Sportstadt Berlin – Engagement, Leistungsbereitschaft und Erfolg in einem komplizierten Umfeld

Die „BIESDORFER BEGEGNUNG“ am 28. August 2024 fand erstmals nicht im Schloss Biesdorf, sondern im Sportmuseum Marzahn-Hellersdorf in der Eisenacher Straße statt – einer kleinen, aber feinen, ehrenamtlich geleiteten Einrichtung, die immer einen Besuch wert ist. Das Thema des Abends war „Sportstadt Berlin“ – so kurz nach der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland und Olympia in Paris eigentlich ein naheliegendes Thema. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit dem Bezirkssportbund Marzahn-Hellersdorf organisiert, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle hatten den Abend perfekt vorbereitet.

Blick in die Ausstellung des Sportmuseums

Berlins Leistungs- und Breitensportszene ist riesig – hier befindet sich der größte deutsche Olympiastützpunkt, mehr als 800.000 Mitglieder aller Altersstufen sind in über 2.400 Sportvereinen aktiv. Sechs erfolgreiche Profi- Vereine kämpfen um Meistertitel und Medaillen. Großveranstaltungen im Spitzen- und Freizeitsport halten die Stadt über das ganze Jahr hinweg in Atem. Politiker, Sportwissenschaftler, Trainer, Ehrenamtliche in den vielen Vereinen – alle wirken an unterschiedlicher Stelle mit, dass der Sport eines der bedeutendsten und am stärksten wahrgenommenen Aushängeschilder für Berlin ist und bleibt.

In Vertretung der eigentlich für den Abend angekündigten Sportsenatorin Iris Spranger setzte die für den Sportbereich verantwortliche Staatssekretärin Franziska Becker in ihren einführenden Worten die Schwerpunkte für die nachfolgenden Gespräche und Diskussionen: eine erfolgreiche Leistungsbilanz der Berliner Spitzensportler, eine gut aufgestellte Infrastruktur für den Breiten- und Leistungssport, viel Unterstützung aus Wirtschaft und Sportwissenschaft. Aus aktuellem Anlass verwies sie auf das Interesse Berlins an einer Olympiabewerbung – die Stadt sei bereit dafür.

Mit Doris Nabrowsky vom Vorstand des Hellersdorfer Athletik Clubs Berlin (ACB), dem zweitgrößten Marzahn-Hellersdorfer Sportverein, konnte eine kompetente und sehr engagierte unmittelbar Beteiligte viele Punkte der Staatssekretärin bestätigen, verwies aber auch auf bestehende Probleme bei der Organisation der umfangreichen Angebote des Vereins für Leistungs- und Breitensport. Angefangenen beim (berlinweit) recht hohen Sanierungsbedarf für bestehende Sportanlagen, dem Nachholebedarf bei notwendigen Neubauten im Rahmen der wachsenden Stadt, dem Thema der Unterfinanzierung der Trainer und Übungsleiter bis zur zunehmenden Bürokratie bei der Beantragung von Fördergeldern im Sportbereich – eine breite Palette von Themen, mit denen sich die Sportverantwortlichen im Ehrenamt täglich an der Basis beschäftigen müssen. Und wenn dazu noch Probleme der ungeklärten Einbürgerung hoffnungsvoller Nachwuchstalente wie beim ebenfalls anwesenden Dreispringer Arsen Tschantshapayan (Norddeutscher Meister, Ranglistendritter in der deutschen U23) kommen, wird es noch komplizierter. Die Staatssekretärin hatte aufmerksam zugehört und sicher einige Themen mitgenommen …

Von den Besuchern der Veranstaltung wurde das Thema der aus ihrer Sicht ungerechten Verteilung der Gelder im Sportbereich angesprochen. Während im Profifußball bereits unterklassige mittelmäßige Spieler ein recht bekömmliches Auskommen mit ihrem Sport haben, ist das in fast allen anderen Sportarten nicht der Fall. Die wenigsten Sportler in anderen Sportarten, darunter auch viele Weltklasseathleten, sind mit den Geldern aus Förderung und Sponsoring ausreichend unterstützt, in vielen Fällen ist die Einheit von Sport und Ausbildung nicht umfassend gewährleistet. Christine Stüber-Errath, einzige Berliner Eiskunstlaufweltmeisterin, äußerte sich dazu mit Vehemenz und deutlich kritischem Akzent. Leistungen in Sportarten, die weniger im Rampenlicht stehen, werden aus ihrer Sicht zu wenig gewürdigt und gefördert, vielfach funktioniert der Nachwuchsbereich nur durch das Engagement der Eltern bzw. der ganzen Familie. Das Fördersystem im Leistungssport ist aus ihrer Sicht an vielen Stellen ungerecht und überholungsbedürftig, sie hofft auf positive Veränderungen im Rahmen der angedachten Reform der Sportförderung. Darüber hinaus verwies sie darauf, dass viele anerkannte Leistungen aus dem DDR- Sport ihrer Auffassung nach in Vergessenheit geraten sind bzw. nicht ausreichend gewürdigt würden und belegte dies an Beispielen aus ihrer Disziplin, dem Eiskunstlaufen.

Auf dem Podium saßen: Dreispringer Tschantshapayan, Frau Nabrowsky, Frau Stüber-Errath, Staatssekretärin Becker, Herr Teichmann und Moderator Dr. Freier

Weitere Themen der Beiträge aus dem Publikum waren der Kinder- und Jugendsport, die Möglichkeiten der sportliche Betätigung bereits im Kita- Bereich, die Situation im Schulsport (insbesondere Schwimmunterricht) und die Möglichkeiten, die dem Bezirk zur Verfügung stehen, um breitenwirksam alle sportlichen Interessen zu unterstützen. Hierzu waren die Ausführungen der Bürgermeisterin Nadja Zivkovic und des Sportbezirksstadtrats Stefan Bley hilfreich und informativ. Einen Termin für die Fertigstellung des geplanten Kombibades für den Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf konnte die Bürgermeisterin – auch nach mehrfachem Nachfragen – aber noch nicht benennen …

Während der Diskussion, vorne Bürgermeisterin Zivkovic und Sportstadtrat Bley

Mit sehr persönlichen und detaillierten Beiträgen trug Alexander Teichmann, der Präsident von ttc eastside Berlin zum Gelingen des Abends bei. Den wenigsten dürfte bekannt sein, dass das Tischtennis- Frauenteam des ttc eastside die erfolgreichste Berliner Sportmannschaft ist (10facher Deutscher Meister, 9x Pokalsieger, 4x Triple-Gewinner von Meisterschaft, Pokal und Championsleague) – da kommt selbst Bayern München ins Staunen. Insbesondere die Stabilität und Langfristigkeit, mit der im nicht einfachen Umfeld des Leistungssports in Berlin im Frauentischtennis begeisternder Sport auf höchstem Niveau
möglich gemacht wird, hat das Publikum beeindruckt. Die Championsleague-Spiele der Mannschaft kann man übrigens auch in dieser Saison in der Halle im Freizeitforum Marzahn anschauen – ein Muss für jeden Fan …

Zum Abschluss des Abends berichtete Christine Stüber-Errath noch lebhaft und mit vielen Geschichten aus Ihrer Karriere – aufgrund der fortgeschritten Zeit leider viel zu kurz. Wir haben mit ihr vereinbart, dass wir ihr in 2025 einen separaten Abend im Schloss Biesdorf widmen werden. Ihr aktuelles Buch „Meine erste 6,0“ konnte erworben werden, natürlich mit persönlicher Widmung – davon wurde reichlich Gebrauch gemacht.

Alles in allem ein intensiver, diskussionsreicher Abend mit positivem Echo bei den Teilnehmern. Insbesondere das eindrucksvoll erlebte Engagement und die Motivation, ein Umfeld zu schaffen, in dem sportliche Betätigung für viele Menschen aller Altersstufen möglich ist, hat den Abend maßgeblich mitbestimmt. Und dies an vielen Stellen ehrenamtlich und trotz der deutlich genannten Probleme, die immer wieder neue Lösungen erfordern. Wir wünschen allen Teilnehmern der Veranstaltung und dem Bezirkssportbund alles Gute und viele weitere sportliche Erfolge – im Großen und im Kleinen!

PS: Eine am Schluss unter den Anwesenden der Veranstaltung durchgeführte Blitzumfrage, ob sich Berlin für die Olympischen Spiele bewerben solle, ergab keine Mehrheit für ein solches Projekt. Noch viel Überzeugungsarbeit also für die Verantwortlichen aus Politik und Sport, um dies zu ändern ….

(Dr. Klaus Freier)

vom: 24.09.2024