Eine Baustellenbesichtigung des künftigen Bilderschlosses brachte aufschlussreiche Erkenntnisse zu Tage: es ist viel, viel mehr zu tun als erwartet. Die Bezirksstadträtin Julia Witt als Kulturverantwortliche und Bezirksstadtrat Stephan Richter als Verantwortlicher für den Bau hatten zu einer hochinformativen Besichtigung am 8. September gebeten. Dabei waren auch die beiden Bauüberwacher Alexander Pechmann und Jan M. Schmidt. Pechmann ist Geschäftsführer der PNS Gebäudeplanung und Projektsteuerung – die Gesellschaft hat bereits das Pergamonmuseum, das Bodemuseum und die Alte Nationalgalerie sowie das Schillertheater saniert. Schmidt ist als verantwortlicher Architekt bei Pinardi-Architekten für die denkmalgerechte Sanierung von Schloss Biesdorf zuständig – auch er hat bereits Erfahrungen mit Bauten wie den Museumshöfen des denkmalgeschützten Gebäudeensembles der ehemaligen Kaserne des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiments in Berlin-Mitte vorzuweisen.
Jan M. Schmidt (li.) und Alexander Pechmann
Rekonstruktion der letzten Kriegstage
Alexander Pechmann eröffnete die Besichtigung mit einer Rekonstruktion der letzten Kriegstage. Nach Sicherung aller Befunde, so Pechmann, muss man davon ausgehen, dass Kriegshandlungen im und am Schloss stattfanden. Dafür sprechen Einschüsse an den Wänden. Dabei, oder durch gezielten Beschuss, geriet das Dach in Brand, krachte in die Tiefe und kam erst auf der 1939 eingezogenen Luftschutzkellerdecke zum Halt. Dabei nahmen das zweite Geschoss totalen Schaden – und musste unmittelbar abgerissen werden – sowie das erste Geschoss schwere Schäden. Insgesamt gingen 50% der Bausubstanz zu Bruch. Um das Schloss schnell wieder herzurichten, wurden vor allem provisorische Maßnahmen umgesetzt. Es kam, wie Pechmann es ausdrückte, zu einer fortlaufenden Reparaturkette ohne den echten Ansatz einer Sanierung. Sein Fazit: „Es ist ein Glück, dass kein Mensch zu Schaden kam. Das Schloss hätte schon längst nach sicherheitstechnischen Erwägungen geschlossen sein müssen.“ So ruhte die Innentreppe am Haupteingang lediglich auf einem Schutthaufen. Wenn diese Treppe in Bewegung gekommen wäre, hätte dies aus Gründen der Statik weitere schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Er wollte das ausdrücklich nicht als Schuldzuweisung verstanden wissen. Wie überall in Deutschland seien Reparaturen nach Kriegsende nur mit den primitivsten Mitteln zu leisten gewesen.
Lange Liste von Schäden
Architekten und Bauüberwacher könnten stundenlange Vorträge über den Bauzustand des entkernten Schlosses halten. Wir wollen die Leserinnen und Leser nicht damit behelligen, aber doch versuchen, die Schadensproblematik verständlich zusammen zu fassen.
Alle wesentlichen Schäden sind durch das Feuer entstanden. Nach dem kürzlich erfolgten Abbruch des nicht mehr originalen Innenputzes stellte sich der Zustand des vorhandenen Ziegelmauerwerks als sehr porös heraus. So sind in großem Umfang Abplatzungen zu erkennen, die mit Sicherheit von den starken Brandeinwirkungen herrühren und zu einer statischen Schwächung der Wände geführt haben. Daher ist eine umfangreiche Ertüchtigung des Mauerwerkes vor Aufsetzen der zweiten Etage erforderlich. Pro Quadratmeter muss der Boden in der Galerieetage 500 Kilogramm tragen.
Die Entkernung des Schlosses hat sage und schreibe fast 5.000 Tonnen Schutt und Bauabfall erbracht, darunter Kriegsschutt, schadstoffbelastete Bauteile sowie belasteten und unbelasteten Aushub und Abfall. Einiges Nebengelass war versperrt und verfüllt.
Bei der aktuellen Sanierung und denkmalgerechten Wiederherstellung wurden nun auch nachträgliche Wandeinzüge zurückgebaut und die ursprünglichen Wandstellungen wieder hergestellt. Schwerpunkt ist hier vor allem das Gebäudezentrum im Bereich des Oktagons. Aufgrund des schlechten Zustands des Mauerwerks – vor allem im Erdgeschoss – musste im Zuge der Wiederaufstockung des Gebäudes nochmal ein erheblicher Anteil ursprünglicher Bausubstanz erneuert werden. Kleines Detail am Rande: das Mauerwerk des Schlosses wurde mit Ziegeln im sogenannten Reichsformat errichtet. Dieses Format ist heute nicht mehr verbindlich. Aus Sicht des Denkmalschutzes müssen die tragenden Wände des Schlosses aber mit Ziegeln im Reichsformat gemauert werden. Solche Ziegel werden heute kaum industriell sondern manufakturell erzeugt.
Wer das Schloss noch als lebendiges Soziales Stadtteilzentrum in Erinnerung hat, muss sich nun mit solchen Ansichten befassen.
Nach dieser Analyse wird verständlich, dass ein höherer finanzieller Aufwand nötig ist als bisher geplant. Dazu im Schlussteil mehr.
Die eigentlichen Sanierungsarbeiten beginnen jetzt
Das Schloss ist inzwischen von einem 40.000 m3 einnehmenden Gerüst mit Wetterdach eingehaust. Die Arbeiten werden als Winterbau geplant, es wird geheizt, wenn es notwendig ist. Ab sofort wird von 6.00 bis 23.00 Uhr einschließlich Sonnabend gearbeitet. Im Durchschnitt sind 30 Bauarbeiter im Einsatz, in Spitzenzeiten werden es bis fünfzig sein. Nach Möglichkeit, so Bauüberwacher Pechmann, soll in allen Etagen gleichzeitig koordiniert gearbeitet werden.
Kosten, Termine und Betreiber
Das Bezirksamt musste sich zu dieser neuen Sachlage positionieren. Die beiden Stadträte informierten, dass der Bezirk aus dem eigenen Haushalt 1.425.000 € zusätzlich zur Verfügung stellen wird, um das Vorhaben zu stemmen. Das Zeitfenster hat sich gedehnt. Vereinbartes Ziel mit der Kulturverwaltung ist nun der Start des Galeriebetriebes zum Ende des Jahres 2016. Sicher gestellt wird also, dass die Gäste, so Frau Witt, zur IGA 2017 ein funktionierendes Ensemble vorfinden, zu dem auch die Außenanlagen gehören. Das Haus wird über vier große Räume zwischen 40 und 70 qm verfügen, die Platz für vielfältigste Veranstaltungen bieten. Im Schloss wird die ursprüngliche Raumhöhe von fünf Metern wieder hergestellt.
Zu den möglichen Betreibern hat der Bezirk noch keine Entscheidung gefällt, es liegen zwei Projektskizzen von zwei landeseigenen Unternehmen vor: Von der GSE (Gesellschaft für Stadtentwicklung), die auch das Kunsthaus Bethanien in Kreuzberg betreibt und im Bezirk selbst das Freizeitforum Marzahn – und von der Grün GmbH, die als Betreiber der Gärten der Welt im Bezirk bekannt ist. Beide stellen die Konzepte in den bezirklichen Gremien für das Projekt in den nächsten Wochen vor: dem Steuerungsausschuss und dem Galeriebeirat; so dass mit einer Entscheidung im Bezirksamt im IV. Quartal gerechnet werden kann.
Es liegen nun klare und belastbare Aussagen zur Fertigstellung des künftigen Bilderschlosses Biesdorf vor. Wir als Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sind optimistisch, dass sowohl der Zeit- als auch der Kostenplan eingehalten werden. Der Besuch der Baustelle, die Beobachtung der laufenden Arbeiten und die erlebte Sachkenntnis und das Engagement der Bauüberwacher bestärken uns darin.
(Axel Matthies)