Zur Geschichte des Schlosses in den letzten 60 Jahren
Am 13. Januar fand ein weiterer Vortrag zur Entwicklung des Schlosses und Park Biesdorf in den Jahren seit Ende des 2. Weltkrieges statt. Veranstalter waren wieder die Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. und die Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf. Frank Holzmann, der langjährige Geschäftsführer von BALL e.V., musste absagen, so dass der Vorsitzende der Stiftung, Dr. Heinrich Niemann, diesen Part übernahm.
Am 21. April 1945 marschierten die Truppen der Roten Armee im Eiltempo durch die Außenbezirke der damaligen Reichshauptstadt Richtung Zentrum. In heftigen Gefechten gab es noch einmal viele Tote auf beiden Seiten. Mehr als 200 Soldaten und Offiziere der Roten Armee wurden nach Kriegsende im Schloßpark bestattet. Dazu wurde der Park zum großen Teil eingefriedet. Das Schloss, in dem zuletzt die Polizei von Biesdorf, die Ortsgruppe der NSDAP und weitere Behörden untergebracht waren, wurde offensichtlich von diesen in Brand gesteckt. Rote Armee und lokale Kräfte sicherten sehr schnell das Ensemble und setzten es in nutzungsfähige Verhältnisse. Jetzt waren Schloss und Park Begräbnisstätte – das Objekt war geschützt. So konnte vermutlich auch ein Massenabholzen von Bäumen, wie in der gesamten Stadt geschehen, hier verhindert werden. So stehen noch heute eine geschützte Rotbuche und eine Zerreiche im Park, die schon Ende des 19. Jahrhunderts gepflanzt worden waren. Im Jahr 1958 wurden die gefallenen Soldaten exhumiert und auf den Parkfriedhof Marzahn umgebettet.
Damit begann auch eine neue Zeit für Schloss Biesdorf. In diesen Jahren hatte auch der Bildhauer Erwin Köbbert im Schloss sein Atelier: er ist der Schöpfer von Figuren, die noch heute im Bezirk stehen wie die „Schwurhand“ im Parkfriedhof Marzahn oder das Nilpferd „Knautschke“ im ehemaligen Werner-Bad.
Das Schloss entwickelte sich nun zu einer wichtigen kulturellen Einrichtung im Osten des Stadtbezirkes Lichtenberg. 1959 wurde im Schloss der 1. Dorfklub Berlins gegründet. Parallel entstanden im Park eine kleine Plansche sowie eine große Freilichtbühne mit 2000 Plätzen. Beliebt waren die Ferienspiele für die Kinder der Lichtenberger Schulen. Im Schloss selbst wurde das beliebte Kaminzimmer eingerichtet. Unter diesen Voraussetzungen wurde das Schloss Biesdorf zu einem attraktiven und bekannten Kultur-Fleckchen Erde in Ost-Berlin. Ab 1979 erhielt das Schloss den Status eines Kreiskulturhauses für den neuen Bezirk Marzahn.
Mit der Errichtung der Großsiedlung Marzahn wird der Park dann zu einem Eventtempel: Rassehundeschauen, Jahreszeitenfeste, Jahrestagsfeste… Manchmal sind bis zu 30.000 Besucher im Park. Die Menschen brauchen Feste, manchmal geht jedoch die Beziehung zu einem historisch gewachsenen Emsemble verloren. Die Verantwortlichen erkennen die Gefahr und stellen das Ensemble unter Denkmalschutz und: Sie sehen es Mitte der 80er Jahre des 20. Jhd. als Aufgabe, das Schloss wieder aufzubauen. Aber wie so oft fehlt es an geeigneten Kapazitäten, das Gebäude nach denkmalgerechten Kriterien wieder her zu stellen.
Nach 1990 schlagen anfängliche Versuche des Bezirksamtes fehl, für das Schloss geeignete Investoren zu finden. Ab dem Jahr 1991 kommt es vor allem im Park durch die Initiative von Bürgerinnen und Bürgern und der lokalen Politik dann zu praktischen Schritten der Veränderung. Als Schwerpunkt werden die alten Wegebeziehungen und der Fontänenteich wieder her gestellt. Dazu wurden bauliche Reste beseitigt, die nicht zum historischen Emsemble gehören. Sehr intensiv führte sich Klaus von Krosigk, der Leiter der Gartendenkmalpflege im Landesdenkmalamt Berlin, in diese Prozesse ein. Es entstehen nützliche Kontakte zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die sich später für die Schlosssanierung als Schlüsselfunktion erweisen sollen.
Von ganz besonderer Bedeutung für das Ensemble war die Einsetzung eines freien Trägers für dessen Betreibung: BALL e.V. übernimmt seit 1994 mit viel Tatkraft und Verantwortung diese Aufgabe nunmehr als Sozial-Kulturelles Stadtteilzentrum Biesdorf. Zuerst geht es um die Konzipierung neuer Angebote und Veranstaltungsformate. Durch Arbeitsfördermassnahmen werden die notwendigen Mitarbeiter gewonnen. So können durch eine vielfältige Nutzung weitere Gefährdungen des Gebäudes geblockt und beendet werden.
Auf die denkmalgerechte Sanierung von Aussenhülle und Schlossturm von 2002-2007 bei laufendem Betrieb durch die Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sei hier nur verwiesen.
Auch das bürgerschaftliche Engagement wird nun im Schloss intensiv befördert. Vor allem im Bürgerhaushaltsverfahren kann das Soziale Stadtteilzentrum Biesdorf beeindruckende Ergebnisse vorweisen.
Die Bilanz der Arbeit in den nunmehr 20 Jahren liest sich so: Etwa 250 Schlosskonzerte, 220 Lesungen und historische Vorträg und 157 Kunstausstellungen sind nur eine Auswahl des breiten Kulturangebots. Sie beweisen, dass BALL e.V. dem gesamten Emsemble permanent Leben eingehaucht hat. Viele Treffen zwischen Bürgerinnen und Bürgern, der lokalen und der Landespolitik zeigten, dass das Schloss in allen Teilen des Bezirkes, in den unterschiedlichen politischen Milieus angenommen ist und Stolz auf das gemeinsam Erreichte zu verzeichnen ist.
Das Jahr 2016 soll dann die Krönung werden und Schloss Biesdorf zu einem nationalen und internationalen Treffpunkt für eine Kunstgalerie, für einen „Bilderstreit“ machen. Das ist dann ein ganz normaler Schritt in eine neue Qualität. Dass dafür die Öffentliche Hand, also Bezirk und Land Berlin, eine undelegierbare Verantwortung tragen, ist eine wesentliche Schlußfolgerung aus der kulturellen Nutzungsgeschichte des Schlosses Biesdorf.
Denn das Schloss Biesdorf war immer ein Ort der Kultur.
Nächster Termin:
„Das Galeriekonzept im wiederaufgebauten Schloss Biesdorf“
10. Februar, 18.30 Uhr
Stadtteilzentrum Biesdorf, Alt-Biesdorf 15, 12683 Berlin