Diesen Gastbeitrag stellte uns die Autorin Annette Voigt zur Verfügung. Er illustriert die Wege der Familie von Siemens in Deutschland. Anna Zanders ist eine Tochter Werner von Siemens‘ und eine Schwester Wilhelm von Siemens‘.
Albert Brodersen und Anna Zanders gestalteten von 1898 bis 1910 gemeinsam den Park Haus Lerbach in Bergisch Gladbach. Anna Zanders war zwar in der Großstadt Berlin aufgewachsen, liebte aber die Natur mehr als die Stadt. Die Neugestaltung des Parkgeländes lag ihr sehr am Herzen, sodass sie daran maßgeblich aktiv beteiligt war. Anna Zanders war passionierte Gärtnerin und stets sprach sie mit Wärme von ihrem Park. Im Park-Wald kannte sie jeden Baum, so berichteten ihre Gäste. Sie selbst pflanzte Bäume und verpflanzte aber auch große, ausgewachsene Bäume. „Die Axt ist das wichtigste Gerät des Gärtners“ oder „Man muss dicht pflanzen und dann durchforsten“, so soll sie sich öfters in punkto Parkpflege geäußert haben.
Ihren straffen Arbeitsalltag begann sie morgens früh mit einem ausgedehnten Rundgang durch den Park. Danach tauschte sie sich regelmäßig sowohl mit ihren Gärtnern als auch mit ihrem Parkgestalter Albert Brodersen aus. Die erörterten Aufgaben hielt sie in Kladden fest. Eine Notiz von August 1930 lautet z. B.: „Östlich vom Gartenhaus eine Fliedergruppe gepflanzt, großen trockenen Nussbaum geschlagen, zwei neue Pflanzen rechts vom ‚Milchweg‘, im kleinen Waldstück Sträucher und Bäume geschlagen“ oder von Juli 1932: „Erdbeeren in den Sorten König Albert und Sankt Josef sind zu pflanzen“.
Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Richard 1906 tat ihr der Park und die Leitung des Gutes gemäß ihrer eigenen Aussage in dieser schweren Zeit gut und brachten ihr „wohltuende Ablenkung“. Um den Park-Umbau, der für sie zur Lebensaufgabe wurde, kümmerte sie sich nun alleine. Bis zu ihrem 81. Lebensjahr kurz vor ihrem Tod 1939, so berichtete ihre Schwester Hertha, war sie mit Verbesserungen in ihrem Park beschäftigt. Im Park halfen ihr eine Vielzahl an erfahrenen Gärtnern. Bis 1910 hatte sie den Gartengestalter Albert Brodersen an ihrer Seite, wobei Brodersen sich an den Grundsatz hielt, das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden. Dies kam Anna Zanders gelegen und gemeinsam legten sie den Nutzgarten, den Obst- und Gemüsegarten an, geometrisch und mit Natursteinmauern terrassiert. Die Terrassierung glich die bestehenden Höhenunterscheide in dieser Gartenpartie aus. Ab 1906 wuchsen hier viele verschiedene Apfel- und Birnbäume. Bei den Birnen wählte Anna Zanders gerne französische Sorten aus wie „Gute Luise“ (seit 1778 kultiviert) „Alexander Lucas“ (Züchtung von 1874) oder „Gräfin von Paris“ (1889 in einer französuscgeb Gartenfachzeitschrift vorgestellt). Bei den Äpfeln bevorzugte sie regionale Sorten, u.a. „Boskop“, „Ontario“ (1922 von der „Deutschen Obstbau-Gesellschaft empfohlen), „Freiherr von Berlepsch“ und die „Rheinische Winterrambur“.
Anna Zanders war überzeugte Vegetarierin und versorgte sich mit frischem Gemüse und Obst aus ihrem hauseigenen Garten. Das Obst, neben Äpfeln und Birnen unter anderem Pflaumen, Reineclauden (spezielle, meist grüne Mirabellensorte), Pfirsiche und Kirschen verwendete man zum direkten Verzehr, Einmachen, Saften und Backen. In der Nähe des Gemüsebeets befanden sich die Kräuterbeete, die von hochstämmigen Beerensträuchern eingerahmt waren Es gab einen Walnussbaum in der Mitte eines kleinen Rondells und einen Maulbeerbaum am Eingang zum Wirtschaftsbereich, zu dem die Glas-Gewächshäuser für Wein, das Gärtnerhaus und der Geräteschuppen zählten. Im Gärtnerhaus wurden die Blumen für die Terrassenbeete gezogen und in der Arbeitshalle überwinterten die Kübelpflanzen. Der mächtige Ginko-Baum am Haupteingang in der Nähe des Turms stammt, so sagt man, von Albert Brodersen. Anna Zanders hatte oft Gäste in Haus Lerbach, die auch den Park schätzten. Ihr häufiger Gast Friedrich Paulsen mochte besonders die frühmorgendliche friedliche Stimmung im Park. Er schrieb in den 1930er Jahren u.a.: „Der Garten war 40 Jahre lang Gegenstand sorgsamer Pflege. Er lag in einem Tal, das ein nicht eben wasserreicher Bach durchzog, ein Teich war von jeher aufgestaut, einen zweiten hatte man im vergangenen Jahr auf einer feuchten und wenig ertragreichen Wiese angelegt“.
Viele stellten und stellen sich die Frage, warum Anna Zanders ausgerechnet einen Landschaftsgärtner aus Berlin mit der Parkumgestaltung beauftragte, der nach ihren Worten „den Park sehr einfühlsam gestaltete“. Anna Zanders kannte Albert Brodersens deutschlandweiten guten Ruf. Zuerst begegnete sie Brodersen auf dem Berliner Gut Biesdorf ihres Bruders Wilhelm von Siemens. Wilhelm war 1888 mit seiner Familie nach Biesdorf gezogen, dessen Gutspark Albert Brodersen ebenfalls in einen englischen Landschaftsgarten umwandelte. Biesdorf befand sich da seit einem Jahr im Besitz der Familie von Siemens und war Mittelpunkt für gesellige Treffen, Gartengesellschaften und Familienfeiern, an denen auch Anna Zanders teilnahm. In einem Brief vom 24.05.1889 erwähnte ihre Schwester Herta Harries Anna eine solche Gartenfeier in Biesdorf, zu denen auch Albert Brodersen häufig eingeladen war. Am regelmäßig stattfindenden „Kreativen Netzwerk“, in dem es um die Belange der Gemeinde Biesdorf ging, nahmen sowohl Brodersen als auch Anna Zanders teil. Dies belegt eine der erhaltenen Teilnahmelisten.
Eine weitere Verbindung zu Haus Lerbach besteht darin, dass Brodersen mit Gabriel von Seidl, dem Architekten von Haus Lerbach, gut bekannt war. Ludwig Bopp, Seidels Bauleiter von Haus Lerbach, entwarf übrigens 1902 für Gut Biesdorf das Beamten-Wohnhaus mit sechs Mitarbeiterwohnungen und erbaute auf Empfehlung Anna Zanders 1904 das Obergärtnerhaus im Park von Biesdorf. Als Anna Zanders Albert Brodersen mit der Neugestaltung des Parkes Lerbach beauftragte, war der selbständiger Landschaftsgärtner. Seit 1894 betrieb er zusammen mit seinem Schwager Gustav Körner die Landschaftsgärtnerei seines Schiegervaters. Diese Landschaftsgärtnerei „Körner & Brodersen“ gestaltete seinerzeit über zwanzig Parkanlagen und Villengärten unter anderem im Rheinland, in Berlin, im heutigen Polen und am Wannsee, dort z. B. den Villenpark des Malers Max Liebermann. Alfred Lichtwerk, Direktor der Hamburger Kunsthalle, bemerkte Liebermann gegenüber, dass Brodersen „ein Landschaftsgestalter sei, dem es Spaß mache, Probleme zu wälzen und aus dem Zeichnen ins Bauen zu kommen“. Man schätzte also Albert Brodersen als sehr versierten Landschaftsgärtner, der sich im Gartenbau exzellent auskannte und der die bestehende Schönheit einer Landschaft dazu nutzte, diese in seinen Parkgestaltungen klar sichtbar zu machen.
Brodersen veröffentlichte im damals einflussreichen Magazin „Die Gartenkunst“ und vergrößerte somit sein Renommee. 1910 verfasste er hier einen Artikel zum Park Haus Lerbach. Diese von der Gartenfachwelt geschätzte Zeitschrift wurde seit 1899 von der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) herausgegeben, die auch heute noch besteht. Brodersen beschrieb in diesem Artikel, dass im Lerbacher Park von 1898 -1910 immer wieder viel an Gehölzen und Pflanzen verändert wurde. Große Bodenmodellierungen waren erforderlich. Da die alte Burg am Weiher wenig Ausblick in die Umgebung des Parks bot, wurde diese daher in Form eines Landsitzes an anderer Stelle erhöht errichtet; „mit einer herrlichen Fernsicht“ wie Brodersen bemerkte. Pflanzungen umschlossen zur Zeit der Parkentstehung eine Wiese, und das Landhaus (später als Schloss bezeichnet) hatte gemäß Brodersen einen zentralen Einfluss auf die Umgebung der Landschaft. Brodersen beendete seinen Bericht wie folgt: „Bei der Betrachtung der Parkbilder wird erkannt werden, dass die gute Wirkung von Haus und Park erreicht wurde durch die sorgsame Rücksichtnahme auf vorhandene alte Bäume“. In seiner „Skizze zum Englischen Gärten“ (1899 ebenfalls im Magazin „Gartenkunst“ veröffentlicht) äußerte er sich sowohl zu englischen als auch zu deutschen Parks. Im Winter hielt er die englischen für „mannigfaltiger und freundlicher auf Grund der Anpflanzung vieler immergrüner Pflanzen“. Die deutschen Gartenkünstler kritisierte er, dass diese „zu einseitig in eine bestimmte Richtung, nur nach einer Schule“ agierten. In Deutschland, so Brodersen, würden zu wenig Gartenkünstler „Schule machen“, d.h. „solche Werke zu schaffen, denen man nacheifert“. Eine Schullandschaft war für Brodersen eine Musterlandschaft, „in dem alles harmonisch zusammenstimmt und deren Schönheitsgefühl stark entwickelt ist“. Brodersen lehnte Parkgestalter ab, die Pflanzen ohne Rücksicht auf die Umgebung anordneten und ohne die Gesamtwirkung eines Parks zu berücksichtigen.
Brodersen stammte nicht wie viele seiner Gärtnerkollegen, z. B. Peter Lenné, aus einer Gärtnerdynastie. Er musste sich sein fundiertes Fachwissen erst an Hand vielschichtiger Ausbildungen erwerben. Er absolvierte unter anderen Ausbildungen am „Königlichen Pomologischen Institut in Proskau/Schlesien, in renommierten Gärtnereien wie in der „Eichbornschen Gärtnerei“ in Breslau, der „Dannemannschen Handelsgärtnerei“ in Görlitz, den Berliner Gärtnereien „August Borsig“ oder „Schütt“. 1884 bestand er sein Examen als Königlicher Obergärtner im Potsdamer Wildpark. Zahlreiche Studienreisen nach England, Italien, Frankreich, Wien, Moskau oder Budapest vervollständigten seine Qualifizierung als Landschaftsgärtner. Seine Bekanntheit, sein guter Ruf und seine Verdienste um den deutschen Gartenbau verhalfen ihm 1909 zum Titel als Königlicher Gartendirektor. 1910 berief man ihn zum städtischen Gartendirektor der Reichhauptstadt Berlin. Im Nachruf im Magazin „Die Gartenwelt“ (24.01.1930) zu seinem Tode 1930 lobte man ihn als Gartenkünstler „mit einem klaren Blick für die gegebene Schönheit eines Geländes und der wusste, diese mit einfachen Mitteln in geschicktester Weise zu nutzen und zu steigern.“ Der Verfasser dieses Nachrufes, Prof. E. Barth, würdigte ihn als einen Menschen mit einem großen Herzen, kinderlieb, humorvoll, hilfsbereit und als Familienmensch. Anna Zanders und Albert Brodersen verband in ihrer gemeinsamen Parkgestaltung die Liebe zum natürlich gestalteten Garten. Beide besaßen diesen Blick für die bestehende Landschaft. Sie schufen gemeinsam dieses grüne Refugium, den Park Haus Lerbach.
(Annette Voigt)
Anmerkung: Ausgangspunkt für den fruchtbaren Kontakt mit Frau Annette Voigt aus der nordrheinwestfälischen Stadt Bergisch-Gladbach waren die von Albert Brodersen gestalteten englischen Landschaftsgärten in Biesdorf und am Haus Lerbach in Bergisch-Gladbach. Als engagierte Kennerin der Gartenkunst – Frau Voigt ist u.a. regelmäßig als ehrenamtliche Helferin in den historischen Parks in Wörlitz und Branitz tätig – suchte sie vor etwa zwei Jahren den Kontakt zu unserem Verein. Die Geschichte des Parks Lerbach ist in vielem vergleichbar mit Biesdorf: Er war im Besitz von Anna Zanders, geb. Siemens (1858-1939), einer Schwester von Wilhelm von Siemens. Sie hat den Park bis zu ihrem Tod erhalten und entwickelt. Sein Schicksal wurde später ungewiss; 2021 erfolgte ein Besitzerwechsel. Anna Zanders hatte Brodersen in Berlin kennengelernt, so bei Treffen im Schloss Biesdorf, und für den Park Lerbach gewonnen. Wir konnten Frau Voigt unser Wissen über Brodersen und die Geschichte des Biesdorfer Gartendenkmals vermitteln. Wir unsererseits haben so interessante Details über Albert Brodersen und diesen anderen Ort der Siemens-Familie erfahren.