Vortrag zur Entstehungsgeschichte des Volksbades Lichtenberg

Einem höchst interessanten Vortrag innerhalb der gemeinsamen Reihe mit der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf konnten mehr als 40 ZuhörerInnen am 21. Mai 2025 im Heino-Schmieden-Saal des Schlosses Biesdorf beiwohnen: Michael Metze, Vorsitzender des Fördervereins Stadtbad Lichtenberg, sprach zum Thema: Die Entstehungsgeschichte des Volksbades Lichtenberg. Metze hatte einen sehr bildintensiven Vortrag vorbereitet, der selten gesehenes Material enthielt.

Manfred Metze am Beginn seines Vortrages

Der Förderverein Stadtbad Lichtenberg wurde im Oktober 2012 gegründet mit dem Ziel, „den sichtbar beklagenswerten Zustand des Stadtbades möglichst zu stoppen“. Die meisten Mitglieder hätten im Bad schwimmen gelernt oder waren dort Sportschwimmer. Sie wollten das tolle Bad aus den „Goldenen Zwanzigern“ nicht weiter dem Verfall preisgeben.

In seiner Erzählung setzte Michael Metze sehr früh an: er rief die Industrialisierung in Berlin auf, die ständig mehr Arbeitskräfte verlangte. Deshalb wurden auf engstem Raum Wohnungen gebaut, die weitgehend ohne hygienische Funktionen auskommen mussten. Für die Arbeiterfamilien bestand ein hohes Gesundheitsrisiko, das die Weimarer Republik endlich minimieren wollte: ihr Programm der Volksparks und Volksbäder versprach Luft, Licht und Wasser. Das war eine absolute Notwendigkeit, da Berlin die Industriehauptstadt Europas geworden war.
Organisatorisch hatte dieses Programm seinen Vorlauf allerdings bereits nach der Reichsgründung. Metze zählte vier Ereignisse auf, die das Volksbäderwesen antrieben:

  • die Gründung des Berliner Vereins für Volksbäder am 26.2.1873
  • die Hygieneausstellung 1883 in Berlin
  • die Gründung des Vereins Deutscher Badefachmänner 1897
  • die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder am 24.4.1899 in Berlin

 

Lichtenberg als selbständige Stadt mit steigender Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung wollte bereits vor Ausbruch des 1. Weltkrieges ein Stadtbad bauen, musste die vorhandenen Pläne aber verschieben. Bei Stadtgründung im Jahre 1907 hatte Lichtenberg schon 71.000 Einwohner, die in bescheidenen sanitären Verhältnissen lebten. Nach Fertigstellung des Rathauses (1899) und des Hubertus-Krankenhauses (1914) sollte das Stadtbad folgen. Erst der Weltkrieg und dann die Gründung von Groß-Berlin, dessen Bestandteil Lichtenberg wurde, verhinderten den Fortgang der Planungen. Nach der verheerenden Inflationszeit ging es ab 1925 zügig weiter. Der Vortragende zeigte eine Planzeichnung, der der Bau folgte.

Stadtbad Lichtenberg: Planungsstand 1925

Auf dem Tisch lag die Planung für das modernste und zweckmäßigste Bad von Europa: zwei Schwimmhallen für jeweils Frauen und Männer, eine Wannen- und eine Duschabteilung, eine medizinische Abteilung mit Sauna und diversen speziellen Wannenbädern, ein Sonnenbad auf dem Dach, ein Friseursalon im Keller und vier Wohnungen für das technische Personal. Die Warmwasserversorgung wurde vom Heizwerk des in unmittelbarer Nähe stehenden Hubertus-Krankenhauses bereitgestellt. Die Architekten dieser Planung waren Rudolf Gleye und Otto Weis.

Das Bad wurde in Industriebauweise mit Stahlträgern errichtet. Das sparte enorme finanzielle Mittel. Die Stahlkonstruktion des Daches wurde vor Ort von einer Firma in der Herzbergstraße ausgeführt. Man sieht das dem Bau nicht an, der in der Innenausstattung sehr farbig, mit besten Materialien, aber funktional und mit herausragender Technik bestückt ist. Das Stadtbad entstand im Umbruch zur neuen Moderne; die Architektur wurde vom Expressionismus bestimmt und findet sich in vielen Elementen der Ausstattung wieder. Eine spezielle Variante ist der sogenannte Backstein-Expressionismus, wie ihn die Planer besonders in der Männerschwimmhalle anklingen ließen. Fenster und Kacheln in den beiden Hallen sind unterdes sehr farbig und erinnern an Jugendstil. Über dem Eingang zur Halle ist der plastische Fraktur-Schriftzug „Stadtbad Lichtenberg“ zu sehen, mittig zwischen den Fenstern des Obergeschosses stehen vier abstrahiert dargestellte Wasserspringer-Figuren, die der Bildhauer Ludwig Isenbeck schuf.

Dachkonstruktion vor Ort

Am 2. Februar 1928 wurde das Bad nach zweijähriger Bauzeit vom Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß eröffnet. Die Besucherzahlen übertrafen alle Erwartungen. Im Eröffnungsjahr wurden insgesamt 311.000 Schwimmbäder, 95.000 Wannenbäder, 41.000 Brausebäder und 16.000 Heilbäder verabreicht.

Das historische Vestibül des Stadtbades
(Foto: Förderverein Stadtbad Lichtenberg)

Zwei Jahre später, 1930, wurde das Stadtbad Gartenstraße in Mitte eröffnet, ebenfalls ein Gleye-Bau. Dieses Bad wurde völlig im Sinne des Neuen Bauens konzipiert. Es war groß, hoch und sehr hell. Spielereien bei der Ausgestaltung gab es nicht mehr. Planer war der berühmte Reformarchitekt Heinrich Tessenow.

Der Bezirk Lichtenberg gab sich aber mit seinem Stadtbad nicht zufrieden. Die Errichtung des Kraftwerkes Klingenberg an der Spree in den Jahren 1925/26 wurde gekoppelt mit dem Bau des Städtischen Flussbades Lichtenberg. Die Anstalt – wiederum ein Bau von Rudolf Gleye – umfasste drei verschiedene Schwimmbecken: ein Schulbecken (25 m × 50 m), ein gleich großes Warmbecken sowie ein großes Sportbecken (25 m × 100 m). Das Wasser des Warmbeckens wurde in der kühleren Jahreszeit mit der Abwärme des benachbarten Kraftwerks erwärmt. Ein 26.000 m² großer Strand mit Ostseesand lud Familien zu Sonntagsausflügen ein. Zahlreiche Bademeister sorgten für Ordnung und Sicherheit auf dem gesamten Gelände, dessen Fläche 50.000 m² betrug. An heißen Sommertagen wurden bis zu 10.000 Besucher an einem Tag gezählt. So war Lichtenberg mit einem innerstädtischen Flußbad versorgt. Wer wollte, konnte in die großen, neuen Bäder am Müggel- oder Wannsee fahren. Das Flussbad Lichtenberg wurde wegen Kriegszerstörungen und anderen Nutzungszielen im Jahre 1950 geschlossen. An seine Stelle trat bald das wenige Kilometer flussaufwärts gelegene modernisierte Strandbad Oberspree.

Flußbadeanstalt Lichtenberg
(Foto: Landesarchiv Berlin)

Michael Metze streute in seinen Vortrag immer wieder Klagen über die verschiedenen Berliner Verwaltungsebenen ein, die seinem Verein das Leben schwer machten. Anstatt sie in ihrer ehrenamtlichen Arbeit großzügig zu unterstützen, so der Tenor Metzes, bremsen die Verwaltungen immer wieder aus. Zuletzt wurde sogar Eintritt von ihnen verlangt, wenn sie das Bad betreten wollten. In der Satzung des Vereins heißt es unter anderem:
(1) Zweck des Vereins ist die Förderung des Denkmalschutzes und der
Denkmalpflege des Stadtbades Lichtenberg.
(2) Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch geeignete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit…
Die Maßnahmen sollen helfen, die Wiedereröffnung des Hubertusbades in Berlin-Lichtenberg auf der Grundlage einer erfolgversprechenden Nutzungskonzeption zu befördern.

Dazu muss man das Bad hin und wieder betreten! Auch aus anderen Zusammenhängen des bürgerschatlichen Engagements ist bekannt, dass die Politik des Berliner Senates mehr als kritisch zu betrachten ist. Wo vor 100 Jahren in Berlin Schwimmbäder und Sportanlagen gebaut wurden, wird heute abgebaut, vernachlässigt und verhindert. Grüne Innenhöfe, ein Wesensmerkmal des Neuen Bauens, werden geschreddert und überbaut, Schwimmhallen werden schlecht und oft im Schneckentempo saniert, das seit vielen Jahren angekündigte Kombibad für Marzahn-Hellersdorf bleibt ein Traum. Unser Bezirk hat 300.000 Einwohner und kein Bad, viele Städte in Deutschland mit 30.000 Einwohnern verfügen über ein funktionierendes Freibad. Die Quote der Schwimmer unter Kindern und Jugendlichen sinkt kontinuierlich, die Badeunfälle im Sommer nehmen dramatisch zu. Manfred Metze hatte ein großes Thema aufgerufen. Die Zuschauer dankten ihm herzlich!

Weitere Informationen erhalten Sie unter: https://www.stadtbad-lichtenberg.de/

(Axel Matthies)

vom: 06.06.2025