Zur Eröffnung der 3. Ausstellung im ZKR Schloss Biesdorf „Blick Verschiebung“
Am 20. Oktober wurde im Schloss Biesdorf die dritte Kunstausstellung des Zentrums für Kunst und öffentlichen Raum (ZKR) „Blick Verschiebung“ eröffnet; sie ist bis zum 8. April 2018 zu sehen. Das Thema „Blick Verschiebung“, so heißt es in dem Ausstellungsführer, beziehe sich auf „fotografische und filmische Erkundungen des Wandels von Landschaften und urbanen Strukturen, ebenso wie von Ökonomien und gesellschaftlichen Gefügen seit den späten 1980er-Jahren in Ostdeutschland“. 22 KünstlerInnen zeigen in ihren Arbeiten künstlerische Bildreflexionen von Veränderungen. Dabei würden die jüngeren Arbeiten den Status quo abbilden und den erlebten Wandel, während die älteren die sich andeutenden Umschwünge reflektierten.
Der hoffnungsvolle Besucher freut sich auf die neue Exposition. Ein erster Gang durch die Schau summiert jedoch recht schnell das Vorhersehbare nach den beiden vorangegangen Ausstellungen: es dominieren kollabierende Betriebe, triste Landschaften, verfallene Häuser. Es überwiegen Fotos in den Jahreszeiten Herbst und Winter in schwarz-weiß, viele Bilder sind weitgehend frei von Menschen – so als lägen Orte und Landschaften lange und unwiderruflich wüst. Es verdichtet sich beim Betrachter die Erfahrung, dass die DDR und Ostdeutschland als Folie für „das ökonomische Desaster“, eine „trostlose Dystopie“ oder ein „gescheitertes urbanes Konzept der Spätmoderne“ dienen, wie im Ausstellungsführer formuliert wird.
Neue Installation im Oktagon
Auch die Installation im Oktagon fehlt dieses Mal nicht: das RAUMLABORBERLIN zeigt NALEPASTRASSE –RAUMSTRUKTUR02 2017. Das ist eine Auftürmung von „Plattenbautüren“ aus dem Funkhauskomplex in der Berliner Nalepastrasse. Damit stünde die „Architekturskulptur für die andauernde Transformation Berlins“. Die Türen sind weiß gestrichen und heben sich somit wohltuend von den schwarzen LKW-Reifen Michael Sailstorfers im Herbst vergangenen Jahres ab. Ulrike Kremeier, die Direktorin des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst, die gemeinsam mit Katja Aßmann vom ZKR Schloss Biesdorf die Ausstellung aus den Beständen ihres Museums kuratiert hat, bezeichnete die Installation als „skulpturalen Wert“.
Kuratorin Katja Aßmann zwischen den Türen
Berührende Fotos aus der Heimat
Nichtsdestoweniger, ich gebe jetzt persönliche Eindrücke wider, kann man auch sehr berührende Fotos betrachten. Einige KünstlerInnen aus dem Osten, die diese Region als Heimat betrachten, nähern sich ihr nicht von außen, sondern als lange Zeit selbst erfahrene. Joachim Richau präsentiert Fotos von der Insel Kietz bei Küstrin, Alexander Janetzko „Streusand – ich komme aus“, das sind Bilder aus seiner Heimat in der Niederlausitz, Monika Lawrenz dokumentiert das Schicksal der Obstbaumalleen in der Prignitz nach der Wende und Thomas Wolf hielt Industriegeschichte in Wittenberge fest. Altmeister Arno Fischer ist mit einer Serie über einen ehemaligen Sanatoriumskomplex in Hohenlychen vertreten.
Fotos von Alexander Janetzko
Höhepunkt „Manhattan“
Von ganz besonderem Wert hingegen ist für mich die Fotodokumentation von Stephanie Steinkopf „Manhattan – Straße der Jugend 2012“. „Manhattan“, das sind zwei Neubaublocks am Rande von Letschin, einem durchaus bekannten Ort im Oderbruch nördlich von Küstrin.
Dort leben mehr als 20 Jahre nach der Wende diejenigen Letschiner, die den Systemwechsel nicht bewältigt haben, die übrig geblieben sind und ganz offensichtlich nicht mehr wegkommen. Stephanie Steinkopf, die in Letschin aufwuchs, ist zurückgekehrt und gewinnt das Vertrauen der Mieter. Es entstehen Bilder von Einsamkeit und Verzweiflung, aber auch von Wärme und Kraft. Die Fotoserie erscheint zuerst 2014 im „Stern“ und macht dann Karriere. Die Fotografin erhält Preise und Anerkennung.
Frank Schirrmeister, ein Fotografenkollege von der Agentur Ostkreuz, beschreibt den Wert dieser Arbeit so: „..erinnert ihre Vorgehensweise, also die Tatsache, dass sie die Bewohner »Manhattans« über mehrere Jahre hinweg immer wieder besucht und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, den Betrachter sehr schnell an die ethnologische Methode der Feldforschung. Ohne die physische Präsenz in dem tristen Plattenbau am Rande Letschins über einen langen Zeitraum und ohne die Interaktion mit der sozialen Gruppe der Bewohner, ja mehr noch, ohne eine eigene Rolle in diesem Gefüge, wären ihr wohl kaum solch intensive Porträts gelungen, die von Nähe und unbedingtem Vertrauen der Porträtierten in die Fotografin zeugen. Der Verantwortung, die sich daraus ergibt, ist sich Steinkopf bewusst. Der große Erfolg von »Manhattan« – Ausstellungen, zahlreiche Preise, (Fernseh-) Interviews, Veröffentlichungen – sei häufig eine Gratwanderung, wie sie betont. Stets müsse man neu aushandeln, wie weit man gehen könne und wolle, um die Bewohner des Plattenbaus nicht bloßzustellen und einen Armutsporno daraus zu machen.
Die Manhattan-Blöcke
Bis heute fährt sie regelmäßig nach Letschin, um sich des Einverständnisses der Leute zu versichern und ihnen auch mal abzuraten, Boulevardmedien Interviews zu geben oder bestimmte Fernsehsender und ihre Anfragen zu meiden.“
Stephanie Steinkopf ist der Star dieser Ausstellung. Sie hat die Ostkreuzschule besucht und ist Mitglied der großen Agentur Ostkreuz.
Stephanie Steinkopf (Foto: Steinkopf)
Leider erfährt man diese große Geschichte in der Ausstellung nicht komplett. Man erfährt auch nicht, dass sich die beiden Manhattan-Blöcke in der Hand eines „Berliner Investors“ befinden, der plant, solvente Berliner Rentner in das Oderbruch zu locken.
Insgesamt empfehle ich Ihnen einen Besuch der Exposition. Machen Sie sich selbst ein Bild und entdecken Sie weitere Geschichten hinter den Fotos.
Generell bleibt eine wichtige Frage im Raum stehen: welche Klientel bedient das ZKR mit seinen Expositionen? Zur Vernissage waren nur sehr wenige Menschen aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf zu entdecken… Das Haus gehört unserem Bezirk. Und es besitzt einen eigenen genius loci.
Blick Verschiebung
21.10.2017 – 8.4.2018
Mittwoch – Montag: 10.00 – 18.00 Uhr
Dienstag geschlossen
Eintritt 5,00 €, erm. 2,50 €. Gruppenpreise erfragen. Montag generell 2,50 €.
P.S.
Im Juli, anläßlich des feierlichen Gedenkens des 50. Todestages von Otto Nagel, hatte Kulturstadträtin Juliane Witt versprochen, das das Gemälde „Wochenmarkt am Wedding“ einen festen Platz im Schloss Biesdorf finden wird. Sie hat Wort gehalten.
(Axel Matthies)