Ein Leben nach dem Hummel-Prinzip

BIESDORFER BEGEGNUNG mit Christine Stüber-Errath am 5. Februar 2025 im Schloss Biesdorf

Einen sehr kurzweiligen Abend anläßlich einer BIESDORFER BEGEGNUNG erlebten mehr als 50 BesucherInnen im voll besetzten Musiksaal des Biesdorfer Schlosses am 5. Februar 2025. Die erfolgreiche Eiskunstläuferin Christine Stüber-Errath erzählte äußerst unterhaltsam und beredt über ihre sportliche Karriere und die Jahrzehnte danach. Ihr Leben habe sie nach dem Hummelprinzip gestaltet: die Hummel weiß nicht, dass sie für das Fliegen viel zu schwer ist – sie tut es einfach. „Mir ging es oft genau so“, kommentierte die Sportlerin.

Begrüßung durch Moderator
Klaus Freier

Christine war schon als Kind äußerst bewegungshungrig, tanzte nach jeder Musik und wurde beim Rollschuhlaufen als talentiert entdeckt. Sie kam zum SC Dynamo Berlin, die heutige Trainerlegende Inge Wischnewski wurde ihre Übungsleiterin. Das Kind wurde als würdig für den Leistungssport erkannt und auf die Kinder- und Jugendsportschule delegiert. Damit begann ein Leben nach Strenge und Disziplin. Frau Errath-Stüber zeigt gleich am Anfang ihres Vortrages noch eine ganz saubere Beinspreize.

Für sie begann in der Schulzeit jeder Tag gleich: Training ab 7.00 Uhr mit hoher Belastung, oft Eintönigkeit. Dann Schule, Training und physiotherapeutische Maßnahmen. Es war sehr langweilig, sie musste sich immer wieder neu motivieren, die Mutter half. Dazu kommen Verletzungen und Reha-Wochen. Das ist über die Jahre schwer zu ertragen und nur mit Erfolgen zu kompensieren. Die Konkurrenz ist zwar nicht zahlreich, aber immens stark. In Karl-Marx-Stadt trainierten bei Jutta Müller Gabi Seyfert und Sonja Morgenstern, später Anett Pötzsch. Als Neunjährige gesteht Christine dem Reporter Heinz Florian Oertel in einem Interview: Ich will Europameisterin werden! Sie wird Recht behalten.

Die Erfolge stellten sich ein. Christine wird mit 12 Jahren Dritte bei den DDR-Meisterschaften, das ist ihre erste Medaille. Sie wird sich auf den 2. Platz steigern und schließlich 1974 und 1975 auf dem obersten Treppchen stehen. Mit 16 Jahren wird sie zum ersten Mal Europameisterin, mit 17 Weltmeisterin. Insgesamt erringt sie 3 Europameistertitel, wird ein Mal Weltmeisterin und holt Bronze bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck.

Christine Errath bei ihrer Kür zur
DDR-Meisterin 1974 im Sportforum Berlin. Foto Mittelstädt/Bundesarchiv

Diese Winterspiele werden für sie eine ganz besondere Herausforderung. Christine soll unbedingt eine Medaille holen, am besten natürlich Gold. Aber sie zieht sich im Herbst eine schwere Bänderverletzung zu. Eine Welt bricht zusammen. Ärzte und Physiotherapeuten geben ihr Bestes, Christine kämpft und kann sich zurück beißen. Sie bekommt vom Verband die Chance, ohne vorherige Qualifikation zu den Spielen gemeldet zu werden. Sie muss aber versprechen, ihre Karriere nicht – wie geplant – zu beenden, sondern weiter zu laufen. Nach einer schwer erkämpften Bronzemedaille schließt sie dennoch ihre Laufbahn ab und beginnt ein Germanistikstudium an der Humboldt-Universität. Straffrei kommt sie aber nicht davon: die Auszeichnungsreise mit der „Völkerfreundschaft“ nach Kuba wird gestrichen: es kann doch nicht jeder machen was er will! Wer will, kann sich ihre Olympia-Kür hier ansehen.

Nach dem erfolgreichen Germanistik-Studium beginnt Christine Errath als Journalistin zu arbeiten, zuerst im Kinder-Fernsehen, dann zunehmend beim Sport. Christine behält auch im Beruf ihre Popularität und beginnt eine neue Karriere als Fernsehliebling. Sie kann Schnurren über Oertel, Jutta Müller und viele andere erzählen. Als Fersehliebling nimmt sie auch an der „Nacht der Prominenten“ teil. Obwohl sie nicht schwindelfrei sei, wie sie sagt, entscheidet sie sich für eine Nummer mit den Seilakrobaten „Glorias“. Sie trainiert hart und segelt unfallfrei durch die Manege.

Den politischen Umbruch 1989/90 übersteht sie wie viele andere Menschen nicht ohne Veränderungen und Verluste. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Familie muss ernährt werden. Bald gibt es aber beim Mitteldeutschen Rundfunkt die Chance, die Co-Moderation bei der äußerst beliebten Sendung „Außenseiter – Spitzenreiter“ dauerhaft ins Programm zurück zu holen und sie ist wieder dabei. Von 1993 bis 2007 steht sie vor der Kamera. Eine besondere Gabe wird diagnostiziert: sie könne noch schneller sprechen als Regine Hildebrandt, die beliebte Ministerin aus Brandenburg. Nach 15 Jahren ist sie allerdings ausgelaugt. Sie steigt aus dem Job aus.

Inzwischen ist Frau Errath geschieden und die Kinder volljährig. Bei einem Routinebesuch bei ihrem Kieferchirugen verliebt sie sich in diesen. Sie sehen sich bald wieder. Die Heirat folgt auf dem Fuße. Seit vielen Jahren lebt Christine Stüber-Errath nun in Wildau; sie, die Berlinerin, die sich nie vorstellen konnte, ihre Heimatstadt jemals zu verlassen. Sie engagiert sich dort kommunalpolitisch. Silvester 2024 ist das Ehepaar wie immer im Urlaub, auch um Christines Geburtstag zu feiern. Am Neujahrstag meldet sich per Handy die Nachbarin mit der schlimmen Meldung: bei euch ist eingebrochen worden! Neben Wertsachen fehlen auch Medaillen. Über verschiedene, auch soziale, Medien hat die erfolgreiche Sportlerin die Diebe gebeten, wenigstens die Medaillen zurück zu geben. Sie muss noch warten…

Neben vielen kleinen Erinnerungsstücken hat Frau Stüber-Errath auch vier Kürkostüme mitgebracht. Mit denen hat es eine besondere Bewandtnis. Alle sind von der Mutter genäht, die sie jeder Pore am Körper der Tochter genauestens anpassen konnte. Die Stoffe der Kostüme hingegen hat Christine alle von ihren Reisen aus dem Westen mitgebracht. „Wir bekamen in der Regel 10 D-Mark pro Tag. Damit bin ich in die Läden gegangen und habe Ausschau gehalten nach attraktiven Stoffen. Ich bin ehrlich: die Stoffe passten besser und lagen eng am Körper.“

Das gelbe Kostüm rechts trug Christine zu den Olympischen Spielen 1976

Der Vortrag klang mit langem und sehr herzlichem Applaus der vielen ZuschauerInnen aus. Moderator Klaus Freier bedankte sich ebenso herzlich bei Frau Stüber-Errath. Er versuchte sie zu trösten mit dem Plakat zur Ankündigung der Europameisterschaften 1975 in Kopenhagen. Anschließend signierte sie für viele interessierte Gäste ihr Buch „Meine erste 6,0 – Die beeindruckende Lebenskür der Christine Stüber-Errath“.

Signierung ihres Buches mit vielen
freundlichen Erinnerungen

Da zu diesem Vortrag nicht alle Nachfragen befriedigt werden konnten, wird es im Herbst eine weitere Veranstaltung im Schloss Biesdorf geben.

(Axel Matthies)

vom: 05.03.2025