Der schon länger in unserer Reihe mit der Volkshochschule geplante Vortrag am 31. Mai 2023 hatte auch einen aktuellen Bezugspunkt. In den ersten Maitagen war gerade als Teil des seit einigen Jahren geplanten neuen Wegeleitsystems im Schlosspark Biesdorf auch eine kleine Metalltafel in der Nähe der drei jungen Birken installiert worden. Sie erinnert nun endlich die Besucher neben dem 2021 gelegten Stein an den sowjetischen Militärfriedhof, der von 1945 bis zu seiner Umbettung 1957/58 in der südlichen Hälfte des Schlossparks bestand. Auf insgesamt vier Grabfeldern für Offiziere, Soldaten, Zivilpersonen und Kinder waren bis 1955 mehr als 450 Menschen bestattet worden. Neben Gefallenen der letzten Kämpfe in Berlin sind es nach dem Ende des Krieges verstorbene Soldaten und Zivilpersonen der sowjetischen Militärgarnison in Berlin. Die Beerdigten kamen aus acht Sowjetrepubliken, vier autonomen Republiken und vier selbständigen Gebieten.
Nachdem am 21. April 1945 die Rote Armee in Marzahn die Grenze Berlins erreicht hatte, waren in den letzten Kriegstagen in den Grenzen der Stadt noch etwa 20.000 sowjetische Soldaten gefallen. An ungezählten Orten wurden diese Toten auf sogenannten Notfriedhöfen (d.h. außerhalb von regulären
Friedhöfen) bestattet. Allein im heutigen Bezirk Marzahn‐Hellersdorf gab es neben dem Schlosspark Biesdorf (46 Gräber), dem als Lazarett genutzten Krankenhaus Wuhlgarten (134) oder dem stillgelegten Friedhof in der Kaulsdorfer Brodauer Straße (185) noch etwa zehn weitere solche Bestattungsorte, die später
aufgelöst wurden. So wurden die Gräber an dem 1946 gebauten Obelisken an der Brodauer Straße 1948 zum Ehrenmal im Treptower Park verlegt. Im Vortrag konnten namentliche Beispiele von gefallenen Offizieren genannt werden, die schon im Mai 1945 im Schlosspark Biesdorf beerdigt wurden.
Den Schlosspark Biesdorf als Friedhof für die Sowjetische Armee, insbesondere für die 295. Schützendivision, auszugestalten, war Gegenstand verschiedener Befehle der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, so die Befehle 184 von 1945 und 582 von 1946. In einem gut dokumentierten, zum Teil sehr heftigen Briefwechsel sowjetischer Kommandeure mit den deutschen Dienststellen im damaligen Bezirksamt Lichtenberg über die verzögerte bauliche Einrichtung ist nachzulesen, wie wichtig und auch anspruchsvoll die Einrichtung dieses Friedhofs im Schlosspark Biesdorf für die sowjetische Seite wurde (vgl. auch die Beiträge von Lutz Heuer oder Oleg Peters in den Publikationen unseres Vereins sowie von Rolf Semmelmann im „Lesebuch Marzahn‐Hellersdorf“). So erfolgte im Auftrag der SMAD seit 1946 nach Plänen des Architekten und Mitarbeiters beim Bauamt des Magistrats Hassenteufel schrittweise die Instandsetzung des brandzerstörten Gebäudes des Schlosses Biesdorf (wahrscheinlich Brandstiftung der Nazis am 21. April 1945). Das Obergeschoss wurde abgetragen und eine stabile Zwischendecke eingezogen, eine Feierhalle und Verwaltungsräume eingerichtet. Um den südlichen Teil des Parks wurde eine Klinkermauer gezogen. Zeitweilig war auch die Rede von der Errichtung eines Ehrenmals im Schlosspark.
Das Bezirksamt in Lichtenberg (immer wieder wird Johannes Mielenz als Leiter des damaligen Garten‐ und Friedhofsamtes genannt) wollte den Park Schritt für Schritt zu einem Volkspark gestalten. Dazu zählt die 1955/56 errichtete Freilichtbühne mit etwa 2000 Plätzen. 1956 kam es zu einem Treffen in der sowjetischen Kommandantur in Karlshorst mit Vertretern des Bezirksamts Lichtenberg. Es wurde Konsens erzielt, im nördlichen Bereich des Friedhofs in Marzahn am Wiesenburger Weg (Parkfriedhof) einen sowjetischen Ehrenhain und Friedhof zu bauen und die Gräber aus Biesdorf umzubetten. So entstand der einzige ausländische Gefallenenfriedhof in Berlin, der nach deutschen Entwürfen (Bildhauer Erwin Kobbert) gestaltet wurde. Am 7. November 1958 konnte dieser neue Friedhof eröffnet und damit der südliche Teil des Schlossparks Biesdorf wieder Erholungszwecken zugeführt werden. In einem Protokoll von 1992 der zuständigen Berliner Senatsverwaltung und der sowjetischen Garnison von Berlin zum Friedhof Berlin‐Marzahn, Wiesenburger Weg, zu dem eine Liste der bestatteten Menschen gehört, wird vermerkt: „Im Jahre 1957 wurden auf den Friedhof 486 Menschen, die im Zeitraum von 1945 bis 1957 gefallen und gestorben sind, vom sowjetischen Militärfriedhof Berlin‐Biesdorf umgebettet.“
Wie wichtig und aktuell für das Schlossensemble die Erinnerung an diesen Zeitabschnitt ist, sprach Dr. Heinrich Niemann am Ende seines Vortrags an. So bleibt das Gedenken in unserem Bezirk an die Befreiung Deutschlands vom Faschismus lebendig und die Aufgabe, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten und zu verhindern. In diesem Fall trug darüber hinaus der zeitweilige Friedhof entscheidend zum Erhalt dieses historischen Ortes bei. Sonst wäre wohl das brandzerstörte Schloss Biesdorf unmittelbar nach dem Krieg nicht erhalten
geblieben. Mit seinem noch intakten „provisorischen“ Dach konnte es fast 70 Jahre später in seiner historischen Gestalt wieder aufgebaut werden. Auch der kostbare Altbaumbestand des Parks aus der Entstehungszeit blieb durch die geschützte Friedhofnutzung weitgehend erhalten.
Nachbemerkung: Auch auf der Informationstafel vor dem Schlosseingang sollte nun an den Friedhof erinnert werden. Der Erinnerungsstein mit seiner Inschrift, dessen Beschmutzung inzwischen von Bürgern beseitigt wurde, bedarf einer baldigen Instandsetzung. Dr. Lutz Prieß stellte wertvolle historische Quellen zu Verfügung.