Otto Nagel 125 Jahre – ein wunderbarer Tag

Für den „Initiativkreis Otto Nagel 125“ war der 27. September 2019 eine große Herausforderung – wir alle haben sie großartig gemeistert. Allen aktiv Beteiligten einen herzlichen Dank für den Einsatz. Wir dokumentieren hier die wesentlichen Aktionen des Tages.

Der Geburtstag begann um 10.00 Uhr mit einer großartigen Performance in der Aula des Otto-Nagel-Gymnasiums. Die Schülerinnen und Schüler hatten ein exzellentes  Programm einstudiert, das per Livestream in alle Klassenräume übertragen wurde. Besonders berührend waren die Auftritte von drei Schülerinnen der Abiturstufe, die Auszüge aus Walli Nagels Buch „Das darfst du nicht!“ vortrugen. Meisterschüler Harald Metzkes war erschienen, um an seinen Professor zu erinnern und sogleich einen eigenen Preis für eine Schülerin zu überreichen. Eine schöne Geste der generationsübergreifenden Begegnung und Berührung! Zudem wurden Otto-Nagel-Schulpreise an vier Schülerinnen überreicht, die sich in einem ausgeschriebenen Schulwettbewerb als Siegerinnen durchgesetzt hatten. Eine Reihe von Ehrengästen besuchten das Gymnasium, darunter Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Einen Stream der Veranstaltung können Sie hier sehen.

In der vollbesetzten Aula des Otto-Nagel-Gymnasiums

Zur Mittagsstunde gedachten mit Blumengebinden Vertreter von Abgeordnetenhaus und Senat von Berlin, des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf gemeinsam mit Schülerinnen des Otto-Nagel-Gymnasiums und Vertretern des „Initiativkreises Otto  Nagel 125“ an seinem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde. Worte des ehrenden Gedenkens sprachen die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Dr. Manuela Schmidt, Bezirksstadträtin Juliane Witt und Dr. Heinrich Niemann.

Blumengebinde am Grab des Berliner Ehrenbürgers

Gegen 15 Uhr schloss sich die Enthüllung der zusätzlichen Informationstafeln an Schildern der Otto-Nagel-Straße, wenige Schritte entfernt vom Biesdorfer Wohnhaus an. Sehr bewegt nahmen daran auch die Enkelin Otto Nagels – Salka Schallenberg -, deren Ehemann, der heutige Bewohner des Wohnhauses Herr Keil und der Sohn der letzten Haushälterin der Familie Nagel Jürgen Weber teil.

Die Bezirksverwaltung hatte die Schilder termingerecht angebracht

Die abendliche „Begegnung mit Otto Nagel“ im vollbesetzten Heino-Schmieden-Saal des Schlosses Biesdorf gestaltete sich im wahrsten Sinne zu einer offenen, sehr persönlichen Annäherung an den Künstler und Kulturpolitiker.

Das nur für diesen Anlass aus der Ehrenbürgergalerie des Berliner Abgeordnetenhauses entliehene große Bildnis des Malers von Bert Heller  (Dank an die Stiftung Stadtmuseum Berlin und das Parlament) bildete ebenso wie die an den Saalrändern aufgestellten Poster zum Schülerprojekt und über eine Kunstaktion „Wedding im Wandel“ des Künstlerteams sara&ralf einen besonderen Rahmen. Letzteres Projekt können Sie hier betrachten.

Salka Schallenberg schilderte ihren Zugang zu Leben und Werk ihres Großvaters und wies auch auf noch zu klärende kritische Umstände im Umgang mit dem Erbe Otto Nagels nach seinem Tod hin. Berührend auch ihr kurzer Film über ihre Großmutter Walentina Nagel. Ihr Mann Bernd Schallenberg begleitete musikalisch das Programm mit seiner Konzertgitarre.

Salka Schallenberg vor Bildern ihres Großvaters Otto Nagel (Foto: B. Schallenberg)

Jürgen Weber erlebte Otto und Walli Nagel als Junge in ihrer häuslichen Umgebung und erzählte Begebenheiten, so als er zum Klavierspiel ermuntert wurde oder über einen gerade so eingedämmten Weihnachtsbaumbrand.

Schülerinnen des Otto-Nagel-Gymnasiums und ihre Kunstlehrerin Dana Wolfram berichteten u.a. über ihre Gespräche mit den Meisterschülern Otto Nagels Harald Metzkes und Ronald Paris. Metzkes hatte am Vormittag einer Schülerin für ihr Nagelbild einen einmaligen Preis überreicht und über seine Zeit mit dem Maler berichtet.

Die Kulturwissenschaftler Dr. Ralf Forster und Dr. Jens Thiel formulierten eine  Reihe von zu untersuchenden Fragen und Themen der kulturpolitischen und publizistischen Arbeit Nagels, sowohl in der Weimarer Republik, jedoch besonders auch für die Zeit nach 1945 und in der DDR, zumal gerade dafür eine sehr gute Aktenlage in den Archiven bestünde.

Axel Matthies (Vorstandsmitglied unseres Vereins) spannte in seinem resümierenden Beitrag einen Bogen zur Gegenwart mit dem Gedanken, dass das in Vergessenheit Geraten sein Otto Nagels auch bedeuten kann, sich dieser bedeutenden Berliner Künstlerpersönlichkeit von Grund auf neu zuzuwenden. Matthies sagte: „Otto Nagel …blieb Arbeiter und er wuchs neben der Malerei zu einem befähigten Autor, vor allem aber zu einem großen Organisator und Netzwerker für die Kunst der Arbeiterklasse. Man muss diese Dreieinigkeit bei Otto Nagel immer zusammen denken. Nur so sind seine Persönlichkeit und sein Platz in der Kunstgeschichte überhaupt denkbar.

Seine Gegenstände waren ‚Ausgesteuerte‘ und ‚Asylisten‘, Trinker und Huren. 90 Jahre später heißen die Ausgesteuerten Langzeitarbeitslose oder Hartzer, die Asylisten sind die Obdachlosen, die zur Stadt gehören, die Trinker sitzen nicht mehr in der Kneipe sondern auf den Stufen der Kaufhallen oder Bahnhöfe, die Huren bevölkern des Nachts manche Straße. Die Berliner Sozialsenatorin verschweigt die Probleme nicht; mit der Arbeit kommt sie kaum hinterher. Es gibt also überhaupt keinen Grund, Nagels Werk gering zu schätzen.“

Matthies stellte zum Abschluss der gelungenen „Begegnung mit Otto Nagel“ fest, dass es im kommenden Otto-Nagel Jahr bis zu seinem 126. Geburtstag viel zu tun gibt, um den „Prozess der Heimkehr Otto Nagels in seine Heimatstadt Berlin, oder wie der Jubilar selbst sagen würde: in seine Vaterstadt Berlin“, voranzubringen. Hier können Sie den kompletten Beitrag lesen:

Bleibt anzumerken, dass unter den Gästen auch die stellv. Direktorin des Archivs der Akademie der Künste Berlin, Frau Sabine Wolf, die Kuratorin der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Frau Bossmann (beide Institutionen bewahren zahlreiche Werke Nagels) und eine Großnichte des Malers begrüßt werden konnten. Dazu kamen Freunde des ehemaligen Otto-Nagel-Studios in Berlin-Friedrichshain sowie eine Delegation von der Otto-Nagel-Schule in Schönwalde bei Cottbus.

Am Vortag hatte Ingeborg Ruthe in der „Berliner Zeitung“ in ihrem Beitrag „Sein Bildpersonal waren die kleinen Leute“ auf die Bürgerinitiative und die kommende Ausstellung zu Nagels Leben und Werk im Schloss Biesdorf hingewiesen.

Ausschnitt Berliner Zeitung vom 26.9.2019

Im Musiksalon waren gleichsam als Geburtstagsgabe mehrere Nagelbilder (Leihgaben der Berliner Sparkasse, des Kunstarchivs Beeskow und Herrn Wolf Lenkeit) und Nagelporträts seiner Schülerin Ursula Wendorff-Weidt, von Ronald Paris und Gerhard Goßmann sowie die frischerworbenen Nagelbilder des Gymnasiums zu sehen.

Ein bei unserem Verein erhältliches Begleitheft informiert über Otto Nagel und die nächsten Projekte des „Initiativkreises Otto Nagel 125“.

Schließlich gilt unser herzlicher Dank der Leiterin der Galerie Schloss Biesdorf Karin Scheel und dem Sicherheitsteam für die uneigennützige Unterstützung der Veranstaltung.

(Dr. Heinrich Niemann, Axel Matthies)

vom: 06.10.2019