Lob der gegenständlichen Kunst. Wegweisende Ausstellung in der Hellersdorfer Pyramide

Drei Monate lang wird in unserem Bezirk die Ausstellung „INNENANSICHTEN WELTBETRACHTUNGEN“ mit dem unbescheidenen Untertitel „GEGENSTÄNDLICHE KUNST IN DEUTSCHLAND“ zu sehen sein. Die Ausstellung in der Hellersdorfer Pyramide ist bis zum 5. Juli geöffnet. Kurator ist der Kunstwissenschaftler Dr. Kuno Schumacher, die Ausstellung ist ein gemeinsames Projekt von Zentrum für Kultur- und Zeitgeschichte und Ausstellungszentrum Pyramide, gefördert aus Mitteln des Bezirkskulturfonds Marzahn-Hellersdorf.

Überwundene Sprachlosigkeit

In der Einführung des Kataloges der Ausstellung schreibt Dr. Schumacher: “Gegenständliche Kunst weckt Erinnerungen an Marksteine der Kultur, stellt Identität her und vermag das einzelne Kunstwerk einmalig zu machen. Daher kommt auch das wachsende Unbehagen über die Beliebigkeit der Gestaltzeichen, deren Sinn sich in ihrer Existenz selbst erschöpft. Reine Abstraktion treibt die Geschichte ins Vergessen.“ Damit ist der Stellenwert der Ausstellung begründet und er stellt sich ohne Nervosität gegen den sogenannten Bilderstreit, wie er in der westdeutsch dominierten Debatte in der Weimarer Exposition „Offiziell und Inoffiziell – Die Kunst der DDR“ 1999 kulminiert war. Schumacher gibt ganz selbstverständlich 50 Künstlern aus 10 Bundesländern, die sich der gegenständlichen Kunst verpflichtet fühlen, hier Platz für eine Gesamtschau mit 112 Werken. Dazu merkt er ebenfalls im Katalog an: „Beglückendes Erlebnis waren für den Kurator die Besuche in vielen Ateliers. So ist an erster Stelle den Künstlern für ihre bereitwillige Kooperation und vielfältige praktische Hilfe mit Auskünften und Literatur zu danken.“

Viele Entdeckungen, manche Wiederbegegnung

Und es gibt eine Reihe von Entdeckungen zu machen. Neben bekannten ostdeutschen Künstlern wie den Mattheuers, Hachulla, Förster, Metzkes, Pfeifer, Sitte oder Heidrun Hegewald findet sich eine Reihe von westdeutschen Künstlern, die hier überwiegend nur Spezialisten bekannt sein dürfte. An der Spitze Matthias Koeppel, der als Berlin-Historiograph gilt und sich von der Romantik inspirieren lässt.

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Bild: Der ehemalige Palast der Republik

Dabei sind stets ironisch-kritische Grundierungen erkennbar. Koeppel hat gegenwärtig eine große Werkschau im Ephraim-Palais. Neben ihm gleichberechtigt Johannes Grützke, beide Gründer der Künstlergruppe „Schule der Neuen Prächtigkeit“ in Berlin.

 

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Bild: Nackter Oberkörper

 

Grützke hat in Frankfurt am Main ein großes Auftragswerk „Der Zug der Volksvertreter zur Paulskirche“ fertig gestellt. Weitere Künstlerinnen und Künstler, die ich nennen möchte, sind Michael Lassel, Christine Reinckens, Norbert Wagenbrett, Hans-Peter Szyszka, Nicola Klemz, Christopher Lehmpfuhl, Erhard Göttlicher, Atsuko Kato und Sigurd Kuscherus.

 

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Bild: Turmbau zu Babel

 

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Bild: Humboldt-Box

Eigentlich sind alle 112 Werke einer besonderen Betrachtung wert. Kein Bild ist statisch oder eindimensional: sie sind magisch oder surreal, expressiv oder fotorealistisch. Der Kurator bestätigt den Künstlern den „Wunsch, sich mitzuteilen, in konkreten Formen und Bildkompositionen metaphernreich dem künstlerischen Schaffen Welthaltigkeit zu verleihen“. Und er fasst zusammen: „Dass jede Generation sich des Lebens Reichtum, Vielfalt und Weite neu erringen muss, bedarf der konkreten Formen in unserer konkreten Weltwahrnehmung. Es ist existenziell schlechthin, was gegenständliche Kunst immer jung bleibend leistet.“ Dieses Statement ist auch sinngebend für das künftige Bilderschloss Biesdorf und seine Ausstellungen.

Gegenständliche Kunst am Markt

Am Ende eines Rundganges stellte ich dem Kurator die Frage nach dem Marktwert dieser Bilder. Ich zeigte auf zwei und Dr. Schumacher meinte, diese würden durchaus 30.000 oder 40.000 € erbringen. Gegenständliche Kunst hat selbstverständlich ihren Wert. Es gibt in der Ausstellung auch ein Bild von Neo Rauch. Rauch hat für eine Reihe von Bildern in den USA jeweils Preise um eine Million Dollar erzielt. Brad Pitt hat ein Bild im Wert von 680.000 € erworben. Das Gemälde „Die Kreuzung“ wurde allerdings bereits 1984 vom Kulturfonds der DDR bezahlt.

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Bild: Die Kreuzung

Große Ausstellung für viele Besucher

Mir ist aufgefallen, dass ich die Ausstellung unterschätzt habe. Erst Tage später, auch nach einigen Blicken in den Katalog, habe ich die Bilder noch einmal auf mich wirken lassen. Es gibt immer neue Eindrücke und auch beim Nachschlagen der Künstlerinnen und Künstler erfährt man weiteres und vertiefendes. In dem Sinne kann man der Ausstellung bei freiem Eintritt und zehn Stunden Öffnungszeit täglich, außer Sonntag, nur viele Besucher wünschen. Eine solch wichtige Ausstellung von nationalem Rang wird es so schnell in Marzahn-Hellersdorf nicht wieder geben.

 

Ausstellungszentrum Pyramide: Riesaer Str. 94, 12627 Berlin.

Der Eintritt ist frei.
Es gelten erweiterte Öffnungszeiten: Mo-Sa, 10-20 Uhr.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog zum Preis von 18,00 €. Die Ausstellung schließt am 5.7.2014.
Führungen mit dem Kurator jeden Mittwoch 16 Uhr und nach Vereinbarung 030/902934163.
http://ausstellung.zga-berlin.de oder www.ausstellungszentrumpyramide.de

 

(Axel Matthies, Stiftung OWB Schloss Biesdorf e.V.)

vom: 17.04.2014