Dunkel-Sound urbaner seelischer Vereinsamung (Ellen Fuhr, Johannes Heisig). Wenige entfliehen dieser „Sinnsuche“ und hinterlassen „nur“ informelle Spuren ihrer momentanen Anwesenheit (Klaus Hähner-Springmühl, Jörg Sonntag) oder es tauchen Lineares und Fleckiges auf, trunken taumelnd zwischen Figur und Zeichen.
Bilder der Ausstellung
Die Halle des Rathauses als Ausstellungsort
Ausstellungseröffnung mit Kurator Armin Hauer am 31.5.2015
Gerd Sonntag, Der rote Junge mit dem Hund. 1987
Klaus Killisch, Raucher. 1987
Karla Woisnitza, Sängerin IV. 1986
Hans Scheib, Paar. 1986
Wolfgang Smy, Protest I – VII. 1986
Lutz Fleischer, Lackiererei. 1982
Angela Hampel, Angela und Angelus. 1987
Hans Scheuerecker, Akt. 1989
Ellen Fuhr, Nächtliches Café. 1987
Aus dem Pressetext zur Ausstellung „Die 80er – figurative Malerei in der BRD““
90 Bilder von 27 Künstlern zeigt das Städel Museum in einer umfassenden Ausstellung zur figurativen Malerei in der BRD, die um 1980 in der Berliner „Galerie am Moritzplatz“, in der Kölner Ateliergemeinschaft „Mülheimer Freiheit“, in Düsseldorf und Hamburg aufkam und innerhalb kürzester Zeit international rezipiert wurde. Aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus entstanden Bilder, die die Auseinandersetzung mit der Malereitradition, den Nachkriegsavantgarden und ihrer unmittelbaren Zeitgenossenschaft gleichermaßen suchten: Virtuoses „Bad Painting“ traf auf klassische Genremalerei oder inszenierten Dilettantismus. Offene, gebrochene, bewusst irritierende Kompositionen und Sinnstrukturen wurden zum gemeinsamen Nenner der heterogenen Bildproduktion.
Mehr als dreißig Jahre später wird mit der Frankfurter Schau eine kritische Revision dieser Malerei unternommen, die neben der Vielheit der Stile und Themen vor allem auch die kunsthistorische Bedeutung eines komplexen Phänomens sichtbar macht, das lange durch die Brille überkommener Diskurse und Klischees gesehen wurde.
Bilder der Ausstellung
Das Städel begeht in diesem Jahr sein 200jähriges Jubiläum
Martin Kippenberger, Zwei proletarische Erfinderinnen auf dem Weg zum Erfinderkongress. 1984
Werner Büttner, Mutwillig zerstörte Telefonzellen. 1986
Walter Dahn, Der Höhepunkt des 20. Jahrhunderts. 1986
Rainer Fetting, Erstes Mauerbild. 1977
Kurator Armin Hauer (Frankfurt/Oder) über Gemeinsamkeiten und Grenzen der Bildproduktionen in Ost und West
In den Siebzigern brach in der „Westkunst“ eine Welle emotionsgeladener Malerei in den Kunstmarkt und -betrieb ein. Es tauchten Begriffe wie „Neue Wilde“ oder „Heftige Malerei“ in der Bundesrepublik, in Italien „Transavanguardia“, in Frankreich „Figuration libre“ und in den USA „Bad painting“ und „New Image Painting“ auf. Dieser Trend zur subjektiven und emotionsgeladenen Malerei ist fast zeitgleich in der DDR zu finden – jedoch als ein Reflex des bloßen Nachahmens nicht zu fassen. Dafür sind die Arbeiten und ihre Entstehungsbedingungen bei genauerem Betrachten zu spezifisch von unterschiedlichen Grundhaltungen geprägt und im gesellschaftlich Situativen verankert. Es geht um die existenzielle und emotionale Auslotung der Malerei oder der Figur im Verständnis einer klassischen Traditionslinie. Diese lässt sich namentlich in etwa so konturieren: Oskar Kokoschka (1886-1980), Max Beckmann (1884-1950), „Die Brücke“-Künstler und Chaim Soutine (1893-1943). Als künstlerische Fixpunkte nach 1945 kommen unter anderem Francis Bacon (1909-1992), Willem de Kooning (1904-1997), die COBRA-Künstler, der späte Picasso (1881-1973) und Vertreter des Action Painting hinzu.
Zudem gab es zum Beispiel mit Professor Bernhard Heisig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig einen Lehrenden, der diese expressive Formensprache förderte ohne sie selbst bis in ihrer Schlusskonsequenz zu verfolgen. Weiterhin wirkten bereits Maler der älteren Generation, bei denen der Ausdruck des Subjektiven und des Emotionalen überwog, wie zum Beispiel Heinz Tetzner (1920-2007), Horst Bachmann (1927-2007), Hartwig Ebersbach, Erika Stürmer-Alex oder Stefan Plenkers. Doch die Generation der in den Fünfzigern Geborenen war es, die eine bisher so noch nicht dagewesen ästhetische Intensität und qualitative Breite erreichte, trotz der stilistischen Verschiedenheiten und des unterschiedlichen Wollens. Ihre Wirkungszentren lagen vorrangig in Dresden, Leipzig, Berlin und Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Bei einigen zog ihr Tun alternative Lebensweisen, Performances, Gruppenbildung, Ausstellungen in Alternativgalerien, die Mitarbeit an Künstlerbüchern oder an Undergroundpublikationen mit ein.
Die Rechte zu den Abbildungen liegen bei den Museen und dem Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V.
(Axel Matthies)
An ihrem sechsten Todestag ehrte der Bezirk Marzahn-Hellersdorf die große deutsche Bildhauerin Ingeborg Hunzinger (1915 – 2009) mit einer Bronzetafel am Freizeitforum Marzahn; dort wo ihre drei Skulpturen „Die Geschlagene“, “Die sich Aufrichtende“ und „Der sich Befreiende“ stehen. Die Tafel wurde von Ulrike Böhm geschaffen.
Kulturstadträtin Juliane Witt begrüßte die Teilnehmer_innen der Platteneinweihung sehr herzlich und erinnerte an den 100. Geburtstag der Künstlerin im Februar 2015, als bei einer Ehrung an gleicher Stelle das Versprechen abgegeben wurde, diese drei Skulpturen mit einer Bronzeplatte zu kennzeichnen und so der Anonymität zu entreißen.
Der Vorsitzende unseres Vereins Dr. Heinrich Niemann zeigte sich angetan von der nun gekennzeichneten Gruppe. Ingeborg Hunzinger habe neben ihren herausragenden großen Skulpturen gerade für die künstlerische Ausgestaltung der Großsiedlung Marzahn konzeptionell Großartiges geleistet. Der Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. kann mit der Skulptur „Die Sinnende“ von 1980 im Schlosspark Biesdorf auf das erste Kunstwerk Ingeborg Hunzingers in unserem Bezirk verweisen. Dr. Niemann würdigte abschließend die politische Überzeugung der Künstlerin, die sie nie weggeworfen habe.
Neben der Kulturverwaltung und unserem Verein hatte der Heimatverein Marzahn-Hellersdorf als dritter Aktivist die Bronzetafel auf den Weg gebracht. Die Vizevorsitzende Dr. Christa Hübner und als Gast der Vorsitzende des Köpenicker Heimatvereins Stefan Förster ergriffen gemeinsam das Wort. Dabei hob Stefan Förster hervor, dass seit dem gestrigen 19. Juli 2015 die bisherige Straße nach Fichtenau (zwischen Fürstenwalder Damm und S-Bahnhof Rahnsdorf) nun den Namen Ingeborg-Hunzinger-Straße trage. Das Wohn- und Arbeitshaus der Künstlerin habe nur 50 Meter von dieser Straße entfernt gelegen, wo sie auch ihren Hund ausführte. Förster erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass eine Reihe von Kunstwerken aus den 1970er und 1980er Jahren nun besonderer Pflege bedürften, insbesondere die Arbeiten aus Sandstein. Sie dürften dem kollektiven Gedächtnis nicht entfallen.
Kulturamtsleiterin Christina Dreger und die Kulturstadträtin Juliane Witt griffen diesen Gedanken zum Schluss auf und verwiesen auf Anstrengungen und laufende Projekte. Gemeinsam legten die drei Bronzeplatten-Aktivisten dann Blumensträuße nieder und stellten sich einem Pressefoto. Die Anwesenden applaudierten herzlich.
Dr. Heinrich Niemann, Kulturstadträtin Juliane Witt, Stefan Förster und Dr. Christa Hübner (v.l.)
Dem großen Berliner Maler Otto Nagel widmete Wolfgang Brauer, Historiker und Vorsitzender des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf, im Stadtteilzentrum Biesdorf am 22. April einen Vortrag. Seit etlicher Zeit leistet der „Halbtags-Parlamentarier“ (Eigenbezeichnung) anregende Kulturarbeit im Bezirk, vor allem in seinem Wahlkreis Marzahn-NordWest und Marzahn-Ost.
Brauer nannte Otto Nagel in einem Atemzug mit Otto Dix und Hans Baluschek sowie als Künstler in der Folge von Adolph Menzel und Heinrich Zille. Er hatte damit Pflöcke eingeschlagen. Dix und Baluschek, beide kamen aus der Dresdner bzw. Berliner Secession, hatte die Erfahrung des 1. Weltkrieges geprägt. Beide waren als Kriegsfreiwillige eingezogen, mussten aber im Kriegsverlauf die tragische Erfahrung machen, dass Krieg einsames Sterben einerseits und verlogene Heldenverehrung in der Heimat andererseits bedeutet. Mit unerbittlicher Härte zeigt Dix den Krieg, dessen Realismus auf der Bedingung beruhte: ich kann nur malen, was ich selbst gesehen habe. Baluscheks Kunst hingegen rechnet nach dem Krieg nicht ab, sie orientiert sich neu. Baluschek wird Sozialdemokrat, er setzt sich für städtische Bildung und soziale Projekte ein. Er zeichnet Berlin und die Ausgestoßenen der Stadt, dabei vermeidet er Öl – „Mir war die Ölfarbe für diesen Zweck zu satt und zu speckig; außerdem gestattet sie mir bei den verhältnismäßig kleinen Formaten nicht den scharfen Ausdruck der Gesichtslinien meiner Figuren und gewisse Einzelheiten, wie der gespitzte Stift, mit dem ich farbig zeichnen konnte.“
Otto Dix, Lens wird mit Bomben belegt. 1924
Otto Dix, Der Streichholzhändler II.
Hans Baluschek, Regen
Hans Baluschek, Sommerfest in der Laubenkolonie
Otto Nagel, drei Jahre später als Dix 1894 geboren, war als Arbeiterjunge aus dem Wedding von Anfang an Kriegsgegner und verweigerte sich dem Dienst. Trotzdem musste er kurzzeitig in den Krieg, war dann 1917/18 als Kriegsdienstverweigerer strafgefangen in der Nähe von Köln. Er nahm dort als Arbeiter- und Soldatenrat an der Novemberrevolution teil, bevor er nach Berlin und zu seiner Familie zurückkehrte.
Nagel war im wesentlichen Autodidakt. Er hatte eine Glasmalerei-Ausbildung begonnen. Künstlerisch orientierte er sich an Heinrich Zille, den er, wie Brauer formulierte, „demütig“ respektierte. Aber auch Zille schätzte die künstlerische Entwicklung des jungen Nagel. Während Nagel die soziale Realität so hart und genau wie möglich abbilden wollte, hatte es Zille geschafft, auch vom bürgerlichen Feuilleton respektiert zu werden. Seine Zeichnungen waren nicht geschönt, aber die schlagfertigen berlinischen Kommentare nahmen der Armut die Einsamkeit und den dunklen Schatten, in denen die Menschen lebten. Nagel schätzte den Reichtum an Details in den Zeichnungen von Zille, worin er ihm nacheiferte. Hier zwei Arbeiten aus den 1920er Jahren zum Vergleich:
Otto Nagel, Parkbank vor dem Altersheim. 1927
Heinrich Zille, Hindenburg kommt. 1925
Zille konservierte mit seinen Einkünften jedoch kein großbürgerliches Leben, sondern unterstützte wertvolle künstlerische Projekte und half bedürftigen Künstlerkollegen. Ein großes Projekt, das noch heute Respekt findet und in der deutschen Filmgeschichte einen festen Platz hat ist der Film „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ aus dem Jahre 1929. Zum Stab dieses Films gehörten Künstlerpersönlichkeiten, die im Who is who der proletarisch-revolutionären Kunst stehen: Angeregt hatte den Film Zille selbst, der den Filmdreh nicht mehr miterlebte. Am Drehbuch wirkten dann Otto Nagel, Willi Döll und Jan Fethke mit. Die selbst komponierte Musik dirigierte der damals 35 Jahre alte Paul Dessau original im Erstaufführungskino Alhambra am Kurfürstendamm ein, wo er als Orchesterleiter engagiert war. Auch Käthe Kollwitz unterstützte die Regiearbeit aktiv. Regisseur war Phil (Philipp) oder Piel Jutzi, er drehte später auch „Kuhle Wampe“. Ein Darsteller im Film (der Schlafbursche) war der später in der DDR sehr beliebte Gerhard Bienert. Der Film wurde vertrieben von der Prometheus Film, bei der der legendäre Willi Münzenberg die Fäden zog.
Einen Tag nach der Uraufführung am 29. Dezember 1929 hatte Otto Nagel einen Beitrag in der Zeitung „Die Welt“ veröffentlicht. Wir wollen einige Passagen davon publizieren.
„Der neue Zille-Film der ‚Prometheus’ wird heute unter dem Protektorat von Käthe Kollwitz und Hans Baluschek in den Alhambra-Lichtspielen (am Kurfürstendamm, Ecke Wilmersdorfer Straße) uraufgeführt. Zum erstenmal hat hier eine Gruppe proletarischer Filmleute die Möglichkeit gehabt, einen Film zu drehen. Es ist selbstverständlich, daß [in] diesem Film, falls er dem verstorbenen Heinrich Zille gerecht werden sollte, sein Milljöh, seine Typen unverfälscht dargestellt werden mußten.
In den proletarischen Elendsbezirken, vor allem am Wedding, fand Zille seine Motive, hier leben die Menschen, die er in seinen Bildern dargestellt hat. Was lag also näher, als dorthin zu gehen und in den Wohnungen, Kneipen, auf den Höfen, Rummelplätzen, Straßen, Lumpenstampen die Aufnahmen zu machen und die originalen Zille-Menschen mitspielen zu lassen.
Manche Aufnahme, die jetzt im fertigen Film nur sekundenlang als Bild erscheint, hat tagelange, mühevolle Arbeit gekostet. Besondere Geduld und Ausdauer erforderten die Aufnahmen der mitwirkenden Typen. Alle diese Menschen, die ihr Leben lang noch niemals vor der Kamera gestanden hatten, waren wie umgewandelt, wenn sie sich vor dem Apparat bewegten. Sofort verloren sie ihre Natürlichkeit, auf die wir es ja abgesehen hatten. Sie fingen an zu spielen, mit den Händen zu reden – und es dauerte manchmal Stunden, bis sie wieder sie selbst waren.
Bei einer Aufnahme musste viel getrunken werden. Jedes Mal, wenn wir drehen wollten, war das Bierglas, das voll sein musste, von dem »Darsteller« leergetrunken. Als wir noch lange nicht fertig waren, lag unser Mann schon unter dem Tisch. Wir mussten erst ein paar Stunden warten, bis er wieder nüchtern und »aufnahmefähig« war.
Viel leichter waren die Aufnahmen, die wir mit (oftmals tausenden) Arbeitern machten. Eine Demonstration wurde gedreht. Rote Farbe kommt im Film schwarz. Um den Ton des Rot richtig zu erhalten, wäre es gut gewesen, grüne Fahnen zu nehmen. Unsere Demonstranten – echte Weddinger Proleten – lehnten ab, unter grünen Fahnen zu marschieren. Wir mussten uns schon bequemen, eine andere Lösung zu finden.“
Filmplakat von Käthe Kollwitz
Es gibt eine Episode in Nagels Leben, die kaum Beachtung findet. Am 30. Januar 1933 wird er zum Vorsitzenden des Reichsverbandes Bildender Künstler in Deutschland gewählt. Einen Tag später wird die Wahl von den Nazis annulliert. Nun wird Otto Nagel schnell ausgegrenzt. Er erhält Atelierverbot und musste hinaus auf die Straße – dort zeichnen und malen. 1937 wurde ein Teil seiner Arbeiten als „entartet“ konfisziert und partiell verkauft. Zudem kam der Maler kurzzeitig ins KZ Sachsenhausen. Die Zeit bis 1945 war für Nagel extrem von Existenz- und Verfolgungsangst geprägt. Dennoch hat er in dieser Zeit 400 Arbeiten, vor allem Pastelle und Gemälde vom Wedding und dem alten Berlin geschaffen, die ihn als Berliner Maler charakterisieren. Das ist die größte Werksdichte in seiner Künstlerbiografie.
Otto Nagel, Friedrichsgracht. 1942
Nach der Befreiung vom Faschismus stellt sich Otto Nagel der neuen Ordnung selbstverständlich zur Verfügung. Er bekleidet eine Reihe von Funktionen in künstlerischen Verbänden. So ist er Mitbegründer des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands und 1950 Gründungsmitglied des Verbandes bildender Künstler Deutschlands und der Deutschen Akademie der Künste. Er ist Vizepräsident der Akademie der Künste und Volkskammerabgeordneter. Er gerät selbst immer wieder in ideologisch überformte Kunstdebatten, insbesondere die Formalismus-Debatte. Otto Nagel bereiteten diese politsch motivierten Debatten künstlerisch den Garaus. Insbesondere der Kulturpolitiker Alexander Abusch trieb ihn an den Rand des Malverbotes. Das hatte er zuletzt nach 1933 erleben müssen. Wolfgang Brauer hebt dagegen hervor, dass Nagels Verdienste in dieser Zeit vor allem durch ein umfangreiches Meisterschüler-Programm begründet seien – eine Erfahrung, die Nagel selber vermissen musste und die er nun bewusst schuf. Nagel war in dieser Zeit leer und ausgebrannt. Ein Selbstporträt zeigt das genau.
Otto Nagel, Der alte Maler. 1963
1952 zog Otto Nagel mit seiner Familie nach Biesdorf, wo er 1967 verstarb. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde.
Otto Nagel war ein großer Mal-Chronist des alten Berlin. Er liebte den Fischerkiez, den er in den letzten Lebensjahren noch pastellierte und malte. Für den Neubau in industrieller Bauweise mochte er sich nicht erwärmen. So stehen auf dem Bild „Am Köllnischen Fischmarkt“ von 1965 die alten und die nicht die neuen Häuser im Mittelpunkt:
Otto Nagel, Am Köllnischen Fischmarkt. 1965
Sicherlich ist Otto Nagel, da waren sich Wolfgang Brauer und die Gäste einig, der bedeutendste bildende Künstler, der je auf dem Territorium unseres jetzigen Bezirkes Marzahn-Hellersdorf gelebt hat. Vor exakt drei Jahren, im Frühsommer 2012, fand im Stadtteilzentrum Schloss Biesdorf eine Ausstellung mit Werken Nagels statt, die das Archiv der Akademie der Künste Berlin mit großzügiger Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung kuratiert hatte. Die Ausstellung fand große Beachtung. Im Ausstellungskatalog „Orte – Menschen“ hatten Kulturstadträtin Juliane Witt und der Archivleiter der Akademie der Künste Wolfgang Trautwein im Vorwort gemeinsam formuliert:
„Die jetzt präsentierte Otto-Nagel-Ausstellung unterstreicht auch das Angebot der Akademie der Künste, die Bilder dem künftigen Kunstort im Ensemble Schloss Biesdorf zur Verfügung zu stellen. Uns allen wird es eine große Freude sein, einigen Werken nach der Neueröffnung … wieder zu begegnen. Otto Nagels Werke bleiben in Biesdorf. Sie halten mit diesem Katalog auch ein Stück Vorfreude in den Händen!“
Katalog der Ausstellung im Schloss Biesdorf 2012
Otto Nagel, Selbstbildnis
(Axel Matthies)
Den Vortrag in der Reihe zum Wiederaufbau des Schlosses Biesdorf am 13. April hatte der Kunstwissenschaftler Martin Schönfeld unter den spektakulären Titel „Vom Ende der Ideologie zum Triumph der Kunst“ gestellt. Er schloss sich mit dieser Sichtweise anderen, meist jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an, die sich in den letzten Jahren von der dominanten kulturpolitischen Sichtweise („Staatskunst“) verabschiedet haben und nun eine ikonografische Betrachtung der Kunstwerke bevorzugen – so wie es in der Kunstkritik gebräuchlich ist. Wir werden über diese Versuche berichten. Gegenstand seiner Analyse waren Kunstwerke im gebauten Raum von Marzahn-Hellersdorf.
Konzeptionell orientierte Martin Schönfeld sich nach dem „Ende der Ideologie“ an den ikonografischen Begriffen
Formgebung
Abstraktion
Gesellschaftskritik und
Subversion.
Für seine Interpretation hatte er überwiegend bekannte, noch heute im Stadtraum vorhandene Kunstwerke ausgewählt.
Zentrale Kunstwerke
Zunächst ging er auf zentral installierte Kunstwerke in der Marzahner Promenade ein: die Wandbilder Walter Womackas, das Bauarbeiter-Denkmal von Hillert/Möpert und die dreigliedrige Plastikgruppe von Ingeborg Hunzinger am Freizeit-Forum Marzahn. Martin Schönfeld erinnerte daran, dass für die Kunstwerke im komplexen Wohnungsbau vor allem Künstler beteiligt werden sollten, die nicht unbedingt im Mittelpunkt standen – also auch staatliche Aufträge für einen finanziell gesicherten Lebensabschnitt erhalten sollten. Ebenso war vereinbart, die Landschaft in den Mittelpunkt zu stellen, dazu die Orientierung in den Siedlungen mit geeigneten Stadtmöbeln in den Fokus zu nehmen und schließlich bildende Kunst insbesondere am Bau zu installieren.
Walter Womacka hatte 1964 den Fries für das Haus des Lehrers am neu gestalteten Alexanderplatz geliefert. Dessen Dimension von 130 mal 7 Meter war gigantisch und erinnerte an große Werke der mexikanischen Revolutionsmalerei.
Interessant: die Beschreibung der Fries-Produktion
In Mexiko, wo der „Muralismo“ (bedeutet Wandmalerei, hat nichts mit Moral zu tun) zu Hause war und Orozco, Rivera und Siqueiros eine Reihe berühmter Wandgemälde geschaffen hatten, kannte man bald diese Arbeit. In der Folge realisierte Womacka in einer Reihe anderer Städte, z.B. Halle-Neustadt und Eisenhüttenstadt, ähnliche gigantische Projekte. So bekam am Ende auch Berlin-Marzahn zwei Giebelbilder: „Arbeit für das Glück des Menschen“ und „Frieden“. Neben dem ikonografischen Wert erinnerte Martin Schönfeld auch an die enorm aufwändige Produktion dieser beiden Wandbilder im VEB Stuck und Naturstein. Beide Giebelbilder verschlangen wohl eine mittlere sechsstellige Summe in Mark der DDR.
Walter Womacka, Arbeit für das Glück des Menschen, 1989
Diego Rivera, Der Mensch am Scheideweg/Der Mensch kontrolliert das Universum, 1934
Die „Bauarbeiter“ von Karl Hillert und Karl-Günter Möpert sind schon öfter, auch hier, interpretiert worden. Standen sie ursprünglich am Anfang der Marzahner Promenade, am damaligen Warenhaus, sind sie nun in das Zentrum der Marzahner Promenade gerückt und fühlen sich da wohl. Wie sie da cool das Markttreiben über sich ergehen lassen, passt ganz zu ihrer Haltung. Martin Schönfeld sieht in der Arbeit eine Nähe zu Alberto Giacometti, einem Schweizer Künstler. Giacometti kam von der Malerei zur Bildhauerei. Den Bildhauer habe nicht das Volumen und auch nicht die Ausformung der einzelnen Partien interessiert, so ein Kritiker. Die Figur habe er auf ihre entfernte Erscheinung, auf ihre Haltung und Bewegung reduziert. Eine Nähe zwischen Giacometti und Hillert/Möpert ist jedenfalls erkennbar.
Alberto Giacometti, Eli Lotar III Alberto Giacometti, Walking Man
Schließlich erinnerte Martin Schönfeld an die Aufstellung der Figurengruppe „Denkmal für Kommunisten und antifaschistische Widerstandskämpfer“ von Ingeborg Hunzinger im Jahr 1991. In jener Zeit war Kommunist ein Unwort und die Bilderstürmerei gerade auf dem Höhepunkt. Die Bildhauerin argumentierte hingegen, sie habe nicht ein übliches Antifa-Denkmal errichten wollen, sondern eine Metapher schaffen für alle Menschen, die seit Jahrtausenden leiden und unterdrückt werden. Mit dieser Argumentation konnte sie sich durchsetzen. So steht dieses starke Kunstwerk heute in zentraler Position am Freizeitforum. Im Sommer dieses Jahres wird auf Initiative unseres Vereins eine eingelassene Platte an diese große Künstlerin erinnern.
Im Folgenden rief Martin Schönfeld verschiedene Künstler_innen auf, an denen er die Einbettung der Kunst im komplexen Wohnungsbau in die internationale Kunst deutlich machte.
Formgebung
Für Formgebung steht Gertraude Pohl. Die Künstlerin (*1940) hat insgesamt sieben Eingängen an Kinderkombinationen ein Gesicht gegeben. Dies war damals sehr wichtig, denn Kinderkombinationen sahen im gleichen Wohngebiet im Prinzip identisch aus. So war der individuelle Eingang sehr wichtig, damit Kinder und Eltern ihre Kiko erkannten.
Die Künstlerin arbeitete dabei überwiegend mit Betonformsteinen, die im VEB Werkstein Müggelheim in sehr individuellen Formen hergestellt wurden und von der Künstlerin dann zu Bildnissen zusammengesetzt wurden. Auch der ehemalige VEB Stern-Radio erhielt von der Künstlerin eine künstlerische Emaille-Ausgestaltung.
Gertraude Pohl, Kinderkombination
Gertraude Pohl, Eingang am ehemaligen VEB Stern-Radio
Martin Schönfeld sieht bei der Künstlerin eine Nähe zur Popart. Popart wird häufig als Reaktion auf eine betont intellektuelle abstrakte Kunst charakterisiert, die sich dem Trivialen zuwendet. Der Popkünstler fordert die absolute Realität, das heißt, dass alle Elemente rein, klar definierbare Gegenstands-Elemente sein müssen. Oft sind die dargestellten Gegenstände wie in einem Plakat ohne Tiefe, also flächig gestaltet. Banale Gegenstände des Alltags werden isoliert und entweder allein oder in Collagen verfremdet und verarbeitet.
Beispiele aus der Popart
Gertraude Pohl selbst bezeichnet diesen Teil ihrer Kunst als Farbdesign.
Abstraktion
Für Abstraktion stehen die Künstler Siegfried Schütze/Bernd Martin, die die Erstgestaltung des heutigen Jugendklubs „Wurzel“ an der Dessauer Straße realisierten. Von dieser Erstgestaltung stehen uns keine Fotos zur Verfügung. Die Gestaltung orientierte sich am Bauhaus Dessau. Die Außenwände des Flachbaus wurden mit abstrakten Farbformvariationen in den Primärfarben Gelb, Rot und Blau gestaltet. Farbliche Abstufungen schufen räumlich wirkende Farbfelder, die von diagonalen oder geschwungenen Formen durchschnitten wurden. Anstelle der Originalarbeit zeigen wir zwei Bauhaus-Arbeiten.
Joseph Albers, Aufwärts. Plakat
Franz Ehrlich, Architekturentwurf mit Wandgestaltung. Poster
Die Originalgestaltung verschwand bei der ersten Sanierung des Jugendklubs. Nach meiner Erinnerung war sie nicht übermäßig beliebt. Sie war den meisten Jugendlichen zu dunkel.
Gesellschaftskritik
Unter Gesellschaftskritik subsummierte Martin Schönfeld die fünfköpfige Figurengruppe von Rolf Biebl (*1951) am Helene-Weigel-Platz, den „Brunnen der Generationen“. Zumindest war es eine schroffe Anmutung für die Anwohner. Aber die Aufstellung im Jahre 1990 war kein Erdbeben mehr. Keine Presse beurteilte die Figuren, die Menschen waren bereits mit anderen Fragen und Problemen konfrontiert. Diese Kunst erschien schon eher als ein Bote der neuen Zeit.
Rolf Biebl, Brunnen der Generationen. Familie und Alter
Rolf Biebl, Brunnen der Generationen. Motorrad und enteilender Fahrer
Inzwischen ist die Gruppe auf dem Platz und bei den Menschen angekommen. Kinder spielen unbefangen vor allem mit dem Motorrad. Schönfeld sieht Biebls Gestalten: Familie, dahinter ein älterer, erfahrener Mann sowie Biker mit Motorrad in der Linie des Verismus. Verismus (ital.: verismo=der Wahrheit verpflichtet) ist im deutschsprachigen Raum als Neue Sachlichkeit bekannt. Eine Kunstrichtung, die nach dem 1. Weltkrieg vor allem aus dem Expressionismus kommend eine einzigartige Anklage der Kriegsgräuel war und sich dann als spezifische sozialkritische, detailgenaue und dingliche Darstellung ohne Sentimentalitäten profilierte. Zu den großen Vertretern zählen Otto Dix und George Grosz, sodann Franz Radziwill, Richard Oelze und Carl Grossberg.
Otto Dix, Flandern
Kurt Querner, Demonstration
Biebl war seit seinem Studium an der Kunsthochschule in Weißensee mit Clemens Gröszer und Harald K. Schulze befreundet. Später gründeten sie mit ein wenig Gedöns die Künstlergruppe Neon Real. „Die Drei sahen sich von Anfang an außerstande, vom Menschenbild abzusehen. Aber so ganz anders, als irgendeine ideologische Doktrin es vorschrieb, eher als lustvolle, virtuose Provokation“ , formulierte die Kunstkritikerin Ingeborg Ruthe. Und weiter zu Biebl: „Er belädt seine Bronzen, Gipse, Steine, Holzskulpturen mit all den Verformungen, die einem widerfahren können. Es sind Wesen, wie von der Last der Vergangenheit und der Gegenwart, von Anpassungszwängen und Resignation oder aggressiver Wut bedrückt und verformt.“
Martin Schönfeld interpretierte die Gruppe am Helene-Weigel-Platz als eine nach dem Wert des Lebens in der modernen Gesellschaft fragende, die im Kontrast zum Ideal der glücklichen Familien stehe.
Von Rolf Biebl gibt es in Berlin u.a. noch zwei recht bekannte Skulpturen.
Rolf Biebl, Rosa Luxemburg. Am nd-Gebäude Friedrichshain
Rolf Biebl, Der Schreitende. U Vinetastraße
Subversion
Subversion bedeutet wörtlich Umsturz, Zerstörung und ist von der etymologischen Bedeutung her verzahnt mit der Zerstörung einer staatlichen Ordnung. Den Begriff der Subversion wollte Martin Schönfeld schon verwenden bei der Bewertung der Gestaltung der Eingänge einer Kinderkombination am Parsteiner Ring in Marzahn Ost durch Mark Lammert (*1960). Lammert galt als hochtalentierter Student in Weißensee und lieferte seine Arbeit 1985 ab, also im Alter von 25 Jahren. Titel seiner Gestaltung ist „Zirkus“. Er malte aber nicht den bunten, prallen und lustigen Zirkus sondern den des traurigen Clowns. Seine Gestaltung, so Schönfeld, sei in ausdrucksstarken Formen und gebrochenen Farbtönen erfolgt. Seine Bilder seien voll von politischen Anspielungen. Proteste wurden schnell erhoben. So schrieb die Leiterin der Kinderkombination auch im Namen der Eltern, dass diese Ausgestaltung „grau“ und mit „verzerrten Gesichtern“ sei und den Kindern nicht gut tue. Es kam allerdings zu keiner Bilderstürmerei. Die Bilder blieben bis 1990, sollen dann allerdings sehr schnell übermalt worden sein. Wir können diese Bilder leider nicht zeigen.
Mark Lammert ist heute ein anerkannter Künstler. Er ist Professor für Malen und Zeichnen an der Universität der Künste. Er hat für Heiner Müller und Dimiter Gotscheff Szenenbilder geschaffen. Er ist Träger des Käthe-Kollwitz-Preises der Akademie der Künste. Seine Kunst ist anerkannt und in Galerien präsent.
Im Nachhinein würde ich diese Arbeit und eine weitere aus dem Jahre 1987 an einer Kinderkombination in der Mehrower Allee als „Thema verfehlt“ einstufen. Möglicherweise hat sich ein wichtiger Lehrer Lammerts, Professor Heinrich Tessmer, für den jungen Künstler stark gemacht. Tessmer ist selbst mit Kunstwerken in Marzahn vertreten. Möglicherweise sollte die Kunst am Bau dem Trend der Zeit entsprechend anspruchsvoller, künstlerischer, internationaler werden. Jedenfalls ist die Kunst Lammerts, das ist meine feste Überzeugung, für eine Zielgruppe von bis zu Sechsjährigen zu anspruchsvoll. Kinder verstehen das nicht und werden verunsichert. Die Kinder in Marzahn Ost wurden keine Umstürzler.
Wir wollen noch zwei Arbeiten von Lammert zeigen.
Mark Lammert, Ohne Titel
Mark Lammert, Ausstellung2
Der Vortrag von Martin Schönfeld war komplex und anspruchsvoll. Er hatte auch mehr Zuhörer verdient. Wir hoffen, mit diesem Bericht nachhelfen zu können. Schönfeld konnte zeigen, was wir auch schon in früheren Beiträgen angedeutet haben: in den 1980er Jahren, insbesondere ab der Mitte dieses Jahrzehnts, gibt es einen gewaltigen Ruck in der bildenden Kunst der DDR. Der Kanon von Arbeit, Glück und Zukunft wird abgeklopft, so wie es Biebl mit seinen Freunden versucht hat. „Wir wollten Aufmerksamkeit! Grelle Bildschärfe gegen die ganze Langeweile. Attacke, Überschärfe, Großstadtgefühl.“ Und Freund Harald K. Schulze setzt die bemerkenswerten Sätze hinzu: „„Wir hatten keine Theorien, aber das Gefühl, gemeinsam stark zu sein. Wir waren so unbekümmert und es gab immer ältere, erfahrene Künstler, Lehrer, die uns schützten. Wir konnten auf den Putz hauen, ohne dass wir gleich in den Keller mussten.“ Bei ihm hieß der Schützende Walter Womacka. Für Gröszer und Biebl waren es die Akademiemeister Wieland Förster, Werner Stötzer, Ludwig Engelhardt. Keinem von Neon Real wäre es eingefallen, in den Westen zu gehen.
Diese Tendenz, das ist nicht unbedingt vielen klar, setzte sich punktuell auch in der Kunst im komplexen Wohnungsbau durch. Es gibt durchaus späte anspruchsvolle Kunstwerke, die immer noch auf Wiesen und in Parks stehen. Wer Zeit und Muße hat, sollte mit dem gelben Kunstführer „Kunst in der Großsiedlung“ unter dem Arm nun bei Sonnenschein selbst noch einmal hinausgehen und nachforschen.
(Axel Matthies)
Wahrscheinlich war es die letzte Gelegenheit, das Schloss zu besichtigen, bevor es zum Tag des Offenen Denkmals am 13.September in Teilen der Öffentlichkeit zugänglich wird. 30 interessierte Vertreter_innen aus Kommunalpolitik und Bürgergesellschaft lauschten am 24. April gebannt den erklärenden Worten von Alexander Pechmann, dem Geschäftsführer der ausführenden Ingenieurgesellschaft PMS Gebäudeplanung und Projektsteuerung.
Die interessierten Besucher, vorn rechts Alexander Pechmann
Passage durch die neue Eingangstür
„Teile des Schlosses waren ohne Fundamente, Decken und Fußböden wurden getragen von Bohlen aus Metall und Holz, die dieser Belastung eigentlich nicht standhalten konnten, aber im Laufe der Jahre hatte sich alles irgendwie selbst stabilisiert wie bei einem Jenga-Spiel. Unsere Herausforderung war es, nicht am falschen Balken zu ziehen.“
Den Fundstücken, die während der gesamten Bauzeit ans Tageslicht kamen und wie eine Zeitreise die unterschiedliche Nutzung dokumentieren, könnte man eine eigene Veranstaltung widmen. Von Scherben des Kaffeeservices über Ringe der Gardinenstange bis hin zum Stahlhelm und der Zeitung „Völkischer Beobachter“, allein diese Dinge zeugen von der spannenden Geschichte des Schlosses.
Das Dach ist geschlossen, die Elektrik fertig, die Putz- und Stuckarbeiten in vollem Gang. Der Fußboden ist fast komplett verlegt, die Heizungsverkleidungen, die Türen und Zargen sowie die Fensterrahmen liegen bereit. Die Räumlichkeiten nehmen Gestalt an, so dass die Vision über die zukünftige vielseitige Nutzung der Realität weicht.
Großer Galeriesaal mit Belüftungsschlitzen
Wieder hergestellte Galerie (Südseite)
Was für ein beeindruckendes Haus: die Orientierung an den ursprünglichen Grundrissen der Innenräume sowie der Marmorfußbodenbelag im Foyer des Erdgeschosses, der erhaltene Kronleuchter im zukünftigen Café verschmelzen mit hochmodernen Elementen wie der Beleuchtung in den Galerieräumen, dem beidseitig begehbaren Fahrstuhl, der Technik zur Vermeidung von Einbrüchen, der Klimatisierung der Galerieräume.
Im Zentrum befindet sich das Oktagon, das sich bis ins Dach erstreckt und durch die sogenannte Laterne (einem Aufsatz, der Tageslicht herein lässt) die Lichtkuppel bildet. Diese Laterne ist fertig und wartet in Sachsen auf ihren Transport, weil für ihre Überbreite von 4,5 cm über das Standardmaß von Schwertransporten Genehmigungen aus drei Bundesländern erforderlich sind; manchmal kommen eben unvorhersehbare Herausforderungen für die Bauleitung hinzu.
Oktagon Turm
Über der Galerieetage befinden sich nun zusätzlich Lager- sowie Räume für das Personal, welches ebenso im Untergeschoss verschiedene Büros nutzen kann. Hier befindet sich auch die Küche für den Betrieb des Cafés.
Nicht zuletzt soll auch ein Kreativraum für Kinder erwähnt werden, der wieder hergestellt worden ist, wie es ihn bereits schon mal gab.
Was ist nicht alles zu berücksichtigen zwischen Denkmalschutz und Bestandserhaltung auf der einen und dem Anspruch, den vorgeschriebenen Bedingungen bezüglich Umweltschutz, Energieverbrauch, mobilitätseingeschränkten Besuchern auf der anderen Seite gerecht zu werden.
Egal, ob das Schloss den Besuchern bezüglich seiner früheren Nutzung bekannt oder es der erste hautnahe Kontakt war, positiv beeindruckt waren alle und können die Teilöffnung fürs Publikum zum Tag des offenen Denkmals am 13.09.2015 kaum erwarten. Bauüberwacher Alexander Pechmann weiß aber auch, dass er in den verbleibenden drei Monaten noch mächtig klotzen muss: „Die letzten 5% am Bau darf man nie unterschätzen.“
Und nie verrechnet
Sichtlich zufrieden: unser Vorstandsvorsitzender Dr. Niemann
(Katrin Freitag)
Je näher die Eröffnung des Bilderschlosses rückt, desto vehementer steigt das Interesse an den Details. So waren zum Vortrag am 9. Februar 37 Besucherinnen und Besucher gekommen, um der Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke) bei der Vorstellung erster Überlegungen zum künftigen Betreiberkonzept zu folgen.
Frau Witt hielt einen sehr engagierten, leidenschaftlichen Vortrag. Sie erinnerte eingangs an die Schwierigkeiten, die sich mit der Entkernung und der Feststellung der hinfälligen Bausubstanz ergeben hatten. Dadurch seien Zeitverzüge, aber auch zusätzliche Finanzaufwendungen entstanden. Beides konnte bereinigt werden: die Bauabläufe wurden beschleunigt, der Bezirk hat 1,5 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt. Frau Witt dankte ausdrücklich den Bauüberwachern und Handwerkern für ihr ehrgeiziges Werken. Sie legte sich auf die künftigen Ecktermine fest:
- Am 31.7.2015 wird der Innenausbau des wiederaufgebauten Schlosses fertig.
- Am 31.7.2016 wird die komplette Außenhaut des Schlosses fertig sowie der renovierte Schlosspark. Das Bilderschloss Biesdorf wird dann Anfang 2017 zur IGA 2017 offiziell eröffnet.
Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf wird dem künftigen Betreiber ein Konzept, eine Liste von wichtigen Themen und Aufgaben, vorgeben. Die detaillierte Umsetzung erledigt der Betreiber selbst. Nach jetzigem Stand wird die Grün Berlin GmbH das Bilderschloss betreiben. Gerade in den letzten Jahren ist es der Gesellschaft gelungen, die Besucherzahl in den Gärten der Welt erheblich zu steigern. Die touristischen Erfahrungen dürften auch dem Bilderschloss zu Gute kommen. Und das insbesondere in der IGA-Zeit. Nach unseren Überlegungen muss das Bilderschloss pro Jahr 30.000 bis 40.000 Besucher generieren, um wirtschaftlich gesund zu sein. Weniger Erfahrung hat die Grün Berlin mit bildender Kunst. Hier muss sie eine/n gute/n, erfahrene/n Kurator_in finden, der/die diese Seite des Geschäftes auffängt.
Kulturstadträtin Juliane Witt kam dann zu den konzeptionellen Ansprüchen. Das Bilderschloss soll ein hochqualitatives Aushängeschild für unseren Bezirk und für Biesdorf speziell werden. In ihm werden bildende Kunst, Literatur und Lesungen, Musik und Tanz sowie Seminare und Diskussionen der verschiedensten Inhalte zu erleben sein. Obwohl im Fokus zunächst Kunst aus dem Archiv in Beeskow stehen wird, soll das Schloss, so die Kulturstadträtin, ein Haus im Heutigen sein. Dafür werden drei Säle, ein Galeriecafé und Arbeitsräume im Souterrain zur Verfügung stehen. Flankierend sollen kulturelle Bildung vor allem für Schulen und Kitas sowie gartenkulturelle Angebote unterbreitet werden.
Juliane Witt sagte sehr deutlich, dass das Bilderschloss auch Platz haben wird für die Menschen vor Ort: lokale Kultur und lokale Veranstaltungen werden auch künftig hier stattfinden. Aber, und da legte sie sich fest, werde das Schloss kein soziales Stadtteilzentrum mehr sein. Dafür stehe nach wie vor das gelbe Haus in Alt-Biesdorf 15 zur Verfügung.
In der anschließenden Diskussion kamen einige sehr gewichtige Aspekte zur Sprache. So fragten mehrere Menschen nach Möglichkeiten der Nutzung des Schlosses für die Bevölkerung. So möchte etwa der Zeichenzirkel, der im alten Schloss ansässig war, zurückkehren. Auch Vereine und andere Zusammenschlüsse können sich eine Nutzung vorstellen. Hier mochte sich Frau Witt nicht festlegen. Aber sie unterstrich, dass ihre Verwaltung sehr wohl darauf achten wird, dass der Betreiber diese lokalen Forderungen berücksichtigt. Selbstverständlich möchten auch wir als Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. in „unserem“ Schloss präsent sein. Ein weiterer Punkt der Diskussion war, welche Künstler denn über das Archiv Beeskow hinaus im Bilderschloss in Ausstellungen vertreten sein sollten. Erinnert wurde an Otto Nagel, der in Biesdorf seine letzten Jahre verbrachte und hier gewürdigt werden müsste. Künstler, die zwischen Biesdorf und dem Oderbruch lebten, so ein anderer Diskutant, sollten zu diesem Kreis gehören. Eine Lehrerin aus der Johann-Strauss-Schule möchte ihren Schülerinnen und Schülern Schloss und Schlosspark nahe bringen und freut sich auf die baldige Fertigstellung. Ein Herr vermisste Parkplätze. Ihm konnte geholfen werden: am Theater am Park sind neue Stellplätze am Entstehen. Als Manko wurde angesehen, dass man beim Vorbeifahren das Schloss nicht sieht. Hier könnten grafische Eyecatcher helfen – aufmerksamkeitsfördernde Werbetafeln.
Der Abend verging im Fluge. Nach zwei Stunden waren viele Fragen angesprochen worden. Wohl alle waren der Überzeugung, dass das Betreiberkonzept weiter reifen und dass es eine gewinnbringende Kooperation geben wird. Zum Tag des offenen Denkmals am 13. September wird das Schloss seine Pforten zu einem Schnupperbesuch öffnen.
Und Frau Witt freut sich auf die ersten Bilder aus Beeskow, denn sie hat schon ein Lieblingsbild ausgemacht:
Hartmut Staake, Schönes Wochenende (1981)
(Axel Matthies)
„Junge Kunst im Auftrag“ – unter diesem Titel veröffentlichte der Zentralrat der Freien Deutschen Jungend (FDJ) im Jahre 1986 eine Dokumentation über ein Kunstprojekt. Dieses Projekt hatte zum Inhalt die „Bildkünstlerische Ausgestaltung der Jugendhochschule ‚Wilhelm Pieck‘“ am Bogensee, die von der FDJ betrieben wurde. Wie immer gab es auch einen notwendigen historischen Hintergrund: Ende Mai 1946 war am Bogensee der erste Lehrgang durchgeführt worden. Anfang der 1980er Jahre hatte der Gebäudekomplex eine grundlegende Sanierung nötig, mit dem Kunstprojekt wurden auch bauliche Maßnahmen verbunden. Der Koordinator seitens des Zentralrates war Bernd Ludewig. Derselbe hielt am 12. Januar 2015 einen Vortrag in der Reihe zur Wiedereröffnung des künftigen Bilderschlosses Biesdorf, die von der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf und unserem Verein organisiert werden.
Rahmenbedingungen des Auftrages
In einer ersten Reaktion wird man bei diesem Thema vielleicht nostalgische Reminiszenzen an vergangene Zeiten gewärtigen. Dieser Verführung entging Bernd Ludewig: er hielt sich an die Fakten. Angesprochen wurden vom Zentralrat bezüglich der Projektrealisierung sieben Hoch- und Fachkunstschulen der DDR: die Hochschule der Bildenden Künste Dresden, die Kunsthochschule Berlin-Weißensee, die Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, die Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig, die Fachschule für angewandte Kunst Schneeberg und die Fachschule für angewandte Kunst Heiligendamm. Mehr als 100 Diplomanden, Aspiranten und jüngere Mitarbeiter_innen – Maler, Bildhauer, Graphiker, Keramiker, Innenarchitekten, Gebrauchsgraphiker, Fotografen, Textil-, Metall-, Email- und Holzgestalter – bewarben sich um einen Auftrag. Die Auswahl und Reduzierung auf ca. 70 Teilnehmer_innen trafen letztlich ausschließlich die Hoch- und Fachschulen. Diesem Findungsprozess schlossen sich Verträge an – einen konkreten zwischen dem Zentralrat der FDJ und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee dokumentieren wir hier gewissermaßen idealtypisch für Auftragskunst in der DDR. Die Unterzeichneten sind Persönlichkeiten der damaligen Zeitgeschichte.
Hinzu traten politisch-ideologische Erwartungen seitens des Auftraggebers. So hieß es in der Projektausschreibung:
“Die Jugendhochschule ‘Wilhelm Pieck’ wird bis 1985 umfassend rekonstruiert und erweitert. Gleichlaufend dazu wird sie […] bildkünstlerisch ausgestaltet. Der Einsatz von Kunstwerken und die Realisierung einer einheitlichen Gestaltungskonzeption hat zum Ziel, die Erziehung standhafter, der Partei ergebener Funktionäre der FDJ sowie die Vertreter ausländischer Jugendorganisationen zu unterstützen und ihr ästhetisches Empfinden zu schulen. Ziel ist, die bildkünstlerische Ausgestaltung bis zum 22. Mai 1986, dem 40. Jahrestag der Schule, abzuschließen.”
Das besondere Augenmerk lag auf der Gestaltung des Innenhofes, während man in anderen Bereichen eher großzügig verfuhr: “In den Bereich des Appellplatzes sind Standort und Form der Wilhelm-Pieck-Ehrung so zu erarbeiten, dass eine spannungsvolle Gesamtanlage entsteht.” Die Bilder, die für die Wohnhäuser, das Kulturhaus, die Schulungsräume usw. in Auftrag gegeben wurden, stellte man unter die Themen: “Revolutionäre Traditionen”, “Kommunistische Zukunft” sowie “FDJ und Gegenwart”. Anders als bei vergleichbaren Aufträgen in der frühen DDR wurden den Künstlern keine großen Einschränkungen bei der Bildfindung auferlegt. (Siehe: Jörn Schütrumpf, Zweierlei Maß. Kunst am Bogensee. In: Monika Gibas/Peer Pasternack (Hrsg.), Sozialistisch behaust & bekunstet. Hochschulen und ihre Bauten in der DDR. Leipziger Universitätsverlag 1999)
Das Motiv für eine Bewerbung lag oft weniger beim künstlerischen Auftrag als in der Hoffnung der Bewerber, vielleicht eine Auslandsreise zu ergattern oder wenigstens anständig mit Arbeitsmaterial – Farben, Pinseln, Spachteln, Meißeln usw. – versorgt zu werden. Bernd Ludewig betonte wiederholt, dass er sich überhaupt nicht als ideologischer Aufpasser sah, sondern als der Macher, der die erforderliche „materielle Basis“ für das gewaltige Projekt sicherstellt. Einige Diplomanden erklärten auch, dass es für sie sehr attraktiv gewesen wäre, drei Jahre lang an einem Thema arbeiten zu können.
Realisierung des Projektes
Betrachtet man die Ergebnisse des Auftrages, wird man sich die Augen reiben: auch mit Blick von heute sind viele der Arbeiten schlechthin anders und differenzierter als der Auftraggeber gefordert hatte. Nichtsdestotrotz wurden alle Arbeiten angenommen und gehängt bzw. aufgestellt. Das ist vielleicht ein Geheimnis der DDR-Auftragskunst überhaupt: nur eine Minderheit aller Arbeiten, die man im Kunstarchiv Beeskow besichtigen kann, folgten den politisch-ideologischen Erwartungen der Auftraggeber. Vielmehr setzten sie sich mit Themen auseinander, die in den 1980er Jahren in der DDR und weltweit auf der Tagesordnung standen: Krieg und Frieden, Menschenbild, Umwelt, Utopie und Wirklichkeit, individuelle Lebensperspektiven…
Einige Arbeitsergebnisse
Zuerst die beiden Skulpturen für den Innenhof/Appellplatz.
Claus Lindner, Völkerfreundschaft
Burghardt Draßdo, Liebespaar
Einige Gemälde für die Schulungs- und Wohnbauten.
Barbara Burck, Jugend
Kostas Sissis, Spanien 36
Andreas Schmidt, Kinder
Matthias Friedrich, Tanz
Hartmut Piniek, Familie unterwegs
Bruno Griesel, Diskussion
Neo Rauch, Die Kreuzung
In allen Diplomarbeiten ist bereits ein eigener Stil der noch jungen Künstler zu erkennen. In ihnen dominiert die Individualität. Themen wie Völkerfrieden oder das Glück der Menschen, wie sie noch in den 1960er und 1970er Jahren durchaus häufig zu besichtigen waren, fehlen jetzt. Diese Generation glaubte nicht mehr an die glückliche Zukunft, nicht an die Kraft des Kollektivs oder die Verheißung in der Arbeit. Sie glaubte an sich selbst und eine private Perspektive. Die Argumente der Alten waren verschlissen.
So sind insbesondere bei Hartmut Piniek, Bruno Griesel und Neo Rauch Themen und Gestaltungselemente zu sehen, die sie in den folgenden Jahren weiter ausformten und sie heute zu den Protagonisten der Neuen Leipziger Schule machen. Sie haben sich am Kunstmarkt durchgesetzt und können heute von ihrer Kunst leben. Das ist nicht allen Teilnehmer_innen dieses FDJ-Kunstprojektes geglückt. Wir zeigen ein paar Beispiele der drei „Leipziger“.
Hartmut Piniek
Hartmut Piniek, ohne Titel
Hartmut Piniek, Grab 805
Bruno Griesel
Bruno Griesel, Der Tag danach
Bruno Griesel, Die Ballettstunde
Neo Rauch
Neo Rauch, Etappe (Dieses Gemälde ging 2009 durch die Presse. Es wurde auf einer Auktion in Basel von dem Schauspieler Brad Pitt für 1 Million $ erworben)
Resümee
Junge Kunst aus den 1980er Jahren ist überwiegend eigen und künstlerisch plural. Hatten die älteren Künstler in den 1970er Jahren die Enge künstlerischer Arbeit unter dem Motto „Weite und Vielfalt“ aufgebrochen und überwunden, stand den Jungen nun eine künstlerische Welt offen.
Sowohl Hermann Raum (Hermann Raum, Bildende Kunst in der DDR. Die andere Moderne. Berlin 2000) als auch Lothar Lang (Lothar Lang, Malerei und Grafik in Ostdeutschland. Leipzig 2002) kennzeichnen in ihren Standardwerken die 1980er Jahre in der bildenden Kunst mit zwei wesentlichen Veränderungen:
- Erstens vollzieht sich eine Trennung von Künstlern und Verband,
- zweitens bildet sich eine informelle außerakademische Künstlerszene, die vorwiegend von jungen Leuten geprägt wird.
Raum beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Künstler und Verband bzw. Verband und Staats- und Parteiführung. Die Zeit sei vorbei gewesen, so Raum, dass Vorgaben nach Maßstab eines starren sozialistischen Realismus von der Künstlerschaft hingenommen wären. Er macht das an der vorletzten IX. Kunstausstellung 1982 in Dresden fest: „Die vollmundig aus alten Losungen montierten thematisch-ideologischen Vorgaben für die Ausstellung wurden von der großen Mehrzahl der Künstler einfach ignoriert. Und das vor über einer Million Besuchern, die, wie Soziologen ermitteln konnten, mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit und Ausdauer eine Bilderwelt betrachteten, in der ihnen vieles schwer verständlich und befremdend bleiben musste… Trotz einiger Versuche, der Schau ideologische Korsettstangen einzuziehen, wurde die Ausstellung von der bildnerischen Eigenmächtigkeit der Künstler beherrscht.“ (ebenda S. 198f.)
Hinzu kam die zunehmende Einrichtung freier Galerien, so in Berlin „Weißer Elephant“ und in Leipzig „eigen + art“, sowie die Herausgabe von Grafikmappen in privaten Pressen. „Es entstand eine Flut von Klein- und Kleinstauflagendrucken als Graphik-Lyrik-Band, als Siebdruckbuch, als Ausstellungsbegleitbuch. Kunst stand dabei nicht im Zentrum des Interesses, eher der Rausch des produktiven Machens, das Ans-Licht-Bringen neuer Gedanken und Bilder“ fasst Lang diesen Prozess zusammen (ebenda S. 218/222).
Eine Wertung einer einzelnen Ausstellung oder eines einzelnen Kunstprojektes kann natürlich immer nur im Spiegel der Gesamtentwicklung der bildenden Kunst in der DDR vorgenommen werden. Ob das Kunstprojekt am Bogensee dann als ein herausragendes Ereignis Bestand hätte, kann hier nicht bewertet werden. Es wird aber in diesem Jahr eine große Ausstellung zur jungen Kunst in der DDR in den 1980er Jahren geben, die dafür eine Folie bildet: im Museum Junge Kunst Frankfurt/O.
(Axel Matthies)
Wenn Karl-Heinz-Gärtner, der Biesdorfer Ortschronist, zu einer Veranstaltung lädt, ist zweierlei klar: noch am Folgetag verdaut der Kopf die eingesogene Datenmenge, nach einer Woche beginnt er dieselben zu sortieren und zu verarbeiten. Einen solchen geistigen Vorgang wollen wir Ihnen heute darbieten.
Zum Auftakt der neuen Vortragsserie 2014/15 zum Schloss Biesdorf hatte Karl-Heinz Gärtner am 13.10.2014 die Bewohner des Schlosses seit 1868 unter die Lupe genommen und Bekanntes und neu Recherchiertes dem interessierten Publikum vorgestellt. Dabei wurde augenfällig: im Hintergrund der frühen Bewohnerschaft laufen die Geschichte Preußens und des Kaiserreiches parallel mit. Wir wollen uns in diesem Beitrag auf die Zeit von 1868 bis 1887 beschränken. Im Dezember folgt hier ein Beitrag über die gut 30 Jahre währende Besitzung der Industriellenfamilie von Siemens.
Gut und Schloss Biesdorf als freiherrlicher Besitz
Die ersten Besitzer und Bewohner des Schlosses Biesdorf stammten aus den Adelsfamilien von Rüxleben und von Bültzingslöwen. Beide waren in Thüringen ansässig; es zog sie nach Berlin: die Hauptstadt Preußens und des späteren Kaiserreiches war in den 1860er Jahren schon einmal schwer „in“. Hintergrund waren einerseits die aufholende Industrialisierung in den deutschen Ländern mit der einhergehenden Mechanisierung und Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion, die die Agrikultur aktivierte; andererseits die herausragende Rolle Preußens bei der Vorbereitung der Reichsgründung durch die erfolgreichen Kriege gegen Dänemark und Österreich sowie 1870/71 gegen Frankreich. Dies hatte in Deutschland, zumal in Preußen, eine vaterländische Welle ausgelöst. „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin“ war schon damals eine beliebte Denkart. Dass ausgerechnet zwei Adelsfamilien aus Nordthüringen die Schlossgründer sein sollten, war eher Zufall.
Die Rüxlebens stammten aus dem gleichnamigen Dorf, nördlich unterhalb der Hainleite im Landkreis Nordhausen gelegen; ein auch Mitte des 19. Jahrhunderts eher strukturschwaches Gebiet.
Ehemaliges Gutshaus in Rüxleben
Kirche St. Maria Virginis in Rüxleben
Im Jahre 1853 kaufte Hans Bruno Freiherr von Rüxleben das Gut für 45.000 Taler. Es war in den Jahren seit 1820 immer wieder schnell von Hand zu Hand gegangen. Beim Verkauf wurde kaum Profit, aber oft Verlust erzielt. Die Böden galten als devastiert, Vieh und Stallungen als verbraucht. Es wird über die Rüxlebens nichts Näheres berichtet, außer dass der Senior das Gut 1863 an seinen Sohn Hans Hermann Freiherr von Rüxleben vererbte. Dieser scheint sich weniger um die Landwirtschaft als um Bodenspekulationen in Berlin gekümmert zu haben. Immerhin lernt er dabei die junge Tochter eines der reichsten Immobilienbesitzers Berlins, Wilhelm Griebenow, kennen. Griebenow war Besitzer des Gutes Niederschönhausen, dessen Terrain die gesamte Gegend von der Zionskirche bis zum Gesundbrunnen umfasste. Griebenow machte sich verdient um die Entwicklung des später Prenzlauer Berg genannten Gebietes und förderte ab 1815 die Besiedlung des Wedding. Er selbst nannte sich „Gründer der Oranienburger Vorstadt“ und stiftete das Grundstück zum Bau der Gethsemanekirche. In der Umgebung ist seitdem die Griebenowstraße nach ihm benannt. Der alte Griebenow griff mit Vehemenz, insbesondere nach Erwerb eines Rittergutes in Groß-Leuthen, nach den Insignien des Adels, was ihm jedoch verwehrt blieb. Es gelang seiner Witwe – Griebenow starb 1865 – jedoch, alle drei Töchter mit Grafen bzw. Freiherren zu verheiraten.
An dieser Schnittstelle trafen sich der 28jährige von Rüxleben und die noch 17jährige Anna Pauline Griebenow im Jahre 1867: er ziemlich mittellos, sie reich und bürgerlich, aber ohne Titel. Er wird ihr schöne Augen gemacht, sie, ermuntert durch ihre Mutter, dem nicht übermäßig widerstanden haben. Als sie schwanger war musste das zu erwartende Kinde ehrbar gemacht werden. Die Hochzeit fand im Mai 1868 gerade noch rechtzeitig statt. Nun ward mit Töchterchen Margarethe ein Rüxleben-Zweig in Berlin kreiert.
Anna Pauline von Rüxleben
Zuvor aber hatte Witwe Griebenow das von den Rüxlebens in Auftrag gegebene Schloss Biesdorf rohbauseitig finanziert. So war wenigstens ein standesgemäßes Sommerdomizil vor den Toren Berlins zu Ende gebaut worden. Das junge Glück dauerte nicht ewig. Freiherr von Rüxleben huldigte dem Spiel und versetzte Haus und Hof. Er musste 16 Jahre später verkaufen, die Ehe wurde darauf geschieden. Immerhin hatten die Rüxlebens in Biesdorf Wertschöpfung betrieben und den Wert von Gut und Schloss erheblich nach oben getrieben. Finanziert hatte das allerdings die Schwiegermutter: neben dem Schloss kamen zum Besitz sechs Bauerngüter und vier Kossätenwirtschaften. Rüxleben hatte zudem den Eiskeller erbauen und den kleinen Schlosspark zwischen Dorfstraße und Triftsweg anlegen lassen. Zudem wies er den Bau einer soliden Brennerei auf dem Gutsgelände an und verfügte die Einzäunung des Schlosses zur Dorfstraße hin. Der Verkaufspreis lag daher im Jahre 1884 bei 1.329.000 Mark. Der Käufer hieß Baron Günther von Bültzingslöwen.
Exkurs Rüxleben
Der Name Rüxleben ist in Berlin nicht beachtenswert präsent. Im Jahre 2005 hat in der Kunstwelt allerdings eine Leonie von Rüxleben mit ihrem Testament auf sich aufmerksam gemacht. Sie wurde 1920 in Berlin geboren, zog nach dem Krieg nach Hamburg, wo sie als Getreidemaklerin tätig war. Nebenbei sammelte sie Grafik, ausschließlich Selbstporträts. Über viele Jahre wuchs so nach und nach eine ganz besondere Sammlung grafischer Blätter von insgesamt 1500 Werken. Frau von Rüxleben stiftete ihre Sammlung der Bremer Kunsthalle St. Annen. Dort ist aktuell die 9. Teilausstellung noch bis zum 18.1.2015 zu sehen. Es ist nicht absolut sicher, ob Leonie von Rüxleben zur „Biesdorfer“ Familie gehört, aber es liegt sehr nahe. Hier zwei Blätter aus ihrer hoch beachteten Sammlung:
Max Liebermann
Ernst-Ludwig Kirchner
Die Bültzingslöwen sind ein thüringisches Uradelsgeschlecht. Der Kurmainzer Amtmann Siegfried von Bültzingslöwen, der 1381 die Harburg bei Haynrode im Eichsfeld in Besitz genommen hatte, ist Stammvater aller heute lebenden von Bültzingslöwen. Die Geschichte Haynrodes ist danach eng mit dem Geschlecht derer von Bültzingslöwen verknüpft. Sie waren ab 1381 Pfandinhaber der Harburg und Haynrodes einschließlich aller Waldungen und Güter und lebten nach der Zerstörung derselben im Bauernkrieg 1525 in Haynrode. Da den Bültzingslöwen zugleich geistliche Befugnisse oblagen, und das lange Zeit vor der Reformation , waren sie ohne Zweifel auch die Kirchengründer in Haynrode. Im Zuge der Reformation wurde Haynrode unter dem Einfluss der Bültzingslöwen evangelisch. Im Bauernkrieg wurde am 15. Mai 1525 der Herrensitz derer von Bültzingslöwen, die Harburg, von aufständischen Mühlhäuser Bauern verwüstet und geplündert. Im Zuge der Napoleonischen Kriege kam zum 1. Januar 1808 die Aufhebung der Lehnsverfassung und der Patrimonialgerichtsbarkeit in Gang. Unter der nachfolgenden preußischen Herrschaft wurde Haynrode am 15. Juni 1816 aus der Pfandschaft der Grafen von Schwarzburg–Sondershausen entlassen und dem preußischen Eichsfeldkreis Worbis eingegliedert. Die Hofherren traten ausnahmslos als hochrangige Offiziere in den Königlich Preußischen Militärdienst ein. Die Trennung von der Scholle und der Weg in die Welt hat den Bützingslöwen, im Gegensatz zu den Rüxlebens, eine völlig neue Perspektive gebahnt.
Das Familienwappen
Das ehemalige Schloss in Haynrode
Günther Karl Wilhelm von Bültzingslöwen ging als gebürtiger Haynrodaer und einer der Erstbetroffenen nach Lübeck. Er war dort als technischer Zeichenlehrer tätig. Bereits sein Sohn Ferdinand wurde Offizier im Lübecker Kontingent des Bundesheeres und stieg bis zum Stadtkommandanten von Lübeck auf. Im deutsch-dänischen Krieg 1866 befehligte Ferdinand als Major das Lübecker Bataillon der Oldenburgisch-Hanseatischen Brigade. Ferdinand von Bültzingslöwen hatte acht Kinder, das älteste von ihnen war Günther – der spätere Besitzer von Schloss Biesdorf. Ferdinand nun, der in Lübeck als Geodät, zu deutsch Feldmesser, tätig war und dort Teile der Hansestadt neu vermaß, hatte einen Schüler im Feldmessen, der später weltberühmt werden sollte: Werner Siemens.
Günther von Bültzingslöwen war 23 Jahre jünger als Werner Siemens. Er verließ mit 16 Jahren das Lübecker Katharineum und erlernte den Kaufmannsberuf. Danach zog er als 18jähriger im Jahre 1858 nach Java, um dort sein Glück zu machen. Durch den Anbau und Handel mit Kaffee und Zuckerrohr kam er schnell zu einem ansehnlichen Vermögen. Er wurde zum Konsul des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches ernannt.
Günther von Bültzingslöwen als junger Mann
1873 beteiligte er sich aktiv an der niederländischen Invasion gegen das Sultanat von Aceh; er diente bei den Johannitern. Geschwächt durch ein chronisches Fieber, das er sich dabei zugezogen hatte, ging er 1875 vorübergehend wieder zurück nach Deutschland und lebte bei seiner Familie, die inzwischen nach Dresden gezogen war. Von Kaiser Wilhelm wurde er in Berlin empfangen und mit dem Kronenorden 3.Klasse am schwarz-weißen Band des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Vom bayerischen König erhielt er den Orden vom Heiligen Michael 3. Klasse. 1877 wurde er zum Ehrenritter des Johanniterordens ernannt.
Im Dezember 1883 war er gezwungen, nach Europa zu seiner Mutter zu reisen, die schwer krank war – sein Vater war im Jahr zuvor verstorben. Er sollte nicht nach Asien zurückkehren, sondern pendelte zwischen Dresden, Berlin und den Niederlanden hin und her. Dabei wurde er auch auf Schloss und Gut Biesdorf aufmerksam, das er dann von Hans Hermann von Rüxleben erwarb. Bültzinglöwen, der mittlerweile nicht übermäßig solvent war, wollte in Biesdorf Kapital aus der Zuckerkrise der 1880er Jahre schlagen und konzentriert Rüben anbauen. Das Vorhaben schlug, wohl auch wegen der schwachen Böden, fehl und ruinierte Bültzingslöwen, so dass er verkaufen musste.
Nun trat ein, was wir heute das „Wunder von Biesdorf“ nennen können. Werner Siemens, der ihm und seinem Vater seit der gemeinsamen Lübecker Zeit verbunden war, gab ihm ein Darlehen und übernahm schließlich zum 1. April 1887 das Anwesen. Das freiherrliche Experiment war gescheitert, an seine Stelle traten bürgerliche Tatkraft und Strenge – ganz im Sinne der Epoche.
Günther von Bültzingslöwen starb zwei Jahre später an einem Herzschlag auf einem Berliner Bahnhof. Er wurde in der Familiengruft auf dem Alten Annenfriedhof in Dresden beigesetzt.
Familiengrab in Dresden
Exkurs Bültzingslöwen
Durch die praktische Enteignung von 1816 lastete auf den Bültzingslöwen der Zwang, sich im bürgerlichen Leben zu bewähren. Dies war aber insofern nicht existenzgefährdend, als gerade in Preußen die Macht mit dem Adel und der Adel unter sich kooperierte. Günther von Bültzingslöwen als ältester Sohn hatte sieben Geschwister, darunter die Schwester Mathilde von Bültzingslöwen. Diese heiratete um 1870 den bürgerlichen Ingenieur Carl Woldemar Becker in Dresden. Das Paar hatte sieben Kinder, darunter die Tochter Paula. Paula war ein sehr kunstsinniges Mädchen. 1888 zog die Familie nach Bremen, da der Familienvorstand eine neue Stelle bei einer privaten Bahngesellschaft antrat. Dadurch kam Paula später mit der Kunstkolonie Worpswede in Kontakt und wurde eines ihrer künstlerischen Aushängeschilder. Ihr voller Name: Paula Modersohn-Becker. Ob Paula als Kind einmal ihren Onkel Günther in Biesdorf besucht hat, ist nicht bekannt und eher unwahrscheinlich. Für das künftige Bilderschloss wäre dieses Faktum herausragend gewesen.
Paula Modersohn-Becker 1905
Selbstbildnis
Der jüngste bekannte Spross der Bültzingslöwen heißt Hendrik und ist Schauspieler und Moderator. Er ist sich nicht zu schade, in Vorabendserien Dorfdeppen zu spielen oder in der Werbung aufzutreten. Aktuell moderiert er „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von …“ im WDR. Auch eine Karriere… Das witzige an der Geschichte: vergleichen Sie die Porträts von Günther und Hendrik von Bültzingslöwen! Zwischen den Fotos liegen mehr als 130 Jahre.
Günther Hendrik
Hendrik von Bültzingslöwen (im Khaki-Hemd)
Hendrik von Bültzingslöwen ist zudem Kult-Chefredakteur von DoppelSechs tv, einem irren Must für alle Fußballfreaks!
(Axel Matthies)
Anlässlich des 70. Geburtstages des Bezirksstadtrates i. R. Dr. Heinrich Niemann fand am 17. Oktober 2014 im Saal der Empfänge der Gärten der Welt ein festliches Kolloquium statt. Als Rednerinnen und Redner hatten vier Begleiter des Jubilars zugesagt, deren Wege seit 1992 eng verzahnt gewesen sind: die jetzige stellvertretende Bürgermeisterin Dagmar Pohle, die langjährige Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf Petra Wermke, der Stadtplaner Prof. Urs Kohlbrenner sowie der langjährige Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes Bernd Schütze. Allen Beiträgen war eigen, den Blick von gestern auch in künftige Dimensionen unseres Bezirkes zu werfen. 80 Gäste und der Jubilar lauschten den Beiträgen genau – ging es doch immer um ihren Bezirk.
Vordem nahm aus Termingründen Bürgermeister Stefan Komoß das Wort. Leider hätte er nicht mehr mit Dr. Niemann gemeinsam im Bezirksamt wirken können; er sei gekommen, als der Jubilar ausgeschieden war. Aber dieser wäre immer ein fairer politischer Konkurrent gewesen. Dafür wolle er ihm heute seinen großen Respekt zollen. Mit Genugtuung verwies der Bürgermeister darauf, dass Marzahn-Hellersdorf als Einzelgemeinde zu den 30 größten Städten Deutschlands gehören würde – auf Augenhöhe mit Mönchengladbach und Gelsenkirchen, mit Aachen und Chemnitz. Dieser Stellenwert fand sich dann in den Festbeiträgen wieder.
Moderator Prof. Gernot Zellmer, stellv. Vorsitzender OWB Schloss Biesdorf e.V.
Urs Kohlbrenner
Der erfahrene Stadtplaner aus der Schweiz, seit Jahrzehnten in Berlin und engagierter Befürworter einer sozialen Stadt, eröffnete den Reigen mit einem energischen Beitrag. Er gab dem Bezirk eine Vision. Zuvor erinnerte er jedoch an die schwierige „Patientenakte“ des Bezirkes in den Jahren 1992 bis 2006, an der der Sozialmediziner Dr. Niemann erfolgreich mitgewirkt habe. Nach langer harter Arbeit sei nun für Marzahn-Hellersdorf der Paradigmenwechsel eingetreten (in der Wirtschaft würde man break-even point sagen) – die Bevölkerung wächst, der Bezirk prosperiert. Kohlbrenner zeichnete seine Sicht:
- Sehen Sie den Bezirk immer ganzheitlich; er existiert gemeinsam mit dem Land und den beiden großen städtischen Wohnungsunternehmen. Der Bezirk hat seine Stärken gerade durch seine engagierten Bürger und Vereine, durch eine spezielle Kunst und Kultur, die sich in den letzten Jahren immer deutlicher profiliert hat. Es gibt eine eigene sozial-kulturelle Identität, die es zu verstehen und zu pflegen gelte – sie sei eine identitätsstiftende Stadtgesellschaft.
- Die soziale und demografische Durchmischung muss langfristig erhalten bleiben. Versuchen Sie nichts künstlich zu verjüngen: was für Alte gut ist, taugt auch für die Jungen. Das Wohnumfeld muss altersfähig gestaltet werden.
- Machen Sie für neue Gruppen attraktive Angebote! Aber nicht im Sinne von Verdrängung, sondern als Ergänzung: günstige Wohnungen für Studenten, günstige Angebote für Kreative, Townhouses für Menschen, die die Großsiedlung nicht als Feindgebiet betrachten. Neue soziale Milieus bereichern den Bezirk.
- Binden Sie Bürgerinnen und Bürger immer besser ein. Diese haben ein Recht auf unmittelbare Partizipation.
- Nutzen Sie gezielt Räume für Nachverdichtungen, punktuelle Auffüllungen finden immer Akzeptanz und verbessern oft das Wohnumfeld.
- Die vorhandenen Flächenpotenziale sollten auch für besondere architektonische Lösungen genutzt werden – Häuser, die originell, ökologisch und preiswert sind. So kann der Bezirk auch seine Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen.
- Und schließlich: Sehen Sie die IGA 2017 als Teil einer lebendigen Verquickung von Marzahn und Hellersdorf und als eine neue mentale Bindung des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf an die Metropole Berlin.
„Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg viel Erfolg!“
Dagmar Pohle
Dagmar Pohle hat als Bezirksstadträtin und langjährige Bürgermeisterin mit den Ressorts Gesundheit und Soziales immer große Schnittmengen in der Arbeit zu Dr. Niemann gehabt. Sie würdigte seinen herausragenden Anteil an der Erhaltung des städtischen Krankenhauses Kaulsdorf, das jetzt zum Vivantes Netzwerk für Gesundheit gehört und mit dem Neubau der Psychiatrie seine lokale Kompetenz schärfe. Mit seiner Gesundheitspolitik konnte der Bezirk Marzahn-Hellersdorf in der Bundeshauptstadt Akzente setzen und gilt heute mit seiner Gesundheitswirtschaft als wichtiges Element in Berlin. So hätten hier seit dem Jahr 2000 regelmäßig Gesundheitskonferenzen stattgefunden, Kindergesundheit ist in Marzahn-Hellersdorf zur obersten Politik erhoben worden. Gerade im Nordwesten von Marzahn seien auf diesem Politikfeld viele Präferenzprojekte angestoßen worden – entworfen von sachkundigen Bewohnerinnen und Einrichtungen vor Ort und unterstützt vom dortigen Quartiersmanagement. Ich, so Frau Pohle, bin daher ungeteilt für die weitere intensive Nutzung der Möglichkeiten des Programmes Soziale Stadt. Der Bezirk war der erste in Berlin, der neu geborenen Kindern einen Familiengutschein für wichtige Förderangebote überreicht. So sei jede Familie von Anfang an in der Lage zu wissen, welche Unterstützung ihr Kind bei Schwierigkeiten in Anspruch nehmen könne. Der Bezirk Neukölln habe dieses Muster nun übernommen. Im Rückblick auf das Werden des Gesamtbezirkes müsse immer heraus gehoben werden, dass der Sozialmediziner Dr. Niemann der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Platze war.
Frau Pohle überreichte Herrn Dr. Niemann abschließend ein Aquarell der in Kaulsdorf lebenden Künstlerin Antje Püpke mit einem bezirklichen Motiv.
Bernd Schütze
Dann war die Reihe am langjährigen Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes Bernd Schütze. Er orientierte sich an der dokumentierten Entwicklung der Grünflächen im Bezirk seit 1900. Die B 1 ist im Bezirk so etwas wie eine Grenze zwischen Barnim, der durch Lehm geprägt ist und dem südlich Richtung Köpenick gelegenen Urstromtal, das von Flüssen, Sümpfen und natürlichem Baumwuchs geformt ist. Während der Süden von jeher bewohnt war, bedurfte es für eine massenhafte Besiedlung des Barnims gewaltiger landschaftsgärtnerischer Anstrengungen. Denn hier sollten die Großsiedlungen Ost-Berlins entstehen. So war nach dem Krieg klar, dass mit der Aufschüttung der Biesdorfer Höhe, des Kienberges und der beiden Ahrensfelder Berge Anfänge der künftigen Großsiedlungen entstehen. So war der Kienberg mit dem Wuhletal das ökologische Kerngebiet der beiden Altbezirke Marzahn und Hellersdorf. Das heute höchst beliebte Areal wird deshalb auch von Bürgerinnen und Bürgern geschützt. Nachfolgend konnten auch die Biesdorfer Höhe und die Ahrensfelder Berge mit der Anlegung des Wuhlewanderweges aus europäischen Programmen ihre Popularität gesamtstädtisch erhöhen.
Während der Bezirk Marzahn bis zur Wende im Programm des komplexen Wohnungsbaus weitgehend abgeschlossen war, blieb in Hellersdorf noch fast alles zu tun. So hat die landschaftsgärtnerische Gestaltung einen anderen Zuschnitt: sie ist kleinteiliger, verfügt über keine übergreifenden Flächen wie etwa den Marzahner Bürgerpark und ist von Anfang an auch mit mehr einheimischen Gehölzen bepflanzt worden.
Bernd Schütze machte abschließend an Zahlen deutlich, um wie viel grüner der Bezirk in den vergangenen 36 Jahren geworden ist: Gab es 1978 39 ausgewiesene Grünanlagen, so sind es 2014 immerhin 225 mit einer Fläche von 720 Hektar (ha). Ebenso haben sich die ausgewiesenen Naturschutzflächen von 20 ha am Ende der DDR auf nunmehr 217 ha verzehnfacht. Der Amtsleiter resümierte, dass der Bezirk mit der Umsetzung der Leitlinien der Agenda 21 eine wichtige Antwort auf den Klimawandel gegeben habe. Diese Qualität gilt es zu schützen. Sie sei – so Bernd Schütze wörtlich – für Marzahn-Hellersdorf so bedeutungsvoll „wie der Dom für Köln“.
Petra Wermke
Als vierte Rednerin schritt dann Petra Wermke zum Rednerpult – die letzte verbliebene „Dame mit dem Hütchen“. Ihr Anliegen war die Würdigung des bürgerschaftlichen Engagements von Dr. Heinrich Niemann. Seit seinem Ausscheiden aus dem Amte sei er nie weg gewesen. In so wichtigen Aufgaben wie als Bezirksverordneter, als langjähriger Vorsitzender des pad. e.V. Eltern und Jugendliche gegen Drogenmissbrauch und seit geraumer Zeit als Vorsitzender der OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sei er stark präsent in der öffentlichen Wahrnehmung geblieben. Der langjährigen Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung war wichtig darauf hinzuweisen, dass Dr. Niemann in den letzten Jahren sehr aktiv lokalpolitisch im Siedlungsgebiet tätig war. Er habe sich insbesondere mit der Grundwasserproblematik und dem Zustand und der Perspektive der Baggerseen befasst. Sie wünschte dem Jubilar gute Gesundheit und erfolgreiche Arbeitsergebnisse.
Weitere Gratulanten und das Schlusswort des Jubilars
Sodann nahmen weitere Gratulanten das Wort. Dr. Wolfgang Drahs (Geschäftsführer pad e.V.) und Ulrich Reinheckel (Vorsitzender des Freunde der Gärten der Welt e.V.) dankten in warmherzigen Worten Dr. Niemann für die langjährige und zuverlässige Unterstützung ihrer Vereine. Das Engagement zeuge von der Erfahrung und dem ausgezeichneten lokalpolitischen Instinkt des Jubilars.
Dr. Wolfgang Drahs Ulrich Reinheckel
Dr. Uwe Klett als langjähriger Bürgermeister von Hellersdorf erinnerte an eine Episode aus dem Jahre 1992. Als nach den damaligen Kommunalwahlen die PDS unerwartet Stadtratsposten besetzen konnte, regte sich, auch bei Klett, der Instinkt der Ost-Linken: darf ich in diesem System mitregieren oder sollte ich gleich zurück treten? Die messerscharfe Logik von Niemann habe Klett dann zum Umdenken gebracht: „Du hast doch noch gar nichts gemacht!“
Mit einem Schmunzeln trat nun Dr. Heinrich Niemann ans Mikrofon. „Danke an alle!“ Alle Erwartungen an die Organisation, an die Referenten und das gesamte Event seien erfüllt worden. Er hoffe, dass die Materialien des Kolloquiums publiziert werden können. Dr. Niemann dankte dem Team der Gärten der Welt, „seinen“ beiden Vereinen Schloss Biesdorf e.V. und pad e.V. sowie dem Freunde der Gärten Welt e.V. und allen anderen, die geholfen hätten. Ein besonderer Dank galt seiner lieben Frau. Dann zeigte sich Heinrich Niemann als Dichter seines Bezirkes. In einem längeren Gedicht schwärmte er vom spröden Charme, von der herrlichen Aussicht am Kienberg und der Schönheit des Bezirkes, die doch anders sei. Und abschließend sein Bekenntnis:
„Wir sind offen und munter
Uns kriegt keiner unter.“
So ist es, so wird es bleiben.
Abschließend war Zeit für Gratulationen und viele Gespräche. Und der Geist des Nachmittags verbreitete sich: Wir haben viel erreicht, sind aber lange nicht am Ende!
Für zwei Tage hatte sich die Alte Börse Marzahn vom 4. bis zum 5. Oktober 2014 in ein Ausstellungszentrum für zeitgenössische Kunst verwandelt. Initiatorin Ellen DeElaine und Kurator Ihsan Alisan haben 29 Positionen ausgesucht, die ein breites Spektrum an Malerei, Fotografie, Skulptur und Installation vorführen. Künstlerinnen und Künstler der Jahrgänge 1928 bis 1989 aus Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Zürich und Los Angeles entwerfen in der Ausstellung ihre ganz eigenen Welten: halb Utopie, halb Dystopie (Anti-Utopie, Schreckensszenario). Sie spiegeln darin ein Stück weit die deutsche Hauptstadt selbst, die mit dem Fall der Mauer vor 25 Jahren zu einem Schlaraffenland für Künstler, Musiker und Literaten der ganzen Welt wurde. Die Ausstellung dokumentiert auch, wie diese Kulturszene mehr und mehr das Berlin jenseits des S-Bahn-Rings für sich entdeckt; Stadtviertel, die noch Räume bieten für Inspiration, zum Leben und Arbeiten: Berlin… mehr als nur Mitte!
Nun sind sie also wirklich angekommen – die Künstler aus Mitte, Neukölln oder Kreuzberg am Westrand von Marzahn. Sandig und öde ist es noch auf dem Gelände. Aber im Aufbruch begriffen ist die Alte Börse Marzahn, die sich nicht ohne Hintergrund ABM nennt. Rundherum werden Familienhäuser gebaut, die bald bunt das Areal umschließen werden. Von diesem Tempo wird sich die ABM nicht anstecken lassen. Die Börse soll langsam wachsen und viele Künstler in diesen Prozess einbinden. Die finden so wie so das Unvollkommene inspirierender und authentischer für den Prozess des Schaffens. Und auch die Besucher sind guter Dinge – zumal wenn das „Marzahner“ Bier schmeckt.
Die Ausstellung war am Sonntag gut besucht. Trotz ungünstiger Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr waren ein paar hundert Interessenten hinaus gekommen auf das Gelände zwischen Friedrichsfelde Ost und Springpfuhl. Sie besichtigten Malerei, Installationen und Skulpturen sowie fotografische Objekte.
Ich bin mit zwei Künstlern ins Gespräch gekommen. Die erste Begegnung war ein kleiner alter Herr mit einem Vollbart, einem langen pinkfarbenen Schal um den Hals und stark mit Kajal geschminkten Augen. Er war bereits mit Frauen im Gespräch und das machte es mir leichter stehen zu bleiben. Um ihn herum dutzende kleinteilige Malereien und ein Riesenbild. Bilder mit Köpfen, Figuren, Monstern mit drei Beinen, vier Augen und fünf Brüsten. „Ich male viele Kieselsteine, damit ein paar Diamanten herauskommen“, erklärte er die Fülle des Materials. Er hielt aber keine metaphysischen Reden sondern bemerkte erstaunt, die hiesigen Besucher würden wortlos aber konzentriert durch die Ausstellung gehen. Zu Hause bei ihm, in Frankfurt am Main, käme es immer wieder zu langen und ausschweifenden Diskussionen. Aber, er legte den Kopf nun zur Seite, die Leute seien eben verschieden. Auf seinem Tisch lag ein voluminöser Band mit seinen Werken: eine Ausstellung in Frankfurt hatte zu Ehren seines 80. Geburtstages einen Katalog mit mehr als 300 Seiten herausgegeben. Sein Name: Max Weinberg. Ein Unikum und eine Künstlerpersönlichkeit. Belagern Sie die Suchmaschinen mit diesem Namen!
Max Weinberg vor seinem Gemälde „Beethoven“ (Ausschnitt)
Meine zweite Begegnung wurde Antje Püpke. Sie war mir vom Namen her als Künstlerin in Marzahn-Hellersdorf bekannt, denn sie ist Gründungsmitglied der FrauenKunstKarawane. Sie hat sich auch einen Raum in der ABM gemietet, wo sie eine weitere Basis ihres künstlerischen Schaffens sieht. „Ich habe mehrere Studios“, erklärte sie bestimmt. Zur Ausstellung hatte sie mit einem Druckstock experimentiert – eher abstrakt als figurativ.
Antje Püpkes Angebot, außen die Holzstiche
Frau Püpke war augenscheinlich angetan vom neuen Domizil. Sie erzählte angeregt von ihrer Arbeit und der gegenwärtigen Ausstellung der FrauKunstKarawane im Empfangssaal der Gärten der Welt, dem Ort, wo am 17. Oktober ein festliches Kolloquium zu Ehren des 70. Geburtstages unseres Vereinsvorstandsvorsitzenden Dr. Heinrich Niemann stattfinden wird. Wir kamen auch auf das künftige Bilderschloss Biesdorf zu sprechen. Frau Püpke und ich waren uns einig, dass ein Dialog der Werke in Beeskow mit heutigen, zum Beispiel Künstler_innen aus der ABM, nützlich und anregend wäre. Weitere Informationen zum Schaffen von Antje Püpke finden Sie hier.
Die erste Ausstellung mit Werken von Künstlern in der ABM war gut besucht und macht Appetit auf mehr. Sie war kofinanziert vom Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und der Alten Börse Marzahn.
(Axel Matthies)
Eine Baustellenbesichtigung des künftigen Bilderschlosses brachte aufschlussreiche Erkenntnisse zu Tage: es ist viel, viel mehr zu tun als erwartet. Die Bezirksstadträtin Julia Witt als Kulturverantwortliche und Bezirksstadtrat Stephan Richter als Verantwortlicher für den Bau hatten zu einer hochinformativen Besichtigung am 8. September gebeten. Dabei waren auch die beiden Bauüberwacher Alexander Pechmann und Jan M. Schmidt. Pechmann ist Geschäftsführer der PNS Gebäudeplanung und Projektsteuerung – die Gesellschaft hat bereits das Pergamonmuseum, das Bodemuseum und die Alte Nationalgalerie sowie das Schillertheater saniert. Schmidt ist als verantwortlicher Architekt bei Pinardi-Architekten für die denkmalgerechte Sanierung von Schloss Biesdorf zuständig – auch er hat bereits Erfahrungen mit Bauten wie den Museumshöfen des denkmalgeschützten Gebäudeensembles der ehemaligen Kaserne des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiments in Berlin-Mitte vorzuweisen.
Jan M. Schmidt (li.) und Alexander Pechmann
Rekonstruktion der letzten Kriegstage
Alexander Pechmann eröffnete die Besichtigung mit einer Rekonstruktion der letzten Kriegstage. Nach Sicherung aller Befunde, so Pechmann, muss man davon ausgehen, dass Kriegshandlungen im und am Schloss stattfanden. Dafür sprechen Einschüsse an den Wänden. Dabei, oder durch gezielten Beschuss, geriet das Dach in Brand, krachte in die Tiefe und kam erst auf der 1939 eingezogenen Luftschutzkellerdecke zum Halt. Dabei nahmen das zweite Geschoss totalen Schaden – und musste unmittelbar abgerissen werden – sowie das erste Geschoss schwere Schäden. Insgesamt gingen 50% der Bausubstanz zu Bruch. Um das Schloss schnell wieder herzurichten, wurden vor allem provisorische Maßnahmen umgesetzt. Es kam, wie Pechmann es ausdrückte, zu einer fortlaufenden Reparaturkette ohne den echten Ansatz einer Sanierung. Sein Fazit: „Es ist ein Glück, dass kein Mensch zu Schaden kam. Das Schloss hätte schon längst nach sicherheitstechnischen Erwägungen geschlossen sein müssen.“ So ruhte die Innentreppe am Haupteingang lediglich auf einem Schutthaufen. Wenn diese Treppe in Bewegung gekommen wäre, hätte dies aus Gründen der Statik weitere schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Er wollte das ausdrücklich nicht als Schuldzuweisung verstanden wissen. Wie überall in Deutschland seien Reparaturen nach Kriegsende nur mit den primitivsten Mitteln zu leisten gewesen.
Lange Liste von Schäden
Architekten und Bauüberwacher könnten stundenlange Vorträge über den Bauzustand des entkernten Schlosses halten. Wir wollen die Leserinnen und Leser nicht damit behelligen, aber doch versuchen, die Schadensproblematik verständlich zusammen zu fassen.
Alle wesentlichen Schäden sind durch das Feuer entstanden. Nach dem kürzlich erfolgten Abbruch des nicht mehr originalen Innenputzes stellte sich der Zustand des vorhandenen Ziegelmauerwerks als sehr porös heraus. So sind in großem Umfang Abplatzungen zu erkennen, die mit Sicherheit von den starken Brandeinwirkungen herrühren und zu einer statischen Schwächung der Wände geführt haben. Daher ist eine umfangreiche Ertüchtigung des Mauerwerkes vor Aufsetzen der zweiten Etage erforderlich. Pro Quadratmeter muss der Boden in der Galerieetage 500 Kilogramm tragen.
Die Entkernung des Schlosses hat sage und schreibe fast 5.000 Tonnen Schutt und Bauabfall erbracht, darunter Kriegsschutt, schadstoffbelastete Bauteile sowie belasteten und unbelasteten Aushub und Abfall. Einiges Nebengelass war versperrt und verfüllt.
Bei der aktuellen Sanierung und denkmalgerechten Wiederherstellung wurden nun auch nachträgliche Wandeinzüge zurückgebaut und die ursprünglichen Wandstellungen wieder hergestellt. Schwerpunkt ist hier vor allem das Gebäudezentrum im Bereich des Oktagons. Aufgrund des schlechten Zustands des Mauerwerks – vor allem im Erdgeschoss – musste im Zuge der Wiederaufstockung des Gebäudes nochmal ein erheblicher Anteil ursprünglicher Bausubstanz erneuert werden. Kleines Detail am Rande: das Mauerwerk des Schlosses wurde mit Ziegeln im sogenannten Reichsformat errichtet. Dieses Format ist heute nicht mehr verbindlich. Aus Sicht des Denkmalschutzes müssen die tragenden Wände des Schlosses aber mit Ziegeln im Reichsformat gemauert werden. Solche Ziegel werden heute kaum industriell sondern manufakturell erzeugt.
Wer das Schloss noch als lebendiges Soziales Stadtteilzentrum in Erinnerung hat, muss sich nun mit solchen Ansichten befassen.
Nach dieser Analyse wird verständlich, dass ein höherer finanzieller Aufwand nötig ist als bisher geplant. Dazu im Schlussteil mehr.
Die eigentlichen Sanierungsarbeiten beginnen jetzt
Das Schloss ist inzwischen von einem 40.000 m3 einnehmenden Gerüst mit Wetterdach eingehaust. Die Arbeiten werden als Winterbau geplant, es wird geheizt, wenn es notwendig ist. Ab sofort wird von 6.00 bis 23.00 Uhr einschließlich Sonnabend gearbeitet. Im Durchschnitt sind 30 Bauarbeiter im Einsatz, in Spitzenzeiten werden es bis fünfzig sein. Nach Möglichkeit, so Bauüberwacher Pechmann, soll in allen Etagen gleichzeitig koordiniert gearbeitet werden.
Kosten, Termine und Betreiber
Das Bezirksamt musste sich zu dieser neuen Sachlage positionieren. Die beiden Stadträte informierten, dass der Bezirk aus dem eigenen Haushalt 1.425.000 € zusätzlich zur Verfügung stellen wird, um das Vorhaben zu stemmen. Das Zeitfenster hat sich gedehnt. Vereinbartes Ziel mit der Kulturverwaltung ist nun der Start des Galeriebetriebes zum Ende des Jahres 2016. Sicher gestellt wird also, dass die Gäste, so Frau Witt, zur IGA 2017 ein funktionierendes Ensemble vorfinden, zu dem auch die Außenanlagen gehören. Das Haus wird über vier große Räume zwischen 40 und 70 qm verfügen, die Platz für vielfältigste Veranstaltungen bieten. Im Schloss wird die ursprüngliche Raumhöhe von fünf Metern wieder hergestellt.
Zu den möglichen Betreibern hat der Bezirk noch keine Entscheidung gefällt, es liegen zwei Projektskizzen von zwei landeseigenen Unternehmen vor: Von der GSE (Gesellschaft für Stadtentwicklung), die auch das Kunsthaus Bethanien in Kreuzberg betreibt und im Bezirk selbst das Freizeitforum Marzahn – und von der Grün GmbH, die als Betreiber der Gärten der Welt im Bezirk bekannt ist. Beide stellen die Konzepte in den bezirklichen Gremien für das Projekt in den nächsten Wochen vor: dem Steuerungsausschuss und dem Galeriebeirat; so dass mit einer Entscheidung im Bezirksamt im IV. Quartal gerechnet werden kann.
Es liegen nun klare und belastbare Aussagen zur Fertigstellung des künftigen Bilderschlosses Biesdorf vor. Wir als Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sind optimistisch, dass sowohl der Zeit- als auch der Kostenplan eingehalten werden. Der Besuch der Baustelle, die Beobachtung der laufenden Arbeiten und die erlebte Sachkenntnis und das Engagement der Bauüberwacher bestärken uns darin.
(Axel Matthies)
Eine Busrundfahrt zu Kunstwerken im öffentlichen Raum des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf fand am 10. Mai dieses Jahres statt. Drei Stunden lang führte der Kunsthistoriker Martin Schönfeld vom Büro für Kunst im öffentlichen Raum in Berlin 20 hochinteressierte Gäste durch den Bezirk. Die Route führte zu ausgewählten Kunstwerken, die sowohl in den Großsiedlungen in der DDR-Zeit als auch nach 1990 entstanden sind. Veranstaltet wurde die Rundfahrt von der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf und unserem Verein Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. im Rahmen einer Vortragsreihe zu Geschichte und Zukunft des Schlosses Biesdorf. Da das Schloss künftig Gegenwartskunst ausstellen wird, war diese Tour ein spezieller Zugang dafür.
Start war im alten Rathaus Marzahn. Hier wurde zuerst das Standesamt besichtigt. Martin Schönfeld informierte über die beiden Hauptkunstwerke am Ort: die Fruchtbarkeitsgöttin von Peter Makolies und die textilen Applikationen von Nora Kaufhold im Trauzimmer. Die Fruchtbarkeitsgöttin ist eine kleine Plastik, deren Bauchraum geöffnet ist, aus dem fünf kleine Babys herausschauen. Die textilen Applikationen geben dem Zimmer eine warme und zugleich unbeschwerte Atmosphäre. Anschließend ging es nach unten: in den Ratskeller. Die meisten Gäste waren schon einmal dort zu Gast gewesen. Nun mussten sie Spinnenweben beiseiteschieben, denn das Restaurant ist seit zwanzig Jahren geschlossen. Aber im Lichte der Notbeleuchtung war die Ausstattung des Kellers noch gut zu erkennen. Sechs Figuren von Peter Makolies stimmten die Gäste auf einen Ort der Heiterkeit und des Genusses ein.
Im Ratskeller
Fruchtbarkeitsgöttin |
Anschließend ging es mit dem Bus zur Marzahner Promenade. Die Tour fuhr die Dr. Hermann Gruppe als Vereinsmitglied. Zuerst grüßte das „Denkmal für die Erbauer Marzahns“ von Karl Hillert und Karl Günter Möpert von seinem neuen Standplatz am künftigen Marktplatz in der Promenade. Martin Schönfeld bezeichnete die beiden als lockere Typen, die selbstbewusst um sich blicken. Ich möchte wieder den Soziologen Wolfgang Engler zitieren, der über den Arbeiter in der DDR folgendes schreibt: Arbeiter „strahlen eine aproblematische Sicherheit aus, wie sie nur Menschen eigen ist, die das Fürchten sozial nie gelernt haben… So werden Arbeiter nie wieder blicken.“ Der gesellschaftstheoretische Kontext ist bei Engler komplexer, aber diese Beobachtung stimmt. Wer heute im Berufsverkehr mit der S7 nach Ahrensfelde oder mit der M6 von Marzahn nach Hellersdorf fährt, wird diesen Blick nicht mehr finden. Genau den gegensätzlichen Gestus strahlen aber die beiden Arbeiter aus. Kalle und Dieter könnten sie heißen; sie gucken mal gerade, ob die Bauarbeiterversorung schon offen ist oder ob die angekündigte Betonlieferung endlich kommt. Und wenn nicht heute, dann machen sie halt Feierabend. Dem Taktstraßenleiter bleibt nichts anderes übrig: „Wenn keen Material kommt, machen wa fuffzehn.“
Erbauer Marzahns
Danach zog die Gruppe weiter zu den Giebelmosaiken von Walter Womacka „Arbeit für das Glück des Menschen“ und „Frieden“. Beide Mosaiken sind großartiges Handwerk. Von den älteren Ostdeutschen werden die Kunstwerke Womackas geschätzt. Ich bin offen gesagt kein großer Freund dieser Giebelarbeiten. Themen wie Glück, Frieden und Arbeit sind sehr komplexe Themen, die „symbolisch“ schwer darstellbar sind. Als Gegenentwurf zu solch einem komplexen Thema ist mir Wolfgang Mattheuers „Jahrhundertschritt“ erwägenswerter.
Arbeit für das Glück des Menschen
Unmittelbar vor dem Freizeitforum dann eine sehr wichtige Arbeit der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger: die drei Figuren „Die Geschlagene/Die sich Aufrichtende/Der sich Befreiende“ mit dem Titel „Denkmal für Kommunisten und antifaschistische Widerstandskämpfer“. Die drei Figuren stehen ganz offensichtlich für die meisten der das Freizeitforum Marzahn betretenden Menschen beziehungslos zu ihnen im Raum. Unser Verein möchte daher anregen, die Künstlerin mit einer kleinen Platte zu ehren, auf der ihr Name und der Titel des Kunstwerkes genannt werden. Ingeborg Hunzinger war eine bedeutende deutsche Künstlerin, die selbst aktive Antifaschistin war. Zu Ehren ihres 100. Geburtstages am 3. Februar 2015 wäre dies ein überzeugender Beweis des Bezirkes für seine demokratische und antifaschistische Grundhaltung. Im Bezirk stehen weitere Plastiken der Künstlerin, darunter die Skulptur „Die Sinnende“ im Schlosspark Biesdorf.
Die Gruppe, vorn die Geschlagene
Anschließend besichtigte die Gruppe die großen Deckengemälde im Arndt-Bause-Saal des Freizeitforums Marzahn, deren Schöpfer Peter Hoppe war. Auf 400 qm werden die Tageszeiten Morgen, Mittag, Abend sowie der Traum reflektiert. Mit heller Farbigkeit und großzügiger Malweise verleiht das Werk dem Saal eine besondere künstlerische Leuchtkraft. Es gibt in Berlin aus jüngerer Zeit kein vergleichbares großes Deckengemälde. Peter Hoppe, der einem breiten Publikum nicht so bekannt ist, ist im Bezirk mit weiteren großflächigen Giebelgestaltungen vertreten. 1993 stiftete er der Dorfkirche Wölsickendorf (Landkreis Barnim) ein selbst gemaltes Altarbild.
Abschließend fuhr der Bus mit den Kunstenthusiasten nach Hellersdorf, wo Kunstwerke aus den 1990er Jahren besichtigt wurden. Der Wohnungsbau im damaligen Bezirk Hellersdorf war zur Wende noch nicht abgeschlossen. Die Gestaltung der öffentlichen Räume wurde daher insbesondere in der Verantwortung der damaligen Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf realisiert. Diese hatte ein anderes Verständnis von Kunst am Bau. So aber entstand in Hellersdorf ein gegenüber Marzahn eigener künstlerischer Charakter, der von der Bevölkerung angenommen wurde. Zum Abschluss führte Martin Schönfeld in die sogenannte Zwischenablage auf dem Hof des Dienstgebäudes in der Riesaer Straße, wo abgebrochene Kunstwerke gesammelt werden. Hier konnte sich die Gruppe noch einen Eindruck verschaffen, wo Bauten abgerissen wurden, aber Kunstwerke erhalten blieben. Auch dies war ein eigener zeitgeschichtlicher Eindruck.
In der Ablage |
Mehr als 460 solcher Kunstobjekte hat die Statistik kartiert: Wandmalereien an Wohngebäuden, Schulen oder Kitas, Skulpturen in Parkanlagen, mit Keramiken gestaltete Hauseingänge, kunstvolle Installationen. Leider wurden Dutzende zerstört oder sind dem Abbruch von Gebäuden zum Opfer gefallen. Dennoch sind sich Kunsthistoriker sicher, dass diese so dichte Gestaltung eines großen Stadtraumes mit künstlerischen Werken einmalig in Deutschland, ja in Europa sei.
Giebel in Kaulsdorf Nord
Abschließend seien mir ein paar grundsätzliche Gedanken gestattet. Architekturbezogene Kunst war inhärenter Bestandteil des komplexen Wohnungsbaus, der Wohn- und Gesellschaftsbauten, die technische Infrastruktur sowie den Verkehrsbau plante und gestaltete. Kunst hatte dabei insbesondere die Aufgabe, die Wohn- und Gesellschaftsbauten besser unterscheidbar zu machen – sie zu individualisieren. Denn die Außenwände, die aus den Plattenwerken geliefert wurden, wirkten oft dunkel oder fahl. Man kann dies auf historischen Fotos gerade bei 11-Geschossern gut nachvollziehen. Durch die Kunst bekamen die Gebäude ein freundliches Gesicht. Da Kunst am Bau natürlich auch eine serielle Frage ist, muss man durchaus einräumen, dass nicht jede Kita oder jede Schule das Kunstwerk an seine Eingangstür bekam. Dies wird in der Dokumentation „Kunst in der Großsiedlung“ durchaus deutlich. So wurden schnell oder zu schnell Kunstwerke entsorgt. Eine ganz wichtige Frage ist die nach der Haltbarkeit der Objekte. Viele sind aus Sandstein oder als Mosaikwerke aufgestellt worden. Vor 30 Jahren hat sich niemand mit der Frage beschäftigt, wie diese wohl im Jahre 2014 aussehen werden. Bei einigen ist die Abnutzung, verschärft durch Vandalismus, so hoch, dass man sie kaum noch als Kunstwerke wahrnimmt.
Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf bekennt sich zu den überkommenen Kunstwerken im öffentlichen Raum. Innerhalb des EU-Projektes LHASA (Large Housing Area Stabilisation Action) hat er die Werke kartiert und nach ihrem Zustand geschätzt. In einer zweiten Phase sollen gefährdete Kunstwerke konservatorisch gesichert werden. Nicht alle Objekte werden jedoch überleben können. In der Großsiedlung werden Wohnbauten weiterhin energetisch saniert. Dies ist auch ein eigener Wert zur Klimastabilisierung, der im Zweifelsfall durchaus gegen Kunst am Bau ermächtigt werden kann. Aber es besteht gute Hoffnung, dass sich die Situation stabilisiert und verbessert. Der Vandalismus hat signifikant nachgelassen. Junge Familien ziehen in die Großsiedlung, die den Zusammenhalt in den Kiezen verbessern. Sicher wird das auch den Kunstwerken nutzen, wieder in den Fokus der Bewohner zu gelangen. Denn man kann mit diesen Kunstwerken auch spielen…
(Axel Matthies, Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V.)
Die Stadt Gera, ein wichtiger Ort der Wismut in Ostthüringen, zeigte zwischen dem 8. Februar und 21. April 2014 Werke aus dem Bestand der Wismut GmbH in der städtischen Orangerie. Die Ausstellung „Sonnensucher“ vereinte rund 150 Werke, darunter von Lutz R. Ketscher, Gottfried Bräunling, Alexandra Müller-Jontschewa, Bernhard Heisig, Hans Hattop, Werner Petzold, Fritz Eisel, Werner Tübke und Volker Stelzmann. Die Ausstellungsleitung zählte fast 5000 Besucher und war mit dieser Zahl sehr zufrieden. Kutatiert wurde sie von Holger Peter Saupe und Paul Kaiser. Der Begriff Sonnensucher meint Uran als Sonne in den Händen friedliebender Menschen.
Eingang zur Orangerie
Titelseite des Katalogs
Eine der wichtigsten Sammlungen von Kunst aus der DDR
Die Kunstsammlung der Wismut GmbH (vormals SDAG) ist die umfangreichste Kunstsammlung eines DDR-Unternehmens. Mit 4.209 Werken von 450 Künstlern, darunter mehr als 280 Gemälden, kann der Fundus dieser Sammlung sinnvoll mit dem Umfang eines bezirklichen Kunstmuseums in der DDR verglichen werden. Die Künstlerliste setzt Schwerpunkte auf die sächsischen Malschulen (und Kunstakademien) in Leipzig und Dresden und bindet die großen Namen der DDR-Kunst ebenso wie die Akteure der Nachfolgegenerationen ein.
Die zwischen 1959 und 1989 in der SDAG Wismut angelegte Kunstsammlung korrespondierte anfangs mit der kulturpolitischen Kampagne des „Bitterfelder Weges“ (1958 – 1964). Später entstanden enge Kontakte zur Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig und der Hochschule für bildende Künste in Dresden. Durch diese gelangten zahlreiche Werke in die Sammlung. Durch die ökonomischen Sonderbedingungen in der Wismut und die hier relational zu anderen „gesellschaftlichen Auftraggebern“ erweiterten Ankaufs- und Auftragsbudgets wurde die Wismut zu einem attraktiven Vertragspartner für viele der im Verband Bildender Künstler vertretenen Künstler.
Die Ausstellung folgt keiner strengen Chronologie, sondern strukturiert sich nach thematischen Feldern. Dabei wird auch die Kunstförderpraxis der Wismut im Zusammenhang kulturpolitischer Zielstellungen dokumentiert. Die Schau rekonstruiert exemplarische Kunstaufträge, die Ausrichtung von Kunstausstellungen und Pleinairs wie auch die Vergabe eines eigenen Kultur- und Kunstpreises. Das Begleitprogramm und der Katalog thematisieren ebenso die nach 1989 einsetzende (und 2011 eskalierende) Debatte um den künstlerischen Wert und die noch ungeklärte Zukunft der Wismut-Kunstsammlung.
Erwartungen und Erträge
Ich bin zu dieser Ausstellung ohne Erwartungen gefahren, merkte aber schon in den ersten beiden Räumen, dass sie mit „Auftragskunst“ überhaupt nicht abgegolten ist. Es gibt mindestens drei Ebenen, über die nachzudenken wäre.
Die erste Ebene ist relativ leicht zu erkennen. Es sind die Gemälde der 1950er und 1960er Jahre. Drei Motive dominieren hier. Das eine ist das Porträt des Arbeiters. Statt des Herrschers oder des Wirtschaftsführers steht nun der Arbeiter vor der Staffelei des Künstlers. „Ich bin Arbeiter, wer ist mehr?“, lautet die Botschaft. Doch das Schöne ist anders: meistens sind die Porträtierten schüchtern, unsicher oder genervt. Keine „Wer ist mehr?“-Attitüde, eher die Frage an den Künstler: biste bald fertig? Das zweite Motiv zeigt die neue Zusammenarbeit von Ingenieuren und Arbeitern. Da stehen sie gemeinsam um einen großen Tisch und besprechen einen Plan. Alles sehr statisch, aber eines ist zu sehen: Ingenieure und Arbeiter begegnen sich auf Augenhöhe. Das sollte der Anfang sein. Das Motivsujet bleibt bis zum Schluss. Jetzt stehen alte berentete Bergmänner mit vielen Orden an der Brust für ihr Lebenswerk und für das Werk der Wismut. Jüngere Porträtierte sind nun zusehends selbstbewusster und grinsen auch schon mal vielsagend. Ein drittes Motiv ist die Zukunftsgläubigkeit. Nahezu idealtypisch mehrfach dargestellt in Bildern mit Titel wie: Friedliche Nutzung der Atomkraft oder Vision der Sonnensucher. Diese verschwindet Ende der 1970er Jahre. An ihre Stelle treten zunehmend Fragen der Zerstörung der Umwelt.
Die zweite Ebene ist die Darstellung von Arbeitsprozessen. Diese Prozesse werden nirgends geschönt. Bergbau ist ein harter Job, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ohne harte Arbeit kein Uran. Das war die Philosophie aller Wismut-Kumpel und darauf sind sie heute stolz. Was man nicht sieht, und darüber gibt es nur wenig explizite Kunst, sind die weitgehend optimal gestalteten Arbeits- und Lebensbedingungen. Schichtbusse zur Arbeit, Arbeitsbekleidung, Duschen nach der Schicht, Werkessen, Klubhäuser, Ferienheime, Krankenhäuser und Sanatorien sind ein wesentlicher Bestandteil des Wismut-Mythos. Die Arbeit unter Tage war fordistisch organisiert, da gab es keinen System-Unterschied. Den Unterschied ausmachen würde daher ein komplexes Bild: Wismut-Kumpel im zentralen Ferienheim Zinnowitz auf Usedom. Der Soziologe Wolfgang Engler hatte bei seinen tiefschürfenden Analysen der Ostdeutschen den Begriff der „arbeiterlichen Gesellschaft“ geprägt und definiert. Im Zusammenhang zwischen Produktion und die sie flankierenden Bedingungen schreibt er: Die ostdeutschen Betriebe „verhöhnten die elementarsten ökonomischen Notwendigkeiten, aber sie setzten die Menschen in den Stand, Beruf und Familienleben miteinander zu versöhnen, regten ihre kulturellen Interessen an und trugen den sozialen Austausch weit über die engen Grenzen der Arbeitswelt hinaus“. (Die Ostdeutschen als Avantgarde, Berlin 2004, S. 117) Dieser Aspekt des Staatssozialismus, der nach damaliger Sprachregelung „2. Lohntüte“ hieß, ist vielleicht bisher zu wenig beachtet, damals möglicherweise als banal betrachtet worden. Im Bewusstsein geblieben sind ausgebrannte Menschen nach der Schicht, die lesenden Arbeiter oder die feiernde Brigade.
Frank Ruddigkeit, Arbeitstag eines Bergmannes 1986 – 1989
Kurt Pesl, Werkstatt unter Tage
Lutz R. Ketscher, Schichtbus
Die dritte Ebene widmet sich der Inanspruchnahme der Landschaft insbesondere durch Aufschichtung riesiger Abraumhalden. Es könnte eine Darstellung von Krankheitsrisiken durch den Uranabbau geben, die insbesondere durch Silikose und die „Schneeberger Krankheit“ (Bronchialkarzinome) geprägt waren. Das war sicher nicht gewollt, darüber gibt es jedoch weltweit keine Kunst. Explizit tauchen die Namen Schlema und Ronneburg in den Bildwerken auf. Beide Orte stehen für eine exzessive Ausbeutung der Natur, geben aber auch ein gutes Beispiel für die Renaturierung der Abbaustätten und könnten in einer weiteren Ausstellung als Spannungspole figurieren.
Peter Kraft, Halden bei Ronneburg
Viktor Makejew, Sonne über dem Schacht
Die Zukunft der Sammlung
Die Ausstellung verstand sich als Beitrag zu einer längeren Diskussion um die Zukunft der Wismut-Sammlung. Experten, so heißt es, sind sich einig über die Qualität der Kunstwerke. Es braucht jedoch neue Strukturen, in denen die Sammlung bestehen und gepflegt werden kann. Die Wismut GmbH wird nach Beendigung der Renaturierungsarbeiten im Erzgebirge und Ostthüringen ihre Existenz beenden. Denkbar wäre die Form einer Stiftung. In einer solchen Form besteht die Willi-Sitte-Galerie in Merseburg. In einem weiteren Beitrag werden wir in Kürze über diesen Kunstort berichten.
(A. Matthies, Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e. V.)
Drei Monate lang wird in unserem Bezirk die Ausstellung „INNENANSICHTEN WELTBETRACHTUNGEN“ mit dem unbescheidenen Untertitel „GEGENSTÄNDLICHE KUNST IN DEUTSCHLAND“ zu sehen sein. Die Ausstellung in der Hellersdorfer Pyramide ist bis zum 5. Juli geöffnet. Kurator ist der Kunstwissenschaftler Dr. Kuno Schumacher, die Ausstellung ist ein gemeinsames Projekt von Zentrum für Kultur- und Zeitgeschichte und Ausstellungszentrum Pyramide, gefördert aus Mitteln des Bezirkskulturfonds Marzahn-Hellersdorf.
Überwundene Sprachlosigkeit
In der Einführung des Kataloges der Ausstellung schreibt Dr. Schumacher: “Gegenständliche Kunst weckt Erinnerungen an Marksteine der Kultur, stellt Identität her und vermag das einzelne Kunstwerk einmalig zu machen. Daher kommt auch das wachsende Unbehagen über die Beliebigkeit der Gestaltzeichen, deren Sinn sich in ihrer Existenz selbst erschöpft. Reine Abstraktion treibt die Geschichte ins Vergessen.“ Damit ist der Stellenwert der Ausstellung begründet und er stellt sich ohne Nervosität gegen den sogenannten Bilderstreit, wie er in der westdeutsch dominierten Debatte in der Weimarer Exposition „Offiziell und Inoffiziell – Die Kunst der DDR“ 1999 kulminiert war. Schumacher gibt ganz selbstverständlich 50 Künstlern aus 10 Bundesländern, die sich der gegenständlichen Kunst verpflichtet fühlen, hier Platz für eine Gesamtschau mit 112 Werken. Dazu merkt er ebenfalls im Katalog an: „Beglückendes Erlebnis waren für den Kurator die Besuche in vielen Ateliers. So ist an erster Stelle den Künstlern für ihre bereitwillige Kooperation und vielfältige praktische Hilfe mit Auskünften und Literatur zu danken.“
Viele Entdeckungen, manche Wiederbegegnung
Und es gibt eine Reihe von Entdeckungen zu machen. Neben bekannten ostdeutschen Künstlern wie den Mattheuers, Hachulla, Förster, Metzkes, Pfeifer, Sitte oder Heidrun Hegewald findet sich eine Reihe von westdeutschen Künstlern, die hier überwiegend nur Spezialisten bekannt sein dürfte. An der Spitze Matthias Koeppel, der als Berlin-Historiograph gilt und sich von der Romantik inspirieren lässt.
Bild: Der ehemalige Palast der Republik
Dabei sind stets ironisch-kritische Grundierungen erkennbar. Koeppel hat gegenwärtig eine große Werkschau im Ephraim-Palais. Neben ihm gleichberechtigt Johannes Grützke, beide Gründer der Künstlergruppe „Schule der Neuen Prächtigkeit“ in Berlin.
Bild: Nackter Oberkörper
Grützke hat in Frankfurt am Main ein großes Auftragswerk „Der Zug der Volksvertreter zur Paulskirche“ fertig gestellt. Weitere Künstlerinnen und Künstler, die ich nennen möchte, sind Michael Lassel, Christine Reinckens, Norbert Wagenbrett, Hans-Peter Szyszka, Nicola Klemz, Christopher Lehmpfuhl, Erhard Göttlicher, Atsuko Kato und Sigurd Kuscherus.
Bild: Turmbau zu Babel
Bild: Humboldt-Box
Eigentlich sind alle 112 Werke einer besonderen Betrachtung wert. Kein Bild ist statisch oder eindimensional: sie sind magisch oder surreal, expressiv oder fotorealistisch. Der Kurator bestätigt den Künstlern den „Wunsch, sich mitzuteilen, in konkreten Formen und Bildkompositionen metaphernreich dem künstlerischen Schaffen Welthaltigkeit zu verleihen“. Und er fasst zusammen: „Dass jede Generation sich des Lebens Reichtum, Vielfalt und Weite neu erringen muss, bedarf der konkreten Formen in unserer konkreten Weltwahrnehmung. Es ist existenziell schlechthin, was gegenständliche Kunst immer jung bleibend leistet.“ Dieses Statement ist auch sinngebend für das künftige Bilderschloss Biesdorf und seine Ausstellungen.
Gegenständliche Kunst am Markt
Am Ende eines Rundganges stellte ich dem Kurator die Frage nach dem Marktwert dieser Bilder. Ich zeigte auf zwei und Dr. Schumacher meinte, diese würden durchaus 30.000 oder 40.000 € erbringen. Gegenständliche Kunst hat selbstverständlich ihren Wert. Es gibt in der Ausstellung auch ein Bild von Neo Rauch. Rauch hat für eine Reihe von Bildern in den USA jeweils Preise um eine Million Dollar erzielt. Brad Pitt hat ein Bild im Wert von 680.000 € erworben. Das Gemälde „Die Kreuzung“ wurde allerdings bereits 1984 vom Kulturfonds der DDR bezahlt.
Bild: Die Kreuzung
Große Ausstellung für viele Besucher
Mir ist aufgefallen, dass ich die Ausstellung unterschätzt habe. Erst Tage später, auch nach einigen Blicken in den Katalog, habe ich die Bilder noch einmal auf mich wirken lassen. Es gibt immer neue Eindrücke und auch beim Nachschlagen der Künstlerinnen und Künstler erfährt man weiteres und vertiefendes. In dem Sinne kann man der Ausstellung bei freiem Eintritt und zehn Stunden Öffnungszeit täglich, außer Sonntag, nur viele Besucher wünschen. Eine solch wichtige Ausstellung von nationalem Rang wird es so schnell in Marzahn-Hellersdorf nicht wieder geben.
Ausstellungszentrum Pyramide: Riesaer Str. 94, 12627 Berlin.
Der Eintritt ist frei.
Es gelten erweiterte Öffnungszeiten: Mo-Sa, 10-20 Uhr.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog zum Preis von 18,00 €. Die Ausstellung schließt am 5.7.2014.
Führungen mit dem Kurator jeden Mittwoch 16 Uhr und nach Vereinbarung 030/902934163.
http://ausstellung.zga-berlin.de oder www.ausstellungszentrumpyramide.de
(Axel Matthies, Stiftung OWB Schloss Biesdorf e.V.)
Zur Geschichte des Schlosses in den letzten 60 Jahren
Am 13. Januar fand ein weiterer Vortrag zur Entwicklung des Schlosses und Park Biesdorf in den Jahren seit Ende des 2. Weltkrieges statt. Veranstalter waren wieder die Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. und die Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf. Frank Holzmann, der langjährige Geschäftsführer von BALL e.V., musste absagen, so dass der Vorsitzende der Stiftung, Dr. Heinrich Niemann, diesen Part übernahm.
Am 21. April 1945 marschierten die Truppen der Roten Armee im Eiltempo durch die Außenbezirke der damaligen Reichshauptstadt Richtung Zentrum. In heftigen Gefechten gab es noch einmal viele Tote auf beiden Seiten. Mehr als 200 Soldaten und Offiziere der Roten Armee wurden nach Kriegsende im Schloßpark bestattet. Dazu wurde der Park zum großen Teil eingefriedet. Das Schloss, in dem zuletzt die Polizei von Biesdorf, die Ortsgruppe der NSDAP und weitere Behörden untergebracht waren, wurde offensichtlich von diesen in Brand gesteckt. Rote Armee und lokale Kräfte sicherten sehr schnell das Ensemble und setzten es in nutzungsfähige Verhältnisse. Jetzt waren Schloss und Park Begräbnisstätte – das Objekt war geschützt. So konnte vermutlich auch ein Massenabholzen von Bäumen, wie in der gesamten Stadt geschehen, hier verhindert werden. So stehen noch heute eine geschützte Rotbuche und eine Zerreiche im Park, die schon Ende des 19. Jahrhunderts gepflanzt worden waren. Im Jahr 1958 wurden die gefallenen Soldaten exhumiert und auf den Parkfriedhof Marzahn umgebettet.
Damit begann auch eine neue Zeit für Schloss Biesdorf. In diesen Jahren hatte auch der Bildhauer Erwin Köbbert im Schloss sein Atelier: er ist der Schöpfer von Figuren, die noch heute im Bezirk stehen wie die „Schwurhand“ im Parkfriedhof Marzahn oder das Nilpferd „Knautschke“ im ehemaligen Werner-Bad.
Das Schloss entwickelte sich nun zu einer wichtigen kulturellen Einrichtung im Osten des Stadtbezirkes Lichtenberg. 1959 wurde im Schloss der 1. Dorfklub Berlins gegründet. Parallel entstanden im Park eine kleine Plansche sowie eine große Freilichtbühne mit 2000 Plätzen. Beliebt waren die Ferienspiele für die Kinder der Lichtenberger Schulen. Im Schloss selbst wurde das beliebte Kaminzimmer eingerichtet. Unter diesen Voraussetzungen wurde das Schloss Biesdorf zu einem attraktiven und bekannten Kultur-Fleckchen Erde in Ost-Berlin. Ab 1979 erhielt das Schloss den Status eines Kreiskulturhauses für den neuen Bezirk Marzahn.
Mit der Errichtung der Großsiedlung Marzahn wird der Park dann zu einem Eventtempel: Rassehundeschauen, Jahreszeitenfeste, Jahrestagsfeste… Manchmal sind bis zu 30.000 Besucher im Park. Die Menschen brauchen Feste, manchmal geht jedoch die Beziehung zu einem historisch gewachsenen Emsemble verloren. Die Verantwortlichen erkennen die Gefahr und stellen das Ensemble unter Denkmalschutz und: Sie sehen es Mitte der 80er Jahre des 20. Jhd. als Aufgabe, das Schloss wieder aufzubauen. Aber wie so oft fehlt es an geeigneten Kapazitäten, das Gebäude nach denkmalgerechten Kriterien wieder her zu stellen.
Nach 1990 schlagen anfängliche Versuche des Bezirksamtes fehl, für das Schloss geeignete Investoren zu finden. Ab dem Jahr 1991 kommt es vor allem im Park durch die Initiative von Bürgerinnen und Bürgern und der lokalen Politik dann zu praktischen Schritten der Veränderung. Als Schwerpunkt werden die alten Wegebeziehungen und der Fontänenteich wieder her gestellt. Dazu wurden bauliche Reste beseitigt, die nicht zum historischen Emsemble gehören. Sehr intensiv führte sich Klaus von Krosigk, der Leiter der Gartendenkmalpflege im Landesdenkmalamt Berlin, in diese Prozesse ein. Es entstehen nützliche Kontakte zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die sich später für die Schlosssanierung als Schlüsselfunktion erweisen sollen.
Von ganz besonderer Bedeutung für das Ensemble war die Einsetzung eines freien Trägers für dessen Betreibung: BALL e.V. übernimmt seit 1994 mit viel Tatkraft und Verantwortung diese Aufgabe nunmehr als Sozial-Kulturelles Stadtteilzentrum Biesdorf. Zuerst geht es um die Konzipierung neuer Angebote und Veranstaltungsformate. Durch Arbeitsfördermassnahmen werden die notwendigen Mitarbeiter gewonnen. So können durch eine vielfältige Nutzung weitere Gefährdungen des Gebäudes geblockt und beendet werden.
Auf die denkmalgerechte Sanierung von Aussenhülle und Schlossturm von 2002-2007 bei laufendem Betrieb durch die Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sei hier nur verwiesen.
Auch das bürgerschaftliche Engagement wird nun im Schloss intensiv befördert. Vor allem im Bürgerhaushaltsverfahren kann das Soziale Stadtteilzentrum Biesdorf beeindruckende Ergebnisse vorweisen.
Die Bilanz der Arbeit in den nunmehr 20 Jahren liest sich so: Etwa 250 Schlosskonzerte, 220 Lesungen und historische Vorträg und 157 Kunstausstellungen sind nur eine Auswahl des breiten Kulturangebots. Sie beweisen, dass BALL e.V. dem gesamten Emsemble permanent Leben eingehaucht hat. Viele Treffen zwischen Bürgerinnen und Bürgern, der lokalen und der Landespolitik zeigten, dass das Schloss in allen Teilen des Bezirkes, in den unterschiedlichen politischen Milieus angenommen ist und Stolz auf das gemeinsam Erreichte zu verzeichnen ist.
Das Jahr 2016 soll dann die Krönung werden und Schloss Biesdorf zu einem nationalen und internationalen Treffpunkt für eine Kunstgalerie, für einen „Bilderstreit“ machen. Das ist dann ein ganz normaler Schritt in eine neue Qualität. Dass dafür die Öffentliche Hand, also Bezirk und Land Berlin, eine undelegierbare Verantwortung tragen, ist eine wesentliche Schlußfolgerung aus der kulturellen Nutzungsgeschichte des Schlosses Biesdorf.
Denn das Schloss Biesdorf war immer ein Ort der Kultur.
Nächster Termin:
„Das Galeriekonzept im wiederaufgebauten Schloss Biesdorf“
10. Februar, 18.30 Uhr
Stadtteilzentrum Biesdorf, Alt-Biesdorf 15, 12683 Berlin
Der Verein Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf und die Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf setzten ihre Veranstaltungsreihe zum Wiederaufbau des Schlosses Biesdorf am 16. Dezember 2013 mit dem Vortrag „Das Projekt ‚Bildatlas: Kunst in der DDR‘ und die Diskussion zur Kunst in der DDR“ fort.
Im Stadtteilzentrum Biesdorf, Alt-Biesdorf 15, konnte die Kulturwissenschaftlerin Brigitta Möller zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger begrüßen, die anschließend auch sehr intensiv diskutierten.
Der Bildatlas „Kunst in der DDR“ ist in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt in den Jahren 2009 bis 2012 entstanden. Vier Partner, die Technische Universität und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam und das Kunstarchiv Beeskow haben bis zum Projektende mehr als 20.000 Gemälde aus 162 Sammlungen erfasst. Das Resultat ist unter www.bildatlas-ddr-kunst.de zu besichtigen.
Frau Möller war während der gesamten Projektzeit für das Kunstarchiv Beeskow dabei, die Kunstwerke für den Atlas aufzufinden, zu ordnen und die erforderlichen Daten zusammenzutragen. So konnte sie Zusammenhänge und Details unterhaltsam skizzieren. Ein prägender Eindruck war für sie, dass das Projekt von westdeutscher Seite eher als Alibi angelegt und von einer Fortführung des Projektes bisher ausdrücklich nie die Rede war, obwohl das Sammeln und Sichten noch nicht abgeschlossen sei. Manche Besuche in Depots, die unter staatlicher Aufsicht stehen, mussten mit List arrangiert werden. Dennoch ist die Materiallage nun eine ganz andere. Sie zitierte den Kunstwissenschaftler Paul Kaiser, der sich vor allem von der Qualität der außermusealen Sammlungen beeindruckt zeigte, insbesondere der damaligen volkseigenen Betriebe. Kaiser sieht in dem Maler Joachim Völkner eine Entdeckung. Völkner, der 1986 starb, hatte in der DDR nur eine einzige Personalausstellung in der Berliner Galerie „Weißer Elefant“. Ein Teil seines Werkes ist unter http://www.magnetberg.de/Voelkner/Katalog-1986.pdf zu besichtigen.
Das Projekt „Bildatlas“, so Frau Möller, sei nicht unumstritten gewesen. Matthias Flügge, langjähriger Kunstkritiker in der DDR und jetzt Rektor der Kunsthochschule Dresden, findet es „sinnlos aufgeblasen“. Wenn, dann müsse an die Kunst im Westen dieselben Fragen gestellt werden. Das Argument, in den Museen sei keine DDR-Kunst zu sehen, hält der Kunsthistoriker darüber hinaus für „blanken Blödsinn“. An diesem Thema entspann sich dann die Diskussion am Vortragsabend; sie lief weiter zu den Bedingungen der Kunstproduktion in der DDR und nahm sichschließlich des Themas des noch weitgehend unerschlossenen druckgrafischen Werkes an. Hier müsste ein hundertausendfaches Gesamtwerk aufbereitet werden. Kenner unterstrichen, dass die DDR-Kunst möglicherweise ein bedeutenderes druckgrafisches Werk als die Malerei hinterlassen habe.
Dr. Heinrich Niemann bedankte sich abschließend bei Frau Möller für ihren fundierten Vortrag.
Schon am Montag, 13. Januar 2014, 18.30 Uhr, zum Thema „Das Ensemble Schloss und Park Biesdorf – ein kulturelles Zentrum im Osten Berlins – Geschichten seiner Nutzung“ und dann im Februar stehen weitere Vorträge im Stadtteilzentrum Alt-Biesdorf 15 an.
Die Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V wird sich in der nun beginnenden Bauphase weiter für das Projekt Wiederaufbau Schloss Biesdorf engagieren. Denn ab 2016 sollen in der neuen Galerie in Biesdorf viele Künstler aus der DDR entdeckt oder wieder entdeckt werden.
Der Verein „Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf e.V.“ gestaltete in Zusammenarbeit mit dem Projekt Gesundheitswirtschaft des Bezirksamtes, mit der Volkshochschule und mit Unterstützung von BALL e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte zum „Tag des Offenen Denkmals 2013“ die letzten Veranstaltungen im Schloss vor dem Beginn des Wiederaufbaus des Obergeschosses.
Ein Bürgerfest, zu dem Bezirksstadträtin Juliane Witt eingeladen hatte, nahm zum Ausklang mit einem weinenden und einem lachenden Auge Abschied und sagte auf Wiedersehen im neuen Schloss Biesdorf.
Die Veranstaltungen würdigten den 100. Todestag am 7.September des namhaften Berliner Architekten und kongenialen Partner von Martin Gropius Heino Schmieden mit der Eröffnung einer Wanderausstellung über die Krankenhausbauten von Schmieden
(75 Teilnehmer). Der Historiker Oleg Peters, unser Vorstandsmitglied, stellte eine Seite des Schaffens von Schmieden vor, die ihn als international berühmten Erneuerer des Krankenhausbaus am Ende des 19. Jahrhunderts ausweisen. Die vom Berliner Landeskonservator Prof. Dr. Haspel eröffnete Schau wird in den nächsten Monaten in mehreren Berliner Krankenhäusern und anderen Standorten gezeigt werden.
Prof. Dr. Haspel erklärte in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung diese Veranstaltung zugleich als Eröffnungsveranstaltung Berlins zum diesjährigen Tag des Offenen Denkmals.
Schriftliche Grußworte des Gesundheitssenators Mario Czaja, von Kulturstaatssekretär Andrè Schmitz und der amtierenden Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle unterstrichen insbesondere die Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements, das entscheidend das Wiederaufbauprojekt vorangetrieben hat. Sie dankten unserem Verein für sein Wirken und würdigten das Werk unseres verstorbenen Ehrenvorsitzenden Dr. Günter Peters.
Für die fast 20- jährige Arbeit des BALL e.V. im Schloss Biesdorf als Träger einer weit ausstrahlenden soziokulturellen und Stadtteilarbeit wurde ebenso herzlich gedankt.
Der bevorstehende Beginn des Wiederaufbaus des Obergeschosses des Schlosses war am Sonntag, 8.9.13 Thema der Vortragsveranstaltung (60 Teilnehmer, gemeinsam mit der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf)).
Mit Beiträgen der Bezirksstadträtin Juliane Witt, als „Bauherrin“ für den Wiederaufbau, der Architektin Prof. Mara Pinardi und von Frau Dr. Ilona Weser, 1. Beigeordnete des Landkreises Oder-Spree und Leiterin des Kunstarchivs in Beeskow, wurden die Baupläne und die nächsten Schritte des Wiederaufbaus erläutert und das Potential des Kunstarchivs Beeskow als Kooperationspartner für die künftige Bildergalerie vorgestellt.
Frau Witt rief zu einer Spendenaktion zur Finanzierung der inneren Erschließung des Schlossturms mit einer Treppe auf. Leider ist diese eigentlich unabdingbare Baumaßnahme zur Erhöhung der Attraktivität des Schlosses bisher nicht finanziert.
Jede der 66 Treppenstufen wäre mit einer Summe von je 2000 Euro symbolisch herzustellen.
Der Vereinsvorsitzende Dr. Heinrich Niemann begründete zum Schluss der Vorträge mit der Frage „Wem gehört das Schloss?“ die größer gewordene Verantwortung des Eigentümers seit 86 Jahren, also des Landes Berlin bzw. des Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Nur so ist die so beeindruckende Inbesitznahme und Nutzung dieses schönen Ensembles aus Schloss und Park durch die Bürgerschaft auch künftig zu gewährleisten. Allein seit 1994 wurden 620.000 Besucher gezählt. Das gilt besonders für die neue Herausforderung zur Betreibung der Galerie. Insofern gehört die finanzielle Absicherung des Schlosses auf eine sogenannte Managementliste Berlins und des Bezirks. Für die Turmtreppen schlägt Dr. Niemann eine Absicherung im Haushaltsplan des Bezirks vor, die durch die Spenden gegenfinanziert wird, damit ihre Installation zum richtigen Zeitpunkt erfolgen kann. Die aktuelle Image-Kampagne des Bezirks Marzahn-Hellersdorf als „Berlins beste Aussicht“ würde so den dafür würdigsten Aussichtspunkt weit und breit erhalten.
(Dieser Vorschlag liegt dem Bezirksamt und den Fraktionen der BVV vor)
Beide Tage erhielten durch die Teilnahme und Redebeiträge von Urenkeln und deren Familien des Architekten H. Schmieden, Prof. Dr. med. Ernst Kraas und Ludwig Schmieden, sowie des Urenkels von Martin Gropius, des Historikers und Gropiusbiographen Prof. Dr. Arnold Körte(Wiesbaden) eine besondere Würdigung und Bedeutung.
Mit einem Bürgerfest mit Danksagung an den langjährigen Betreiber des Schlosses als soziokulturelles und Stadtteilzentrum, den freien Träger BALL e.V. klang dann am Sonntagnachmittag der letzte Tag eines zwei Jahrzehnte langen Abschnitts in der 145- jährigen Geschichte des Schlosses Biesdorf aus. Kinderzeichnungen, Live-Musik, Freibier und Gulaschkanone, Gespräche mit Akteuren, darunter dem Bezirksstadtrat Stephan Richter, an den ausgestellten Bauplänen, eine Videopräsentation von Kunstwerken aus dem Kunstarchiv Beeskow und die Vorstellung des neuen Standortes des Stadtteilzentrums in Altbiesdorf 15 bildeten die Programmpunkte.
An beiden Tagen besichtigten zahlreiche Besucher den aus diesem Anlass geöffneten Eiskeller im Schlosspark
Eine neue Publikation des Vereins „Rittergut und Schloss Biesdorf“ wurde vorgelegt. Es sind die mit zahlreichen Abbildungen ergänzten Aufzeichnungen des Dorfschullehrers Johannes Lehmann (1886 – 1945) zur Geschichte Biesdorfs und des Schlosses, die bis zum Jahre 1914 reichen. Das ist zugleich die älteste verfügbare Quelle zum Schloss Biesdorf. Sie ist beim Verein für 6,00 Euro erhältlich.
Das 14. Biesdorfer Blütenfest findet vom 9. bis 12. Mai 2013 im und um den Schlosspark Biesdorf statt. Weitere Informationen finden Sie hier.