Die Stadt Gera, ein wichtiger Ort der Wismut in Ostthüringen, zeigte zwischen dem 8. Februar und 21. April 2014 Werke aus dem Bestand der Wismut GmbH in der städtischen Orangerie. Die Ausstellung „Sonnensucher“ vereinte rund 150 Werke, darunter von Lutz R. Ketscher, Gottfried Bräunling, Alexandra Müller-Jontschewa, Bernhard Heisig, Hans Hattop, Werner Petzold, Fritz Eisel, Werner Tübke und Volker Stelzmann. Die Ausstellungsleitung zählte fast 5000 Besucher und war mit dieser Zahl sehr zufrieden. Kutatiert wurde sie von Holger Peter Saupe und Paul Kaiser. Der Begriff Sonnensucher meint Uran als Sonne in den Händen friedliebender Menschen.
Eingang zur Orangerie
Titelseite des Katalogs
Eine der wichtigsten Sammlungen von Kunst aus der DDR
Die Kunstsammlung der Wismut GmbH (vormals SDAG) ist die umfangreichste Kunstsammlung eines DDR-Unternehmens. Mit 4.209 Werken von 450 Künstlern, darunter mehr als 280 Gemälden, kann der Fundus dieser Sammlung sinnvoll mit dem Umfang eines bezirklichen Kunstmuseums in der DDR verglichen werden. Die Künstlerliste setzt Schwerpunkte auf die sächsischen Malschulen (und Kunstakademien) in Leipzig und Dresden und bindet die großen Namen der DDR-Kunst ebenso wie die Akteure der Nachfolgegenerationen ein.
Die zwischen 1959 und 1989 in der SDAG Wismut angelegte Kunstsammlung korrespondierte anfangs mit der kulturpolitischen Kampagne des „Bitterfelder Weges“ (1958 – 1964). Später entstanden enge Kontakte zur Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig und der Hochschule für bildende Künste in Dresden. Durch diese gelangten zahlreiche Werke in die Sammlung. Durch die ökonomischen Sonderbedingungen in der Wismut und die hier relational zu anderen „gesellschaftlichen Auftraggebern“ erweiterten Ankaufs- und Auftragsbudgets wurde die Wismut zu einem attraktiven Vertragspartner für viele der im Verband Bildender Künstler vertretenen Künstler.
Die Ausstellung folgt keiner strengen Chronologie, sondern strukturiert sich nach thematischen Feldern. Dabei wird auch die Kunstförderpraxis der Wismut im Zusammenhang kulturpolitischer Zielstellungen dokumentiert. Die Schau rekonstruiert exemplarische Kunstaufträge, die Ausrichtung von Kunstausstellungen und Pleinairs wie auch die Vergabe eines eigenen Kultur- und Kunstpreises. Das Begleitprogramm und der Katalog thematisieren ebenso die nach 1989 einsetzende (und 2011 eskalierende) Debatte um den künstlerischen Wert und die noch ungeklärte Zukunft der Wismut-Kunstsammlung.
Erwartungen und Erträge
Ich bin zu dieser Ausstellung ohne Erwartungen gefahren, merkte aber schon in den ersten beiden Räumen, dass sie mit „Auftragskunst“ überhaupt nicht abgegolten ist. Es gibt mindestens drei Ebenen, über die nachzudenken wäre.
Die erste Ebene ist relativ leicht zu erkennen. Es sind die Gemälde der 1950er und 1960er Jahre. Drei Motive dominieren hier. Das eine ist das Porträt des Arbeiters. Statt des Herrschers oder des Wirtschaftsführers steht nun der Arbeiter vor der Staffelei des Künstlers. „Ich bin Arbeiter, wer ist mehr?“, lautet die Botschaft. Doch das Schöne ist anders: meistens sind die Porträtierten schüchtern, unsicher oder genervt. Keine „Wer ist mehr?“-Attitüde, eher die Frage an den Künstler: biste bald fertig? Das zweite Motiv zeigt die neue Zusammenarbeit von Ingenieuren und Arbeitern. Da stehen sie gemeinsam um einen großen Tisch und besprechen einen Plan. Alles sehr statisch, aber eines ist zu sehen: Ingenieure und Arbeiter begegnen sich auf Augenhöhe. Das sollte der Anfang sein. Das Motivsujet bleibt bis zum Schluss. Jetzt stehen alte berentete Bergmänner mit vielen Orden an der Brust für ihr Lebenswerk und für das Werk der Wismut. Jüngere Porträtierte sind nun zusehends selbstbewusster und grinsen auch schon mal vielsagend. Ein drittes Motiv ist die Zukunftsgläubigkeit. Nahezu idealtypisch mehrfach dargestellt in Bildern mit Titel wie: Friedliche Nutzung der Atomkraft oder Vision der Sonnensucher. Diese verschwindet Ende der 1970er Jahre. An ihre Stelle treten zunehmend Fragen der Zerstörung der Umwelt.
Die zweite Ebene ist die Darstellung von Arbeitsprozessen. Diese Prozesse werden nirgends geschönt. Bergbau ist ein harter Job, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ohne harte Arbeit kein Uran. Das war die Philosophie aller Wismut-Kumpel und darauf sind sie heute stolz. Was man nicht sieht, und darüber gibt es nur wenig explizite Kunst, sind die weitgehend optimal gestalteten Arbeits- und Lebensbedingungen. Schichtbusse zur Arbeit, Arbeitsbekleidung, Duschen nach der Schicht, Werkessen, Klubhäuser, Ferienheime, Krankenhäuser und Sanatorien sind ein wesentlicher Bestandteil des Wismut-Mythos. Die Arbeit unter Tage war fordistisch organisiert, da gab es keinen System-Unterschied. Den Unterschied ausmachen würde daher ein komplexes Bild: Wismut-Kumpel im zentralen Ferienheim Zinnowitz auf Usedom. Der Soziologe Wolfgang Engler hatte bei seinen tiefschürfenden Analysen der Ostdeutschen den Begriff der „arbeiterlichen Gesellschaft“ geprägt und definiert. Im Zusammenhang zwischen Produktion und die sie flankierenden Bedingungen schreibt er: Die ostdeutschen Betriebe „verhöhnten die elementarsten ökonomischen Notwendigkeiten, aber sie setzten die Menschen in den Stand, Beruf und Familienleben miteinander zu versöhnen, regten ihre kulturellen Interessen an und trugen den sozialen Austausch weit über die engen Grenzen der Arbeitswelt hinaus“. (Die Ostdeutschen als Avantgarde, Berlin 2004, S. 117) Dieser Aspekt des Staatssozialismus, der nach damaliger Sprachregelung „2. Lohntüte“ hieß, ist vielleicht bisher zu wenig beachtet, damals möglicherweise als banal betrachtet worden. Im Bewusstsein geblieben sind ausgebrannte Menschen nach der Schicht, die lesenden Arbeiter oder die feiernde Brigade.
Frank Ruddigkeit, Arbeitstag eines Bergmannes 1986 – 1989
Kurt Pesl, Werkstatt unter Tage
Lutz R. Ketscher, Schichtbus
Die dritte Ebene widmet sich der Inanspruchnahme der Landschaft insbesondere durch Aufschichtung riesiger Abraumhalden. Es könnte eine Darstellung von Krankheitsrisiken durch den Uranabbau geben, die insbesondere durch Silikose und die „Schneeberger Krankheit“ (Bronchialkarzinome) geprägt waren. Das war sicher nicht gewollt, darüber gibt es jedoch weltweit keine Kunst. Explizit tauchen die Namen Schlema und Ronneburg in den Bildwerken auf. Beide Orte stehen für eine exzessive Ausbeutung der Natur, geben aber auch ein gutes Beispiel für die Renaturierung der Abbaustätten und könnten in einer weiteren Ausstellung als Spannungspole figurieren.
Peter Kraft, Halden bei Ronneburg
Viktor Makejew, Sonne über dem Schacht
Die Zukunft der Sammlung
Die Ausstellung verstand sich als Beitrag zu einer längeren Diskussion um die Zukunft der Wismut-Sammlung. Experten, so heißt es, sind sich einig über die Qualität der Kunstwerke. Es braucht jedoch neue Strukturen, in denen die Sammlung bestehen und gepflegt werden kann. Die Wismut GmbH wird nach Beendigung der Renaturierungsarbeiten im Erzgebirge und Ostthüringen ihre Existenz beenden. Denkbar wäre die Form einer Stiftung. In einer solchen Form besteht die Willi-Sitte-Galerie in Merseburg. In einem weiteren Beitrag werden wir in Kürze über diesen Kunstort berichten.
(A. Matthies, Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e. V.)